Rosch Ha-Schana

 

Rosch ha-Schana (auch Rosch ha-Schanah, in aschkenasischer Aussprache Rausch ha-Schono oder Roisch ha-Schono oder volkstümlich auf Jiddisch Roscheschone, Roscheschune genannt; Hebräisch ראֹשׁ הַשָּׁנָה ‚Haupt des Jahres‘, ‚Anfang des Jahres‘) ist der jüdische Neujahrstag. Die Mischna, die wichtigste Sammlung religiöser Überlieferungen des rabbinischen Judentums, legt dieses Fest als Jahresbeginn und für die Berechnung von Kalenderjahren fest.

 

Der Neujahrsgruß ist שנה טובה schana tovaein gutes Jahr oder auch שנה טובה ומתוקה schana tova u'metuka, ein gutes und süßes Jahr.

 

 

Zeitpunkt und Einbettung in den jüdischen Kalender

 

Rosch ha-Schana fällt nach dem jüdischen Kalender auf den 1. Tischri, der nach dem gregorianischen Kalender in den September oder in die erste Hälfte des Oktobers fällt. Das genaue Datum im gregorianischen Kalender wechselt von Jahr zu Jahr, weil der jüdische Kalender mit 12 Mondmonaten von 29 bis 30 Tagen rechnet (Synodischer Monat 29,53 Tage). Um die 354 oder 355 Tage mit dem Sonnenjahr in Einklang zu bringen, wird etwa alle drei Jahre ein ganzer Schaltmonat eingefügt.

 

An Rosch ha-Schana beginnen die Zehn ehrfurchtsvollen Tage (hebräisch Jamim Noraim), die mit dem Versöhnungsfest Jom Kippur enden. Die rabbinische Literatur beschreibt diesen Tag als einen Tag des Gerichts. Einige Beschreibungen schildern Gott als auf einem Thron sitzend, wobei Bücher mit den Taten aller Menschen offen vor ihm liegen.

 

Der Silvestergruß „Guter Rutsch“ ist etymologisch möglicherweise eine Verballhornung aus dem Jiddischen beziehungsweise Bibel-Hebräischen und leitet sich vom hebräischen ראש השנה טוב Rosch ha-Schana tov (= einen guten Anfang; wörtlich: Kopf – des Jahres – gut; also etwa: „Gutes Neujahr“) ab. Diese Floskel dürfte Anfang des 20. Jahrhunderts im Deutschen geläufig geworden sein.

 

 

Allgemeines

 

Das Fest Rosch ha-Schana ist biblisch in Levitikus 23,24–25, Numeri 29,1–6 und in Grundzügen in Ez 40,1 bezeugt. Es beginnt im Herbst, am Tagesende nach dem 29. Tag des jüdischen Monats Elul. Es dauert zwei Tage bis zum Tagesende des zweiten Tages des Monats Tischri (auch in Israel, wo ansonsten die meisten Feiertage nur einen Tag lang sind). Der zweite Tag wurde später hinzugefügt. Es gibt Hinweise darauf, dass Rosch ha-Schana bis ins 13. Jahrhundert in Jerusalem nur einen Tag lang gefeiert wurde.

 

Das Reformjudentum feiert generell nur den ersten Tag des Festes. Orthodoxes Judentum und Konservatives Judentum beachten sowohl den ersten als auch den zweiten Tag.

 

Rosch ha-Schana findet 163 Tage nach dem ersten Tag des Pessachfestes statt. Unter dem derzeit gültigen gregorianischen Kalender kann Rosch ha-Schana nicht vor dem 5. September stattfinden, wie zum Beispiel in den Jahren 1899 und wieder 2013. Nach dem Jahr 2089 werden die Differenzen zwischen jüdischem Kalender und dem gregorianischen Kalender dazu führen, dass Rosch ha-Schana nicht vor dem 6. September liegen kann. Rosch ha-Schana kann nicht später als am 5. Oktober liegen, wie z.B. im Jahr 1967 und wieder im Jahr 2043. Der jüdische Kalender ist so aufgebaut, dass der erste Tag von Rosch ha-Schana niemals auf einen Mittwoch, Freitag oder Sonntag fällt.

 

Die folgende Tabelle zeigt die Termine von Rosch ha-Schana der letzten und für die nächsten Jahre an. Rosch ha-Schana beginnt am Sonnenuntergang des Abends vor dem in der Tabelle angeführten Tag.

 

Jahr nach jüdischem Kalender

Datum nach gregorianischem Kalender

5770

19. September 2009 (Sa)

5771

9. September 2010 (Do)

5772

29. September 2011 (Do)

5773

17. September 2012 (Mo)

5774

5. September 2013 (Do)

5775

25. September 2014 (Do)

5776

14. September 2015 (Mo)

5777

3. Oktober 2016 (Mo)

5778

21. September 2017 (Do)

5779

10. September 2018 (Mo)

5780

30. September 2019 (Mo)

5781

19. September 2020 (Sa)

5782

7. September 2021 (Di)

5783

26. September 2022 (Mo)

 

Die Samaritaner feiern ihr Rosch ha-Schana dagegen im Frühling, zum Beginn des Monats Abib. Manche Forscher halten das für den ursprünglichen gesamtisraelitischen Brauch. Die Auseinandersetzungen über den Zeitpunkt von Rosch ha-Schana gehen auf talmudische Zeiten zurück (Mischnatraktat Rosch ha-Schana).

 

Auch nach der Tora beginnt im Frühling (am 1. Nisan) das neue Jahr Ex 12,2 (2. Mose 12,2).

 

 

Religiöse Einordnung, Traditionen und Gebräuche

 

Rosch ha-Schana ist laut Talmud Beginn und in der Folge Jahrestag der Weltschöpfung, steht aber auch für den Jahrestag der Geburt Adams. Es ist der Tag der Forderung, Bilanz zu ziehen über das moralische und religiöse Verhalten im abgelaufenen Jahr, und man tritt mit Gebeten für eine gute Zukunft vor Gott.

 

Es ist ein Tag des Schofar-Blasens. In der Tora wird dieser Tag auch Tag des Schofars genannt. (Lev 23,23–25) Man nennt ihn auch "Tag des Lärmblasens".

 

Rosch ha-Schana ist kein Trauertag, sondern ein Fest, an dem sich die Juden – wegen Gottes Erbarmen – freuen sollen. Außer dem Hallel, das an Neujahr ausgelassen wird, gleicht es in seinen feierlichen Merkmalen allen anderen Festen: Kleidung, Waschen, Haareschneiden, innere Vorbereitung und festliche Mahlzeiten.

 

Rosch ha-Schana ist auch Jom Hadin, „Tag des Gerichts“: Am Neujahrsfest werden drei Bücher geöffnet. Ins erste werden die ganz „Gerechten“ eingetragen, die sofort das „Siegel des Lebens erhalten“. Ins zweite Buch werden die ganz „Bösen“ eingetragen, die das „Siegel des Todes“ erhalten. Und das dritte Buch ist für die „Mittelmäßigen“ bestimmt, die sowohl Sünden wie Verdienste vorweisen können. Das endgültige Urteil bleibt in der Zeit vom Neujahrstag bis zum Versöhnungstag offen. Durch Einkehr und Umkehr ist es möglich, das Siegel des Lebens zu erhalten.

 

Die Ordnung von Gebeten, Schofarblasen, Kiddusch und Mahlzeiten, die für den ersten Neujahrstag gültig ist, gilt auch für den zweiten Neujahrstag. Es ist aber kein „zweiter Feiertag“, wie er in der Diaspora bei den anderen Feiertagen üblich ist. Beide Tage zusammen bezeichnet der Talmud als einen 48 Stunden dauernden Feiertag. Wegen dieser Vorschrift besteht die Befürchtung, dass man möglicherweise „unnötige Segenssprüche“ beim Schehechejanu, Kerzenanzünden und dem Kaddisch am zweiten Tag sagt. Um diese Zweifel aus dem Weg zu räumen, zieht man am zweiten Neujahrstag im Allgemeinen ein neues Kleidungsstück an und stellt eine Schale auf den Tisch, die Früchte enthält, die man zu dieser Jahreszeit noch nicht gegessen hat. Die Segenssprüche bezieht man nun darauf.

 

Am Nachmittag des ersten Tages gibt es den Taschlich-Brauch, nach einem Gebet zur Vergebung von Sünden diese symbolisch durch Werfen von Steinen oder Brotkrumen ins Wasser abzustreifen.

 

Die Synagoge ist zu Rosch ha-Schana ebenso wie der Vorbeter überwiegend in Weiß gehalten. Das soll die Reinheit symbolisieren.

 

 

Speisesitten an Rosch ha-Schana

 

Genuss von Honigkuchen (Honek-Lejkech), Zimmes, Weintrauben, süßem Wein und in Honig getauchte Apfel- (oder auch Challa)scheiben drücken die Hoffnung auf ein gutes, süßes Jahr aus. Ebenfalls wird zuweilen ein symbolisches Stück von einem Fisch- oder Schafskopf mit den Worten „Möge es dein Wille sein, dass wir zum Kopf und nicht zum Schwanz werden“ gegessen.

 

Ein weiterer Brauch ist das Essen von Granatäpfeln, die viele Kerne enthalten. Dazu sagt man: „Möge es dein Wille sein, dass unsere Rechte sich wie der Granatapfel mehren.“

 

In jiddisch sprechenden Gemeinden wurden Möhren (mern) mit den Worten „Möge es dein Wille sein, dass sich unsere Rechte mehren“ gegessen. Manchmal werden auch Datteln gegessen, wobei gesagt wird: „Möge es dein Wille sein, dass unsere Verleumder und Ankläger zugrunde gehen.“

 

Der Segensspruch nach dem Gottesdienst ist „leschana towa tikatewu“ bzw. aschkenasisch „leschono tauwo tikossejwu“ („Ihr möget zu einem guten Jahr eingeschrieben werden“). Vor Rosch ha-Schana besucht man die Gräber der verstorbenen Angehörigen und „Gerechten“, um sich durch die Erinnerung an deren Leben für das kommende Jahr inspirieren zu lassen. Am Morgen vor dem Neujahrsfest findet nach dem Morgengebet das „Entbinden von Gelübden“ statt (vor drei Gläubigen, die für diesen Zweck ein „Gericht“ gebildet haben).

 

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