Tisch'a be Aw

 

 

am 9. Tag des Monat Aw

 

Ein Trauer-, Fasten-- und Gebetstag zum Gedenken an die Zerstörung des Ersten Tempels im Jahre 586 v.u.Z. und des Zweiten Tempels im Jahre 70 u.Z.

 

So klagt Zion:

 Ach Herr. sieh doch wie bange mir ist; dass mir‘s im Leibe davon weh tut

 Mir dreht sich das Herz im Leibe um, weil ich so ungehorsam gewesen bin

 Draußen hat mich das Schwert und im Hause hat mich der Tod meiner Kinder beraubt

 Klagelieder des Jeremia 1, 22

 

 

 

Die Geschichte des Tisch’a be Aw

 

Im jüdischen Kalender gibt es 4 Trauer-.Fasten-Tage:

 

1. „Fasten-Gedalja“ am 3. Tischri (September/Oktober- nach Rosch Haschana) – zur Erinnerung an die Ermordung des letzten jüdischen Statthalters von Jerusalem unter Nebukadnezar. Dieser zerstörte Jerusalem, deportierte die Juden nach Babylon und beendete damit die Existenz des jüdischen Staates. Das Fasten beginnt am Morgen des 3. Tischri mit dem Sonnenaufgang und endet mit Aufgang der Sterne am Abend. Das Fasten ist „vollständig“ – keine Getränke – keine festen Speisen.

 

2. „Assara be tewet“ (der 10.im Monat Tewet - Dezember/Januar) – Erinnerung an den Beginn der Belagerung von Jerusalem durch Nebukadnezar 588 v.u.Z. Vorgehensweise des Fastens wie beim Fasten-Gedalja – man nennt dieses fasten auch „minderer“ Fastentag – es beginnt nicht am Vorabend

 

3. „Schiwa-Assar Be-Tamus“ (17. Tag im Monat Tamus - /Juni/August) – Erinnerung an den Durchbruch der Stadtmauer Jerusalems die zur Zerstörung des Ersten wie auch des Zweiten Tempels führte.

 

(Am 9. Tamus 586 (einige Quellen nennen 587) v.u.Z. durchbrachen die Truppen

 

Nebukadnezars die Mauern Jerusalem Jerusalems, die Stadt wurde erobert und König Zedekiah verschleppt.)

 

Am 17. Tamus waren es Titus’ römische Legionen, die an diesem Tag die Stadtmauer Jerusalems durchbrachen und die Stadat eroberten. Beide Tage werden gemeinsam als Trauer – und Fastentag am 17. Tamus begangen, weil die Ereignisse unter Nebukadnezar und Titus eng beieinander liegen.Mit diesem Datum beginnt ein dreiwöchige nationale Zeit der Trauer bis zum 9. Aw. Am 17. Aw wird ein „minderes“ Fasten wie an den beiden vorher genannten Trauertagen, eingehalten. Diese drei Wochen werden „In der Verzweiflung“ oder „Tage der Angst“ - „Bein HaMezarim“ genannt.

 

4. „Tisch’a be Aw“ (am 9. des Monat Aw _ Juli/August) – Erinnerung an die Zerstörung des Ersten und des Zweiten Tempels. Beide Tempel wurden, so die Überlieferung, wurden am gleichen Tag zerstört.

 

Am „Tisch’a be Aw“ gab es in der jüdischen Geschichte noch weitere schreckliche Ereignisse:

 

  • den Fall von Betjar. Dabei handelt es sich um die letzte jüdischen Festung, die im Bar Kochba-Aufstand (135 u.Z.) von den Römern eingenommen wurde;
  • an diesem Tag 1492 – Proklamation und Beginn der Vertreibung der Juden aus Spanien ;
  • Beginn des 1. Weltkrieges, der folgenschwer für die osteuropäischen Juden wurde;
  • an diesem Tag setzte 1941 die Judenvernichtung durch das Hitler-Regime ein. Allerdings
  • wird dieses Tages gesondert am „Jom HaSchoa“ am 27. Nissan (April/Mai) gedacht;
  • den Sprengstoffanschlag auf das jüdische Zentrum in Buenos Aires 1994

 Am „Tischa b’Aw“ bringt das jüdische Volk seine Betroffenheit und seinen tiefen Schmerz über diese wohl größte aller Katastrophen – die Zerstörung des Tempels zum Ausdruck. Mit der Zerstörung des Zweiten Tempels 70 u.Z. erlosch endgültig der Opferdienst. Nach dem Jom Kippur-Tag ist der Tisch’a be Aw der wichtigste Fastentag im jüdischen Leben. Am Ausgang dieses Tages wird die dreiwöchige Trauerzeit über die äußerst tragischen Ereignisse:

 

  • der Eroberung Jerusalem,
  • der Zerstörung der beiden Tempel, der Heiligtümer jüdischen Lebens und
  • Vertreibung des jüdischen Volkes beendet.

 Das Fasten beginnt am Erew (Vorabend) des Tisch’a be Aw und endet am Abend des 9. Aw. 24 Stunden lang werden weder Getränke noch feste Speisen zu sich genommen.

 

Es ist den Trauernden geboten:

 

  • keine Waschungen oder Bäder vorzunehmen – in Ausnahmesituationen ist lediglich eine Reinigung der Finger oder Augen gestattet;
  • nur allernotwendigste Beleuchtung ist in Betrieb zu nehmen; es herrschen Dämmerlicht oder Halbdunkelheit;
  • Spaziergänge und Begrüßungen zu unterlassen;
  • Friedhöfe sollen aufgesucht werden, auch „nichtjüdische“, da die Zerstörung des Tempels und Jerusalems nicht allein Israel, sondern die ganze Welt betrifft, die ihr geistliches Zentrum verloren hat;
  • während der Trauer auf niedrigen, harten Schemeln zu sitzen – anstatt auf bequemen Sitzen;
  • keine Lederschuhe zu tragen (sie sind Z eichen von Luxus – und auf solche
  • Annehmlichkeiten wird verzichtet; als Zeichen der Trauer sitzenden die Trauernden in den Synagogen auf Schemeln – ohne Schuhe – meistens barfuß; in gleicher Weise geschieht auch das „Schiwa-Sitzen“ wenn der Tod eines Angehörigen oder Freundes betrauert wird;
  • öffentliche Arbeit zu unterlassen;

 Lesungen erfolgen nur in Bezug auf die Zerstörungen Jerusalems und des Tempels. Alle anderen Lesungen würden Lust und Freude bedeuten (z.B. Psalm 119, 47.162); dies ist ein Tag der Trauer! Sehr fromme Juden benutzen als Steigerung des Trauerverhaltens nachts einen Stein statt des gewohnten Kopfkissens - fasten zwei Tage und essen dann möglicher Weise Brot mit Asche darauf anstatt Salz.

 

Erst im Nachmittagsgebet dürfen wieder Gebetriemen (Tefillim) und Gebetsmantel (Tallit) getragen werden. Der Torah-Schrein hat wieder einen Vorhang, all das ist beim Morgengebet verboten. Auch das Sitzen auf unbequemen Stühlen wird aufgehoben; ebenso werden wieder Lederschuhe getragen und Arbeit darf verrichtet werden. Waschungen hingegen unterbleiben bis zum Abend und auch das Fasen wird erst am Abend aufgehoben.

 

Am Erew Tisch’a be Aw werden die Klagelieder des Jeremia gelesen. 1996 war ich an diesem Abend in Jerusalem und was ich dort erleben durfte, ist mit Worten gar nicht zu beschreiben. Der Platz vor der Kotel (West- Klagemauer) war absolut „dicht“ mit Tausenden Trauernden. Es war das Jahr der Feierlichkeiten „3000 Jahre Jerusalem“ ! Junge und Alte, Frauen und Männer, lasen murmelnd, nur die Lippen bewegend die Klagelieder des Jeremia. Ihre Körper neigten sich dabei in manchmal kaum wahrnehmbaren oder auch deutlich erkennbaren Bewegungen vor und zurück oder hin und her wiegend nach rechts und links. Viele hatten kleine hölzerne Schemel dabei oder auch Matratzen. Nirgendwo auf der Welt gibt es solch einen Ort an dem ein beinah lautloses Lesen von Tausenden, wie ein gewaltiger „Aufschrei zum GOTT Israels“ zum Himmel aufsteigt. Es waren Bilder und tiefe geistliche Wahrnehmungen, die, wann immer ich das Wort „Tisch’a be  Aw“ höre oder lese vor meinen Augen und Ohren wieder erlebe – auch ohne Fotos davon zu haben!

 

Mit dem Abend des 9. Aw ist das Fasten beendet – die Trauerzeit jedoch noch nicht, da der Tempel bis zum Mittag des 10. Aw brannte.

 

In den ersten 10 Tagen des Monats Aw wird auf Fleisch und Wein verzichtet, denn das sind Zeichen von festlichen Anlässen und die der nationalen Trauer beginnt ja grundsätzlich bereits mit dem 17. Tamus. In dieser Zeit gibt es auch keine Hochzeiten, ein neues Haus wird nicht bezogen – neue Kleidung wird nicht gekauft. Lauter Gesang und laute Musik gehören ebenfalls nicht zu diesen Tagen.

 

 

Die Klageleider des Jeremia – kleine Übersicht

 

Kap 1 - erstes Lied – Jerusalems Verwüstung wegen seiner Sünde

Vv 1- 7 Das Ausmaß der Zerstörung

Vv 8-11 Der Grund für die Zerstörung

Vv 12-22 Jerusalems Bitte um Erbarmen

 

Kap 2 - zweites Lied: GOTTES Strafe für Jerusalems Sünde

Vv 1- 10 GOTTES Zorn

Vv 11-19 Jeremias Klage und Trauer – Lk 19, 41-44: Jesus weint um Jerusalem – Zerstörung des Zweiten Tempels 70 u.Z.

Vv 20-22 Jeremias Bitte

 

Kap 4 - viertes Lied: Der Zorn GOTTES

Vv 1-11 Die Situation vor und nach der Eroberung

Vv 12-20 Gründe für die Eroberung – Hes 29, 6.7 // Jer 37, 6-20 Ägypten als Schutzmacht

Vv 21-22 Der Ruf nach Rechtfertigung - Hes 25, 12-14; 35 // Jer 49, 7-22; Ps 137,7 – Edom!

 

Kap 5 - fünftes Lied: Die Antwort des Überrestes

Vv 1-18 Das Gebet des Überrestes um GOTTES Gedenken

Vv 19-22 Das Gebet des Überrestes um Wiederherstellung - Bitte im Wiederaufrichtung Juda’s / Wiederherstellung des Landes – und Bundessegen, siehe 5 Mose 30, 1-19, GOTTES Zusage an Israel

 

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