Purim

 

 

Das jüdische Purimfest (פורים Purim von hebräisch Pur, Los, ursprünglich vom akkadischen Wort pūru; jiddisch Purim oder Pirem) wird am 14. (in Städten, die zur Zeit des Propheten Josua eine feste Stadtmauer hatten – heute gilt dies nur für Jerusalem – am 15.) des Monats Adar (Februar/März) des Jüdischen Kalenders gefeiert. Es ist auch bekannt unter dem Namen Schuschan Purim oder Purim der Städte. In jüdischen Schaltjahren wird der Adar verdoppelt; Purim findet in diesem Fall im zweiten Adar statt.

 

 

Ursprung

 

Purim ist ein Fest, das an die Errettung des jüdischen Volkes aus drohender Gefahr in der persischen Diaspora erinnert. Nach dem Buch Ester versuchte Haman, der höchste Regierungsbeamte des persischen Königs, die gesamten Juden im Perserreich an einem Tag zu ermorden.

 

Königin Ester führt jedoch durch Fasten und Gebet die Rettung herbei.

 

In der Synagoge wird aus diesem Anlass ein Gottesdienst gefeiert, bei dem es meist nicht übermäßig ernst zugeht; der ganze Ablauf zielt auf Freude. Dabei wird auch die Festrolle des Buches Ester vorgelesen. Immer wenn der Name Haman fällt, soll von den anwesenden Kindern mit Tuten, Rasseln und Ratschen (jiddisch Grägger) so viel Lärm wie möglich gemacht werden. Dies beruht auf dem Befehl Gottes, den Namen Amaleks, Hamans Vorfahr, zu löschen, nachdem Amalek Israel auf dem Weg zum Gelobten Land behindert hat. Sein Name wurde damit zum Symbol der Judenfeindschaft.

 

Im Buch Ester ist beschrieben, dass Haman sein Amt als höchster Regierungsbeamter des persischen Königs Achaschwerosch (hebräisch für Xerxes I.) selbstsüchtig ausgenutzt habe. Die königliche Dienerschaft musste vor ihm niederknien. Esters Cousin und Adoptivvater Mordechai habe sich als Jude jedoch geweigert. Aus Rache soll Haman die Tötung sämtlicher Juden beschlossen haben. Der genaue Zeitpunkt, der 13. Adar, wurde durch das Los bestimmt – daher auch der Name Purim (= Lose). Ester, die Königin, habe sich aber beim König für die Rettung der Juden eingesetzt, Haman wurde zusammen mit rund 75.000 weiteren Persern getötet.

 

Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit dem zoroastrischen Fest frawardīgān, der u.a. von Herodot als magophonia – der „Ermordung der Mager“ – berichtet wird (3.68-79) und an dem die zoroastrischen Perser der Herrschaft“ des Magers Gaumata und dem anschließenden Aufstieg Dareios I. gedachten.

 

 

Tag der Feier

 

In ganz Israel und in der Diaspora wird das Purimfest am 14. Adar gefeiert. In Jerusalem und in Jericho wie in der damaligen (persischen) Hauptstadt Susa sowie in allen Städten, die zur Zeit Josuas, des Sohnes Nuns, von einer Mauer umgeben waren, wird das Purimfest am 15. Adar begangen. Dieses Purim heißt Schuschan Purim oder Purim der Städte auf Grund der Tatsache, dass es nur in den früher von einer Mauer umgebenen Städten gefeiert wird, – im Gegensatz zum Purim der Provinzstädte, das in offenen Städten begangen wird. In Städten, in denen Zweifel in Bezug auf das Datum ihrer Entstehung und auf Mauern um sie herum bestehen – z.B. Akko, Tiberias, Jaffa – wird Purim sowohl am 14. wie am 15. Adar gefeiert.

 

Der Grund ist folgender: Am 13. Adar führten die Juden gegen ihre Feinde einen Rettungs- und Erlösungskampf, und am 14. Adar ruhten sie sich davon aus. Deshalb gilt dieser Tag als Tag der Freude und des Festmahls. Dagegen erhielten die Juden in der Hauptstadt Susa die Erlaubnis, sowohl am 13. als auch am 14. Adar gegen ihre Feinde zu kämpfen, und erst am 15. Adar ruhten sie sich von den Kämpfen aus. Deshalb wurde der 15. Adar als der Freudentag für die Juden in der Hauptstadt festgelegt. Um das Land Israel zu ehren, das zur damaligen Zeit öde und leer war, beschlossen die jüdischen Gelehrten, auch auf die Städte im Land Israel, die zur Zeit Josuas von einer Mauer umgeben waren, etwas von der Einzigartigkeit der Hauptstadt Susa zu übertragen.

 

 

Purim meschulasch

 

Purim meschulasch (dreimal Purim): Es kann der Fall eintreten, dass das Purimfest insgesamt drei Tage lang dauert, nämlich dann, wenn der 15. Adar auf einen Sabbat fällt in einer von Mauern umgebenen Stadt. Dann gilt folgendes:

 

  • 14. Adar: Lesen der Megilla und Geschenke für die Armen,
  • 15. Adar (Sabbat): Gebet Über die Wunder, Lesen der Tora,
  • 16. Adar (Sonntag): Festmahlzeit und Geschenksendungen an die Nächsten.

 

 

Sieben Pflichten an Purim

 

  1. Vollständige Lesung des Buches Ester (Megillat Ester). Kein Wort darf man verpassen, deshalb muss der Vorlesende an den Stellen, an denen die Gemeinde beim Hören des Namens Haman mit Ratschen klappert, rasselt oder sonst Geräusche macht („Haman-Klopfen“, Klopfen auf das Pult, zum Teil mit besonderen Hämmerchen), eine Pause einlegen, bis sich der Lärm gelegt hat.
  2. Geschenksendungen an den Nächsten oder Freunde („Mischloach Manot“ oder „Schlachmones“). Minimum ist dabei eine Sendung, die mindestens aus zwei verschiedenen Speisen besteht. Die Sendung muss am Feiertag selbst geschickt werden, nicht am Vorabend.
  3. Geschenke für die Armen, „Matanot Laewjonim“. Minimum sind zwei Geschenke an zwei Arme, d.h. ein Geschenk pro Person. Üblich und erwünscht sind Geldspenden.
  4. Lesen der Tora.
  5. Sagen des „Über die Wunder“ beim Gebet und beim Tischgebet die Speisen.
  6. Festmahlzeiten und Freude, „Seudat Purim“: Purim ist ein Tag, den Juden mit Essen und Trinken feiern. Im Zusammenhang muss man auch (viel) Wein trinken. Und dazu sagten die jüdischen Gelehrten: „Jeder muss so viel Wein trinken, bis er nicht mehr unterscheiden kann zwischen ‚Verflucht sei Haman‘ und ‚Gelobt sei Mordechai‘“ – möglichst viele "l’Chaims" (Trinkspruch „Auf's Leben!“) trinken und „Haman-Taschen“ essen.
  7. Verbot von Trauerreden und Fasten.

 

Brauchtum

 

 Die mit Purim verbundenen Bräuche basieren auf folgender Passage aus dem Buch Ester:

 

„Mordechai schrieb alles auf, was geschehen war. Er schickte Schreiben an alle Juden in allen Provinzen des Königs Artaxerxes nah und fern und machte ihnen zur Pflicht, den vierzehnten und den fünfzehnten Tag des Monats Adar in jedem Jahr als Festtag zu begehen. Das sind die Tage, an denen die Juden wieder Ruhe hatten vor ihren Feinden; es ist der Monat, in dem sich ihr Kummer in Freude verwandelte und ihre Trauer in Glück. Sie sollten sie als Festtage mit Essen und Trinken begehen und sich gegenseitig beschenken, und auch den Armen sollten sie Geschenke geben.“

 

Inmitten von Leid, Sorgen und Pogromen an den übrigen Tagen des Jahres bildete und bildet noch heute das Purimfest eine einsame Insel der Lebensfreude und des Humors, die typisch für das jüdische Volk sind. Die Menschen wurden mit einer besonderen Purimliteratur unterhalten, wie auch mit Masken und Verkleidungen erheitert.

 

Aufführungen und Darstellungen („Purimspiele“) wie die des „Rabbi von Purim“, launenhafte Possen, zum Teil Parodien biblischer Ereignisse und Gestalten waren einmal im Jahr erlaubt, eben zu Purim – und die Gemeindemitglieder nutzten sie, um die Honoratioren der Gemeinde aufs Korn zu nehmen und „mit ihnen abzurechnen“. Auf den Straßen sind bunte Kleider und Kostüme wie im Karneval zu sehen. In Israel werden diese lustigen, bunten Umzüge als Ad-lo-jada bezeichnet, „bis man nicht mehr weiß“ (was man tut).

 

Im Mittelpunkt steht das Verkleiden mit bunten Trachten und das Veranstalten von Umzügen. Die Stimmung ist ausgelassen. Es werden Geschenke ausgetauscht und große Mengen (vor allem süßer) Festspeisen – wie beispielsweise mit Mohn, Nüssen oder Schokolade gefüllte Hamantaschen oder Nunt – der Jüdischen Küche verzehrt. Ebenso ist es üblich, gekochte Bohnen und Erbsen zu essen. Jede ethnische Gruppe, jede Gemeinde hat mit besonderen Gerichten und besonderer Unterhaltung ihre eigenen Traditionen entwickelt.

 

Es gibt viele Begründungen, warum zu Purim Masken und Kostüme getragen werden. Manches Detail ist sicher auf die gegenseitige Beeinflussung mit dem christlichen Karneval, der ungefähr zur selben Jahreszeit stattfindet, zurückzuführen. Eine stärker innerjüdische Begründung basiert auf der Tatsache, dass das Buch Ester eins der Bücher der Bibel ist, in dem der Ausdruck Gott kein einziges Mal direkt sondern nur in Zusammensetzung von Wörtern genannt wird. Die jüdische Tradition interpretiert diese Eigenart dahingehend, dass selbst Gott sich zu Purim verkleide. Dennoch ist in den ausführlichen Details der Erzählung die unverwechselbare Präsenz der göttlichen Vorsehung spürbar. Auf die gleiche Weise soll das Konzept der Maske die Art und Weise ausdrücken, in der Gott die Geschehnisse von Purim lenke. Er habe sie, obwohl nicht sichtbar, zweifellos gelenkt. Früher verkleideten sich Juden als Ester, Haman usw. Aus der fröhlichen Stimmung des Feiertages heraus wurden dann aber auch andere Kostüme getragen.

 

 

Purim Vintz

 

Auch örtliche Gedenktage ähnlichen Anlasses werden „Purim“ genannt. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main z. B. feiert seit 1616 alljährlich am 20. Adar das Fest Purim Vintz (Purim Vincenz), das an die Niederschlagung des judenfeindlichen Fettmilch-Aufstands 1614 und an die feierliche Rückführung der zuvor vertriebenen Gemeinde in die Judengasse erinnert.

 

 

Literarisches Nachwirken

 

Der Ester-Stoff, der die Erhöhung der Demut und den Sturz des Hochmuts sinnfällig macht, wurde seit dem 16. Jhdt. wiederholt dramatisiert, u. a. von Hans Sachs, Lope de Vega, Racine (Esther), Grillparzer und Max Brod.

 

 

Purim unter den Nationalsozialisten

 

Die Nationalsozialisten nahmen oftmals Bezug auf das Purimfest, wobei man den Juden die im Buch Ester berichtete Gegengewalt gegen Haman und seine Gefolgsleute vorwarf. So behauptete etwa das antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“ 1934, Juden würden an Purim bei einem exzessiven Trinkgelage Hass und Mord gegen Nichtjuden predigen. Juden würden dabei eine Haman-Puppe durchbohren, die sie auch mit Adolf Hitler identifizierten. Gauleiter Julius Streicher, der Herausgeber des „Stürmers“, behauptete in einer am 10. November 1938, einen Tag nach der Reichspogromnacht, gehaltenen Rede, die Juden hätten damals 75.000 Perser ermordet und hätten durch Anzetteln eines Krieges gegen Deutschland dem deutschen Volk ein ähnliches Schicksal zugefügt und ein neues, deutsches Purimfest eingeführt, wenn man ihnen nicht durch die Pogrome zuvorgekommen wäre. Am 30. Januar 1944 zog Hitler selbst eine Verbindung zwischen sich und Haman und zwischen einer Niederlage Nazideutschlands und eines "zweiten Purims".

 

Während des Holocaust wählten die Nazis wiederholt das Purimfest für Angriffe auf Juden. 1942 wurden im polnischen Zduńska Wola an Purim zehn Juden gehängt, „um Hamans Söhne zu rächen“. 1943 wurden mit ähnlicher Begründung zehn Juden aus dem Ghetto von Piotrków erschossen und am Purimfest dieses Jahres bei Częstochowa und Szydłowiec über einhundert jüdische Ärzte und ihre Familien erschossen.

 

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