Als Holocaust [holokaʊ̯st, holokaʊ̯st] (griechisch ὁλόκαυστον holókauston ‚vollständig verbrannt‘) oder Shoa (hebräisch הַשּׁוֹאָה ha'Schoah „die Katastrophe“, „das große Unglück / Unheil“) wird der Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen Menschen bezeichnet, die das Deutsche Reich in der Zeit des Nationalsozialismus als Juden definierte. Er gründete auf dem vom NS-Regime propagierten Antisemitismus, zielte auf die vollständige Vernichtung der europäischen Juden und wurde von 1941 bis 1945 systematisch, ab 1942 auch mit industriellen Methoden durchgeführt.
Die Nationalsozialisten nannten ihr Ziel, alle Juden aus Europa zu vertreiben, seit 1940 offiziell „Endlösung der Judenfrage“. Seit 1941 umschrieb dieser zynische Ausdruck zur Tarnung ihre systematischen Judenmorde. Er wird oft in historischen Werken darüber zitiert.
Im deutschen Sprachraum wurde das Verbrechen seit Mai 1945 als Judenvernichtung, Judenmord oder Massenmord an den europäischen Juden bezeichnet. Seit etwa 1960 bürgerte sich „Auschwitz“, der Ort des größten nationalsozialistischen Vernichtungslagers, als Symbol-Name dafür ein.
Die heute übliche Bezeichnung „Holocaust“ leitet sich vom griechischen Adjektiv ὁλόκαυστον (holókauston) ab, das „vollständig verbrannt“ bedeutet und ein vollständig auf Altären verbranntes Tieropfer bezeichnet. Seit etwa 1600 bezeichnete das englische Wort Holocaust auch Feuertode, seit etwa 1800 auch Massaker, seit 1895 auch ethnische Massaker wie den späteren Völkermord an den Armeniern. Im Dezember 1942 verwendete die britische Tageszeitung News Chronicle noch ohne Kenntnis der NS-Vernichtungsmethoden das Wort erstmals für Adolf Hitlers Vernichtungsplan an den Juden. Bis 1972 wurde es in der Geschichtswissenschaft der USA dafür üblich. Seit 1978 verbreitete die Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß es in vielen weiteren Staaten, darunter in der Bundesrepublik Deutschland. Seitdem wird der Begriff meist auf die systematische Ermordung der europäischen Juden begrenzt. Manchmal umfasst er auch den Völkermord an bis zu 500.000 Roma, die die Nationalsozialisten als „Zigeuner“ ebenfalls zur „minderwertigen Fremdrasse“ erklärten und ausrotten wollten (Porajmos, Roma-Holocaust).
Die Bezeichnung der Judenvernichtung als „Holocaust“ wurde wegen der Herkunft des Wortes aus dem religiösen Opferkult und früheren Verwendung im christlichen Antijudaismus oft als problematisch angesehen. In Israel und im Judentum wird das Verbrechen seit 1948 als Shoa („Katastrophe“, „großes Unglück“) bezeichnet. Daran erinnert seit 1959 der Gedenktag Jom haScho'a. Seit 1985 wird das hebräische Wort auch in Europa für den Holocaust verwendet. Jüdische Theologen bezeichnen das Ereignis auch als dritten Churban (hebräisch: „Vernichtung“, „Verwüstung“) und deuten es damit wie die beiden Zerstörungen des Jerusalemer Tempels (586 v. und 70 n. Chr.) als eine alle Nachfahren der Israeliten betreffende Großkatastrophe der jüdischen Geschichte.
Weitere Massenmorde der Nationalsozialisten werden nicht als Holocaust bezeichnet und nicht als sein Teil beschrieben, da andere Opfergruppen nicht unbedingt physisch völlig vernichtet werden sollten. Die Morde an
gehörten ebenfalls zur Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten.
Zu den historischen Voraussetzungen des Holocaust gehört der moderne Antisemitismus, der seit etwa 1870 in Europa entstand und seinerseits eine lange Vorgeschichte im christlichen Antijudaismus hatte. Zu den Entstehungs- und Aufstiegsbedingungen des Nationalsozialismus gehören vor allem der Erste Weltkrieg 1914–1918 und die Weltwirtschaftskrise 1929–1932.
Die 1919 gegründete NSDAP strebte mit ihrem 25-Punkte-Programm die Ausgrenzung und Vertreibung der Juden aus einer als „Führerstaat“ verfassten großdeutschen „Volksgemeinschaft“ an.
Adolf Hitler hatte schon im September 1919, vor seinem Parteibeitritt, die „Entfernung“ der deutschen Juden zum unabdingbaren politischen Ziel eines solchen Staates erklärt. In seiner zweiteiligen Programmschrift Mein Kampf (1925/1926) sowie seinem unveröffentlichten Zweiten Buch (1928) führte er seinen Rasse-Antisemitismus aus, befürwortete Massenmorde an Juden im Falle eines neuen Weltkriegs und erklärte die Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ zum Hauptziel nationalsozialistischer Außenpolitik. Gemeint war die kriegerische Eroberung der von einem angeblichen „Weltjudentum“ beherrschten Sowjetunion und die folgende Germanisierung durch Massenumsiedlungen und Massenmorde.
Der konsistente, fanatische „Erlösungsantisemitismus“ Hitlers und seiner Anhänger (eine Begriffsprägung Saul Friedländers) gilt als wesentliche, aber nicht als alleinige und hinreichende Bedingung für den Holocaust.
Bis 1941 strebten die Nationalsozialisten die Vertreibung und Enteignung der deutschen Juden an. Sofort nach Hitlers Machtantritt am 30. Januar 1933 begannen die NSDAP und ihre Unterorganisationen SA, SS, NSDStB und Hitlerjugend mit teils ungeplanten, teils organisierten Gewalttaten gegen Juden. Eine staatliche „Judenpolitik“ entstand erst als Reaktion darauf. Wichtige Stationen waren der „Judenboykott“ vom 1. April 1933 und das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das die Entlassung aller „nichtarischen“ Beamten vorsah und so erstmals ein Rasse-Kriterium in ein Staatsgesetz einführte. Es leitete die gesellschaftliche Ausgrenzung von Juden aus Berufsverbänden, Unternehmen, Vereinen, Schulen und dem Kulturleben ein. Diese wurde mit zahlreichen weiteren antijüdischen Gesetzen und Verordnungen fortgesetzt und bis 1945 ständig verschärft. Ebenfalls 1933 errichtete das NS-Regime Konzentrationslager (KZ), zunächst für politische Gegner. Diese Lager waren ein Modell für spätere Arbeits- und Vernichtungslager für Juden und andere rassistisch verfolgte Gruppen. Verhungern, Folter und willkürliche Morde gehörten schon in den ersten KZs zum Alltag. Jüdische Lagerhäftlinge wurden dort bereits besonders schikaniert und hatten die höchsten Sterblichkeitsraten. Am 12. April 1933 wurden im Konzentrationslager Dachau erstmals auch Juden ermordet.
Im Sommer 1935 organisierte die Parteibasis der NSDAP erneut Boykottaktionen. Daraufhin erließ das NS-Regime im September hastig die Nürnberger Gesetze, die die Bürgerrechte deutscher Juden stark einschränkten. „Volljuden“ und „jüdische Mischlinge“ wurden in Verordnungen definiert, die später nachgereicht wurden. Nichtjuden, die einen Juden bzw. eine Jüdin heirateten oder zur jüdischen Religion konvertiert waren, wurden unabhängig von ihrer Herkunft zu „Geltungsjuden“ erklärt. 1936 und 1937 redete Hitler kaum über Juden und ergriff keine weiteren Initiativen zu ihrer vollständigen Vertreibung. Doch am 30. November 1937 bekräftigte er laut Joseph Goebbels: „Die Juden müssen aus Deutschland, ja aus ganz Europa heraus.“ Das werde noch dauern, doch er sei dazu „fest entschlossen“. 1938, parallel zur laufenden Aufrüstung der Wehrmacht und Kriegsvorbereitung, verschärfte das NS-Regime die Verfolgung reichsdeutscher Juden erneut. Sie mussten zum Beispiel zusätzlich „typisch jüdische“ Vor- und Zunamen annehmen (Januar), wurden nach dem Anschluss Österreichs massenhaft beraubt (März), mussten ihr ganzes Vermögen „anmelden“ (26. April), erhielten keine staatlichen Aufträge und Approbationen mehr (September), aber einen Judenstempel in ihre Reisepässe (Oktober), der mit Auslandsmaßnahmen gegen jüdische Emigranten gerechtfertigt wurde.
Bei der „Polenaktion“ vom 27. Oktober 1938 wurden etwa 15.000 Juden gewaltsam aus Deutschland nach Polen deportiert. Der Mord eines Betroffenen an einem deutschen Diplomaten diente als willkommener Vorwand für die reichsweiten Novemberpogrome 1938, bei denen etwa 400 Personen ermordet, über 1400 Synagogen, andere Versammlungsräume und Friedhöfe zerstört und bis zu 36.000 Juden in KZs interniert wurden. Mit der am 12. November verhängten „Judenbuße“ mussten die Opfer für die Zerstörungen aufkommen; mit der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben und der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens wurde die staatliche „Arisierung“ beschleunigt. Die Maßnahmen des NS-Regimes schufen auch ohne einen „grundlegenden Plan“ wesentliche administrative Voraussetzungen, die den Holocaust ermöglichten: darunter die gesetzliche Definition des Begriffs „Jude“, Enteignung und Konzentration in besonderen Wohnbereichen. Nationalsozialistische Verfolgung und Ermordung der Juden werden daher als ineinander übergehende, untrennbare „Vernichtungspolitik“ beschrieben.
Von 510.000 deutschen Juden, die 1933 den israelitischen Kultusgemeinden angeschlossen waren, wanderten bis zum Kriegsbeginn im September 1939 278.000 bis 315.000 aus; bis 1940 flohen nochmal 15.000. Von in „Mischehen“ oder versteckt im Reich lebenden Juden entkamen 10.000 bis 15.000 dem Holocaust. Bis zu 195.000 deutsche Juden wurden darin ermordet. Etwa 6000 überlebten die Lager. Von etwa 200.000 österreichischen Juden wurden etwa 65.500 in der NS-Zeit getötet, die übrigen konnten nach dem Anschluss und nach Kriegsbeginn fliehen.
Als „Holocaust“ oder „Völkermord an den Juden“ bezeichnet die Holocaustforschung jenen Vernichtungsprozess, der im Zweiten Weltkrieg von angeordneten Massenerschießungen osteuropäischer Juden bis zur systematischen Vergasung von Juden aus allen von Deutschland besetzten Gebieten Europas in eigens dazu eingerichteten Vernichtungslagern reichte.
Für einige Historiker begann der Holocaust im September 1939, weil im Polenfeldzug und danach schon tausende Juden ermordet und dabei die meisten späteren Vernichtungsmethoden erprobt wurden: Isolierung in Ghettos und Lagern, Verhungernlassen, Deportation, Massenerschießungen und Morde mit Giftgas. Für viele Historiker begann der Holocaust mit dem Krieg gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941, weil dann systematische, zentral vorbereitete und befohlene Massenmorde an Juden in ganzen Regionen einsetzten.
Die Morde geschahen regional in verschiedenem Tempo und zeitlich versetzt. Sie wurden auf immer mehr Opfergruppen ausgeweitet und mit immer radikaleren Methoden vollzogen. Während einige Opfergruppen noch vertrieben oder deportiert wurden, wurden andere schon vernichtet, so dass sich „Konzeption, Entscheidungsbildung und Durchführung nicht immer klar abgrenzen lassen“.
Ab 23. Juni 1941 wurden sowjetische jüdische Männer, ab 15. August auch Frauen, Kinder und Greise erschossen. Ab Oktober wurden auch deutsche Juden deportiert und der Bau der ersten Vernichtungslager begonnen. Ab 25. November wurden auch deutsche Juden erschossen. Ab 8. Dezember wurden Juden mit Abgasen ermordet. Ab Februar 1942 wurden auch west- und südeuropäische Juden nach Osteuropa deportiert. Ab März wurden Vernichtungslager mit Gaskammern in Betrieb genommen und dorthin deportierte Juden sofort nach ihrer Ankunft ermordet. Ab Juli wurden Juden aus ganz Europa in Vernichtungslager deportiert. Das NS-Regime schob einzelne dieser Schritte allenfalls auf, setzte den Morden aber keine Grenze, hielt sie nie an und nahm keine Entscheidung dazu zurück. Die zeitweise ausgesetzte Ermordung der ungarischen Juden wurde fortgesetzt und beschleunigt, als die Kriegsniederlage längst feststand. Die Überlebenden von aufgelösten Vernichtungs- und Arbeitslagern wurden auf Todesmärsche geschickt.
Mit dem Polenfeldzug gelangten rund zwei Millionen polnische Juden unter die Herrschaft der Nationalsozialisten. Am 3. September 1939, zwei Tage nach Kriegsbeginn, verübten Deutsche ein erstes Massaker an polnischen Juden, das sie als Rache für den Bromberger Blutsonntag ausgaben. Bis Ende Dezember 1939 ermordeten deutsche SS-, SD- und Wehrmachtangehörige rund 7000 polnische Juden, zum Teil wahllos. Diese Morde begleiteten die Massaker deutscher Einsatzgruppen an über 60.000 Polen, die das NS-Regime befohlen und mit Listen von Zielpersonen vorbereitet hatte. Sie sollten die polnische Oberschicht entmachten, einschüchtern und möglichst viele polnische Juden aus dem deutsch besetzten Teil Westpolens nach Ostpolen vertreiben.
Am 21. September 1939 hatten Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich und Albert Forster in Berlin als Nahziel vereinbart, binnen eines Jahres alle „Reichsjuden“ in ein überwachtes, unwirtliches „Judenreservat“ bei Lublin in Polen zu bringen und dort Zwangsarbeit leisten zu lassen. Zu diesem Zweck erstellte Adolf Eichmann, damals Leiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag“, den Nisko-Plan. Vom 18. bis 26. Oktober 1939 ließ er etwa 5000 Juden aus Wien, Kattowitz und Ostrau nach Nisko bringen und zwang sie zum Bau eines angeblichen Durchgangslagers für spätere „Umsiedlungen“. Diese Transporte sollten umfassende Deportationen aus dem „Altreich“ erproben und vorbereiten, wurden aber nach örtlichen Protesten eingestellt. Die Deportierten flohen großenteils über die Grenze nach Ostpolen oder starben an Hunger und Kälte im Lager.
Die deutsche Sicherheitspolizei im annektierten Westpolen wollte alle Juden ihres Gebiets in das neugeschaffene Generalgouvernement vertreiben. Von Dezember 1939 bis März 1940 wurden rund 175.000 Polen, darunter viele Juden, dorthin deportiert. Im März 1940 wurden diese Transporte wegen organisatorischer Probleme vorerst eingestellt, ohne die „Umsiedlungs“pläne aufzugeben. Damit hatte sich ein Muster des Umgangs mit Juden in den eroberten Gebieten etabliert: Deutsche Bezirksverwaltungen drängten auf ihre Abschiebung in Nachbargebiete, diese wurde kurzfristig organisiert und mit Bahntransporten ohne Rücksicht auf Menschenleben brutal umgesetzt. Dabei erschossen SS und Polizei bereits manche Deportierte bei der Ankunft.
Die ersten Euthanasiemorde mit Gaswagen geschahen in Polen. Ab Mai 1940 wurden jüdische Patienten deutscher Heil- und Pflegeanstalten ausgesondert und im Rahmen der Aktion T4, später der Aktion 14f13, mit Giftgas ermordet.
Die Ghettoisierung von „Reichsjuden“ war 1938 erwogen, aber nur in Form von Judenhäusern realisiert worden. Seit Kriegsbeginn begannen die deutschen Kommunen von sich aus, Juden in besonderen Wohnbereichen zu separieren oder abzuschieben. Tausende im Deutschen Reich lebende polnische Juden wurden in KZs und deren Nebenlagern interniert.
Anstelle des vorerst gescheiterten „Judenreservats“ wurde in Polen ein „Reichsghetto“ geplant. Gauleiter im Wartheland und die Stadtverwaltung von Łódź begannen im Dezember 1939 von sich aus, das Ghetto Litzmannstadt einzurichten, das bis 1944 bestand. Bis April 1940 zwangen sie 157.000 Juden, dorthin umzuziehen. Es war ummauert und polizeilich bewacht; wer zu fliehen versuchte, durfte erschossen werden. Im Herbst 1940 teilte die deutsche Stadtverwaltung in Warschau ein „Seuchensperrgebiet“ ab und machte daraus das hermetisch abgeriegelte Warschauer Ghetto (jüdischen Wohnbezirk). Dort wurden bis Mai 1941 circa 500.000 polnische Juden gefangen gehalten.
Schon im Winter 1940/41 starben tausende Ghettobewohner, vor allem Kinder und Alte, an Hunger, Kälte, unbehandelten Krankheiten und Entkräftung. Die offiziellen Lebensmittelrationen waren extrem niedrig und auf Massensterben angelegt. Hinzu kamen täglich willkürliche Morde der NS-Wachmannschaften. Bis Herbst 1942 starben dadurch um die 100.000 Juden in Warschau und um die 25.000 in Łódź. Überlebenschancen hatten fast nur die wenigen Bewohner, die noch Beziehungen nach außerhalb der Ghettogrenzen hatten und über eine gute körperliche Konstitution verfügten.
Im Frühjahr 1941 richteten die deutschen Stadt- und Bezirksverwaltungen ohne zentrale Order viele Ghettos im Generalgouvernement ein, um Wohnungen für Wehrmachtsoldaten frei zu machen und die erwartete baldige Abschiebung der polnischen Juden in eroberte sowjetische Gebiete vorzubereiten. Dabei beschränkten sich manche Beamte auf Ausgangsverbote in nicht ummauerten „jüdischen Wohnbezirken“. Ab 1942 dienten die neuen Ghettos direkt zur Vorbereitung der Transporte der Juden zu ihrer Ermordung.
Am 7. Oktober 1939, nach dem Sieg im Polenfeldzug, ernannte Hitler den Reichsführer-SS Heinrich Himmler zum „Kommissar zur Festigung des deutschen Volkstums“. Damit erhielt Himmler die Zuständigkeit für alle rassistischen „Umvolkungspläne“ in den schon oder künftig eroberten Gebieten Osteuropas. Himmler gab den Generalplan Ost in Auftrag, der ab 24. Juni 1941 erweitert wurde und die Deportation von bis zu 31 Millionen Slawen und ihr millionenfaches Massensterben vorsah. Juden blieben darin unerwähnt, da ihr „Verschwinden“ vorausgesetzt wurde.
Im Mai 1940, als sich der Sieg im Westfeldzug abzeichnete, erwogen das Auswärtige Amt und das Reichssicherheitshauptamt den Madagaskarplan: Er sah vor, die Insel Madagaskar vom besiegten Frankreich zu übernehmen und bis zu 5,8 Millionen europäische Juden dorthin abzuschieben. Himmler hoffte, den „Begriff der Juden“ durch diese „Auswanderung“ „völlig auslöschen zu sehen“. Das Assimilieren „rassisch wertvoller Elemente“ aus nichtjüdischen Minderheiten durch Kindesraub und Bildungsentzug hielt er für das „mildeste und beste“, wenn man die „bolschewistische Methode der physischen Ausrottung eines Volkes aus innerer Überzeugung als ungermanisch und unmöglich“ ablehne. Demnach wurde in Himmlers Umgebung schon an Völkermord gedacht.
Im November 1940, nach der Luftschlacht um England, wurde der Plan illusorisch. Dennoch erwähnten manche NS-Akten ihn noch bis Anfang 1942. Dokumente sprachen ab 1941 von einer „territorialen Endlösung“ „in einem noch zu bestimmenden Territorium“. Himmler und Heydrich erwogen, die Juden nach dem Krieg gegen die Sowjetunion, der damals vorbereitet wurde, in unwirtliche Regionen hinter dem Ural, die Pripjatsümpfe oder die Eismeer-Lager, abzuschieben und dort zugrunde gehen zu lassen.
Die Vorhaben spiegeln einen fehlenden Gesamtplan, Kompetenzchaos und Konkurrenz beteiligter NS-Behörden ebenso wie ihr kontinuierliches Drängen auf eine „Endlösung“. Da sie die Juden während des Krieges einerseits leichter als innere Kriegsgegner behandeln, andererseits nicht mehr einfach in unbesetzte Gebiete abschieben konnten, gewannen radikalere Lösungsideen an Boden. Laut Dieter Pohl zielten alle diese großangelegten Deportationspläne auf einen schleichenden Völkermord, weil sie schlechte Lebensbedingungen, Zwangsarbeit und Zwangssterilisierung beinhalteten: Die Deportierten sollten die letzte Generation Juden sein.
Das NS-Regime ließ möglichst wenige Beschlüsse zu NS-Verbrechen schriftlich festhalten, behandelte sie als Geheime Reichssache und ließ viele Akten vernichten, da den Entscheidungsträgern Ausmaß und Tragweite dieser Verbrechen klar waren. Schriftdokumente dienten oft nachträglicher Legitimation, setzten also informelle Entscheidungen voraus und können von weitergehenden mündlichen Anweisungen begleitet gewesen sein.
Hitlers Reden waren zwar bewusst allgemein, mehrdeutig und verschleiernd, wirkten aber als Richtlinien für zahlreiche Maßnahmen der mit Juden befassten NS-Behörden, die dem „Führerwillen“ entgegenkamen und die Hitler dann wiederum absegnete. Am 30. Januar 1939 drohte er im Reichstag die „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ im Falle eines neuen Weltkriegs an. Ob dies als Folge von Abschiebungen oder direkte Mordabsicht zu verstehen war, ließ er offen; ein Vernichtungsplan existierte noch nicht. Auf diese Rede kam er während des Holocaust oft zurück, je viermal allein 1941 und 1942, und deutete seinen Vollzug an: „Die Juden haben einst auch in Deutschland über meine Prophezeiungen gelacht. […] Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr …“
Ein schriftlicher Holocaustbefehl Hitlers wurde nicht gefunden und hat wahrscheinlich nicht existiert. Mehrere schriftliche und mündliche Befehle Hitlers für einzelne Vernichtungsschritte sind jedoch belegt. Er hatte im Oktober 1939 die Aktion T 4 befohlen und den schriftlichen Erlass auf den 1. September 1939, den Beginn des Polenfeldzugs, zurückdatiert. Er verstand das Ausmerzen „unwerten Lebens“ zur „Reinerhaltung arischen Blutes“ also als Teil seines Krieges. Der Erlass legitimierte die geheim vorbereiteten Krankenmorde, um ein öffentliches Euthanasiegesetz zu vermeiden und bei beteiligten Ärzten Ängste vor strafrechtlichen Folgen auszuräumen. Nachdem trotz der Geheimhaltung kirchliche Proteste laut geworden waren, ließ Hitler die Aktion T 4 am 24. August 1941 einstellen, aber die Krankenmorde in den besetzten Gebieten Osteuropas fortsetzen. Das zeigte laut Karl Schleunes sein Kalkül, die innenpolitische Zustimmung zu seiner Politik nicht zu gefährden, um so die rassistische Vernichtung ungehindert durchzuführen. Diese Haltung habe auch sein Vorgehen beim Holocaust bestimmt.
Ab Februar 1941 plante das NS-Regime mit SS und Wehrmachtgenerälen den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Massentötungen wurden bei verschiedenen Treffen besprochen. Am 3. März gab Hitler dem OKW Richtlinien, mit SS und Polizei zusammenzuarbeiten, um die „jüdisch-bolschewistische“ Intelligenz zu beseitigen. Wie in Polen 1939 sollten zuerst die Eliten in Staat, Partei und Armee dezimiert werden. Der von Hitler angeordnete Kriegsgerichtsbarkeitserlass des OKW vom 13. Mai 1941 erlaubte den Wehrmachtsoldaten, des Widerstands verdächtige Zivilisten sofort zu erschießen, ohne militärstrafrechtliche Folgen befürchten zu müssen. Hitlers Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941 befahl, kriegsgefangene politische Offiziere der Roten Armee sofort auszusondern und zu erschießen. Hinzu kam das Hungerkalkül, die deutschen Truppen vor Ort zu ernähren und dafür Millionen sowjetische Zivilisten dem Verhungern auszuliefern. Diese Befehle und Pläne betrafen Juden besonders, da sie mit Unruhestiftern und „Bolschewisten“ identifiziert wurden und vorrangig in Städten lebten.
Im Mai 1941 ließ Heydrich auf Befehl Hitlers vier mobile „Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD“ (A bis D) aufstellen und in wenigen Wochen ausbilden. Ab Juli kamen mehrere Einsatzgruppen „zur besonderen Verwendung“ (z.b.V.) hinzu. Ihr offizieller Auftrag war die Partisanenbekämpfung hinter den vorrückenden Heeresgruppen der Wehrmacht durch „Repressalien“, also Massakern als Vergeltung für angebliche oder wirkliche Anschläge auf deutsche Soldaten. Das Oberkommando des Heeres erlaubte ihnen mit einem Abkommen eigenständiges Vorgehen und sagte ihnen zugleich enge Zusammenarbeit zu. Hinzu kamen einige Bataillone der Ordnungspolizei und zwei Brigaden der Waffen-SS unter dem „Kommandostab Reichsführer-SS“ ohne besondere Aufgabenstellung. Die Himmler direkt unterstellten drei Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Erich von dem Bach-Zelewski, Friedrich Jeckeln und Hans-Adolf Prützmann lenkten und koordinierten die Mordeinsätze all dieser Gruppen.
Himmler hatte die HSSPF am 21. Mai schriftlich einem „Sonderauftrag des Führers“ unterstellt, seine „Sonderbefehle“ in den künftig besetzten Gebieten durchzuführen. Am 17. Juni wies Heydrich sie in Berlin mündlich an, eine „Selbstreinigung“ – Pogrome – gegen Juden und Kommunisten in den bald besetzten Gebieten auszulösen. In seinen Einsatzbefehlen vom 29. Juni 1941 erinnerte er sie daran. Am 2. Juli listete er ihnen die Personengruppen auf, die sie auftragsgemäß ermorden sollten. Dabei ergänzte er explizit „Juden in Partei- und Staatsstellungen“ und erlaubte den Tätern mit bewusst vagen Begriffen, die Opfergruppen auszuweiten. Weitere Befehle aus dem RSHA verlangten von der Wehrmacht, alle jüdischen Kriegsgefangenen der SS auszuliefern. Demnach lag den Adressaten kein allgemeiner Judenmord-Befehl aus der Reichskanzlei vor.
Am 16. Juli 1941 übertrug Hitler Himmler auf dessen Drängen die Führung über SS, Polizei und SD auch im Osten. Himmler verstärkte die Einsatzgruppen bis zum Jahresende von 3000 auf 33.000 Mann, wobei er hilfswillige Einwohner der besetzten Gebiete einbezog. Am 31. Juli erteilte Hermann Göring Heydrich den Auftrag, einen „Gesamtentwurf“ für eine „Gesamtlösung der Judenfrage“ zu erstellen. Der Text wurde im Reichssicherheitshauptamt verfasst und Göring nur zur Unterschrift vorgelegt, sollte also schon laufende Pläne autorisieren. Hitler befahl den Einsatzgruppenleitern per Funk am 1. August, ihm laufend über ihre Ergebnisse zu berichten.
Nach übereinstimmenden späteren Aussagen beteiligter Kommandeure befahl Jeckeln ihnen im August, die Exekutionen auf Frauen und Kinder zu erweitern, „um keine Rächer entstehen zu lassen.“ Am 15. August listete ein Einsatzgruppenbericht erstmals „Juden, Jüdinnen und Judenkinder“ als Mordopfer auf. Ende August berichtete Einsatzgruppe D, ihr Operationsgebiet sei nunmehr „judenfrei“. Parallel dazu sollten nun alle Juden der eroberten Gebiete in Ghettos gebracht und registriert werden; die registrierten Juden wurden alle bald darauf erschossen. Einsatzkommandoleiter Otto Bradfisch zufolge antwortete Himmler auf seine Nachfrage in Gegenwart aller Schützen bei einer Massenerschießung in Minsk: Es gebe einen „Führerbefehl über die Erschießung aller Juden“, der Gesetzeskraft habe. Laut Friedrich Jeckeln beauftragte Himmler ihn vor dem „Rigaer Blutsonntag“ (30. November 1941), Hinrich Lohse mitzuteilen: „…es ist mein Befehl, was auch des Führers Wunsch ist.“ Diese Nachkriegsaussagen werden auf den ab August verallgemeinerten Kommissarbefehl bezogen.
Ende August war der deutsche Vormarsch ins Stocken geraten. Hitler erlaubte Goebbels, dem Gauleiter Berlins, am 17. September 1941 entgegen seiner bisherigen Absicht, die deutschen Juden schon während des Krieges nach Osten zu deportieren. Am 2. Oktober schlug Himmler ihm vor, sie in die Ghettos von Riga, Reval und Minsk zu „verlagern“. Heydrich bekräftigte am 10. Oktober im RSHA Hitlers Ziel, das Deutsche Reich bis zum Jahresende „judenfrei“ zu machen, und nannte neben Ghettos auch neugebaute KZs als Zielorte. Im Oktober 1941 erging ein deutschlandweites Ausreiseverbot für Juden. Viktor Brack bot am 25. Oktober an, arbeitsunfähige Juden aus den Ghettos im Osten mit seinen Euthanasie-Apparaten zu vergasen. Am 1. November begann die SS, das Vernichtungslager Belzec zu bauen, das zur Leerung überfüllter Ghettos dienen sollte.
In diesen Wochen häuften und steigerten sich Hitlers interne hasserfüllte Aussagen über Juden, die er als „Weltfeind“ hinter allen gegen Deutschland kriegführenden Mächten sah. Die „Ausschaltung“ der Juden sei Bedingung für jeden positiven Wandel in den besetzten oder verbündeten Ländern, da sie sonst durch Rassenmischung destruktiv wirkten. Am 21. Oktober erklärte er: „Wenn wir diese Pest ausrotten, so vollbringen wir eine Tat für die Menschheit, von deren Bedeutung sich unsere Männer draußen noch gar keine Vorstellung machen können.“ Am 25. Oktober erinnerte er die NS-Spitzen an seine „Prophezeiung“ vom 30. Januar 1939: „Es ist gut, wenn uns der Schrecken vorangeht, dass wir die Juden ausrotten.“
Am 12. Dezember 1941, einen Tag nach seiner Kriegserklärung an die USA, erklärte Hitler den in der Reichskanzlei versammelten Gauleitern: Da der Weltkrieg nun eingetreten sei, müsse die Judenvernichtung „die notwendige Folge“ sein. Heydrich hatte die wichtigsten Ministerialbeamten mit Berufung auf Görings Auftrag zur Wannseekonferenz am 11. Dezember eingeladen, die wegen Hitlers Kriegserklärung auf den 20. Januar 1942 verschoben wurde. Dort besprachen sie die weitere Organisation des laufenden Holocaust. Laut dem einzigen erhaltenen Konferenzprotokoll waren 11 Millionen Juden Europas zur Deportation vorgesehen. Alle wichtigen NS-Machtbereiche sollten daran mitwirken, alle Teilnehmer stimmten der Durchführung zu. Heydrichs „Judenreferent“ Adolf Eichmann, Organisator und Protokollant der Konferenz, bestätigte 1961 in Aussagen während seiner Haft in Israel, Heydrich habe ihm einige Tage vor der Konferenz persönlich und wörtlich mitgeteilt: „Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen.“ Im Eichmann-Prozess bestätigte er ferner, was die Tarnsprache des Protokolls meinte: „Es wurde von Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen.“
Himmler berief sich in Tagebucheinträgen und in seinen Posener Reden vor NS-Tätern vom Oktober 1943 öfter auf Hitlers persönlichen Auftrag zur „Ausrottung“ der Juden. Laut Himmlers Leibarzt Felix Kersten soll er diesen Auftrag im Frühjahr 1941 erhalten haben.
Wegen des Verlaufs und der erhaltenen Dokumente gehen Historiker davon aus, dass Hitler und die NS-Spitzenvertreter den Holocaust nicht an einem einzigen Datum, sondern über längere Zeit beschlossen, planten und anordneten. Einige glauben, dass die Absicht der NS-Spitzen, alle sowjetischen Juden zu vernichten, im Frühjahr 1941 schon feststand und die Einsatzgruppen dann schrittweise an diese Aufgabe herangeführt wurden. Die meisten nehmen an, dass erst nach Beginn dieser systematischen Morde beschlossen wurde, auch die europäischen Juden zu deportieren und zu ermorden. Kernfrage ist, ob dieser Beschluss auf die deutschen Siege im Juli oder die Misserfolge Ende August folgte. Viele halten die Monate September und Oktober 1941 für den wahrscheinlichsten Entscheidungszeitraum. Einige sehen Hitlers Rede am 12. Dezember 1941 als Grundsatzentscheidung zum Holocaust an. Andere glauben, dass es keinen ausdrücklichen Befehl Hitlers zur „Endlösung“ gab und die NS-Tätergruppen vor Ort im engen Zusammenspiel mit den Zentralbehörden die Opfergruppen ausweiteten.
Die Einsatzgruppen erschossen am 24. Juni 1941, zwei Tage nach dem Überfall auf die Sowjetunion, in Garsden erstmals die erwachsenen männlichen Juden einer Ortschaft. In den ersten sechs Wochen folgten Massenmorde an hunderten bis tausenden Personen bei jedem Einsatz.
Ab Juli verübten auch faschistische Freischärler in Nordostpolen, der Westukraine, Litauen und Weißrussland in enger Kooperation mit deutschen Einsatzgruppen und Wehrmacht pogromartige Massenmorde an jüdischen Männern, die sie als Rache für vorherige, angeblich von Juden gesteuerte Massenmorde des NKWD rechtfertigten. Solche Milizen wie das Kommando Arājs waren aus nationalistischen und paramilitärischen Bewegungen wie der litauischen Gruppe „Eiserner Wolf“ (Geležinis vilkas) und dem lettischen „Donnerkreuz“ (Pērkonkrusts) hervorgegangen; auch in der Ukraine gab es mehrere solche Gruppen wie die OUN. Seit Frühjahr 1941 hatten das Reichssicherheitshauptamt und deutsche Militärgeheimdienste Kontakte zu ihnen aufgebaut und geplant, sie nach dem Überfall als Auslöser von Pogromen gegen „jüdische Bolschewisten“ zu benutzen. Dieser Mordwelle fielen um die 40.000 sowjetische Juden zum Opfer.
Am 15. Juli wurden in Mitau erstmals alle Juden einer Ortschaft ermordet. Ab 15. August erschoss besonders das Einsatzkommando 3 in Litauen und Lettland fast täglich auch jüdische Frauen, Kinder und Greise auf Sammelplätzen eroberter sowjetischer Orte; in Kaunas, Ponar bei Wilna, die ein Judenghetto hatten, auch mehrmals. In Estland konnten etwa 1.000 Juden fliehen; 950 wurden ermordet.
Beim Massaker von Kamenez-Podolsk am 29./30. August 1941 wurden nach einer Absprache zwischen Jeckeln und Wehrmacht erstmals alle Juden einer größeren Stadt ermordet. Unter den 23.000 Opfern waren 14.000 aus Ungarn deportierte Juden. Ab 15. September begannen die Einsatzgruppen C und D sowie die Polizeibataillone, alle Juden größerer Städte der Ukraine zu ermorden: zuerst in Shitomir, dann in der Schlucht von Babyn Jar bei Kiew. Ab Oktober ermordeten Einsatzgruppen und Bataillone in der Westukraine alle Juden, die sie bei der ersten Mordwelle übrig gelassen hatten. Auch in Weißrussland ermordeten Schutzstaffel, Polizei und die 707. Infanterie-Division ab Oktober die Juden in größeren Städten wie Witebsk, Polozk, Borissow und in ländlichen Gegenden. In weiter östlichen Gebieten Russlands konnten viele Juden rechtzeitig fliehen; die Verbliebenen wurden ebenfalls ermordet, so in Smolensk, Rostow und Kalinin. Am 30. November und 7./8. Dezember ließ der neue Höhere SS- und Polizeiführer Friedrich Jeckeln in Riga mit allen verfügbaren Polizeibataillonen den Großteil der lettischen Juden ermorden, um das dortige Ghetto für nachrückende Judentransporte aus dem Deutschen Reich zu leeren.
In Kaunas trafen vom 25. bis 29. November 1941 die ersten Transporte von deportierten Berliner Juden ein. Einsatzkommandos erschossen sie sofort nach ihrer Ankunft; so auch am 30. November in Riga. Damit begann faktisch die „Endlösung“ für deutsche Juden. Zwar verbot Himmler die Erschießungen von Berliner Juden am 30. November und rügte Friedrich Jeckeln für die Missachtung seiner „Richtlinien“. Doch man nimmt an, dass er die Ermordung reichsdeutscher Juden nur noch etwas aufschieben wollte, um das Durchsickern der Nachrichten davon im Reich zu verhindern. Im Februar 1942 wurden erneut deutsche Juden nach Lublin deportiert und in Riga erschossen.
Während die meisten Juden im Generalgouvernement bereits in Vernichtungslagern ermordet wurden, wurden die Massenerschießungen in früher sowjetisch-, nun deutsch besetzten Gebieten fortgesetzt. In Wäldern bei Großstädten richtete die Ordnungspolizei abgeriegelte Exekutionsorte ein: Ponar bei Wilna, der Wald von Rumbula, der Wald von Biķernieki bei Riga, das Vernichtungslager Bronnaja Gora bei Brest und weitere. Die dorthin transportierten Opfer mussten sich entkleiden und wurden gruppenweise an Rändern ausgehobener Gruben erschossen, in die sie dann hineinfielen. Das Reserve-Polizei-Bataillon 101 war an der Exekution von 38.000 Juden und der Deportation von 45.000 Juden in Vernichtungslager beteiligt. Darunter war auch das Massaker von Józefów am 13. Juli 1942. Auch in Serbien, Kroatien und Rumänien wurden dort lebende Juden seit September 1941 massenhaft erschossen.
Die folgende, unvollständige Tabelle umfasst nur größere und exemplarische kleinere Massenerschießungen. Abkürzungen für Einsatzgruppe = EG, Einsatzkommando = EK, Litauische Aktivistenfront = LAF, Organisation Ukrainischer Nationalisten = OUN, Polizeibataillon = PB, Sonderkommando = SK, Sicherheits- und Ordnungspolizei = OP.
Ort |
Datum |
Tätereinheit |
Opfer |
Białystok |
27. Juni 1941 |
PB 309 |
2.000 Männer und Frauen |
Lemberg |
30. Juni bis 2. Juli 1941 |
OUN |
4.000 Männer |
Dünaburg |
1./2. Juli 1941 |
EK 1a |
1.150 Männer |
Riga |
Anfang Juli 1941 |
EG A, litauische Hilfspolizei |
400 |
Solotschiw |
Anfang Juli 1941 |
SK 4b, OUN, SS-Wikinger |
2.000 |
Ternopol |
7. Juli 1941 |
SK 4b, OUN |
800 |
Luzk |
2. Juli 1941 |
SK 4a |
1.160 Männer |
Lemberg |
2.–6. Juli 1941 |
EK 5, 6, z.b.V. |
2.500 Männer |
Kaunas |
4.–6. Juli 1941 |
EK 3 |
2.977 Männer |
Brest |
6. Juli 1941 |
PB 307 |
4.000 Männer |
Białystok |
8. Juli 1941 |
PB 316, 322 |
3.000 Männer |
Mitau |
15. Juli 1941 |
EK 2 |
1.550 |
Kaunas |
25.–28. Juli 1941 |
LAF |
3.800 |
Lemberg |
29.–31. Juli 1941 |
OUN |
2.000 |
Pinsk |
7./8. August 1941 |
SS-Kavalleriebrigade |
9.000 |
Kamenez-Podolsk |
27.–29. August 1941 |
PB 320, SS |
26.500 |
Shitomir |
19. September 1941 |
EG C, D |
3.145 |
Kiew, Babyn Jar |
29./30. September 1941 |
SK 4a, PB 45, 314 |
33.771 |
Weißrussland |
ab Oktober 1941 |
707. Infanterie-Division |
19.000 |
Dnjepropetrowsk |
13./14. Oktober 1941 |
PB 314 |
11.000 |
Rowno |
5./6. November |
EK 5, PB 320 |
15.000 |
Riga |
30. November, 7./8. Dezember 1941 |
alle PB, Kommando Arājs |
26.000 |
Simferopol |
13.–15. Dezember 1941 |
EG D, Wehrmacht |
12.000 |
Charkow |
ab 1. Januar 1942 |
PB 314 |
12.000 |
Minsk |
28.–30. Juli 1942 |
OP |
10.000 |
Luzk |
19.–23. August 1942 |
OP |
14.700 |
Wladimir Wolynsk |
1.–3. September 1942 |
OP |
13.500 |
Brest |
15./16. Oktober 1942 |
OP, PB 310 |
19.000 |
Pinsk |
28. Oktober 1942 |
PB 306, 310 |
18.000 |
Am 31. Dezember 1941 meldete Himmler an Hitler 363.000 von August bis November als „Partisanen“ ermordete Juden. Bis zum Jahresende ermordeten die Tätereinheiten mindestens 500.000 von etwa 2,5 Millionen sowjetischen Juden, die in den von Deutschen besetzten Gebieten lebten. Bis zur Wannseekonferenz am 20. Januar waren etwa 900.000 Juden ermordet worden. Die Einsatzgruppen und Polizeibataillone erschossen insgesamt mindestens 2,2 Millionen Menschen, meist Juden, also etwa ein Drittel der Holocaustopfer.
Bei der Planung des Vernichtungskrieges im Frühjahr 1941 hatte Hitler Hans Frank zugesagt, das Generalgouvernement dürfe als erstes „judenrein“ werden, also die dort lebenden Juden in die eroberten sowjetischen Gebiete abschieben. Als sich abzeichnete, dass der Kriegsverlauf diese Abschiebung vereiteln würde, forderten die Gauleiter im besetzten Polen Massenmorde an Juden aus Ghettos im von Deutschland besetzten Polen. Dort breiteten sich infolge der gewollten Überfüllung und völligen Abriegelung Seuchen aus. Angebliche Arbeitsunfähigkeit, Ansteckungsgefahren und Belastungen der Deutschen und der Wehrmacht durch „unnütze Esser“ waren einige der Vorwände, um „radikale Lösungen“ für die Ghettobewohner zu fordern.
Massenerschießungen galten bald als „ineffizient“. Gemeint war nicht nur ein für die Mörder zu geringes Mordtempo, sondern auch die Probleme der Täter mit der Mordarbeit, die ihnen zu aufwändig, nervenbelastend und vor allem zu auffällig wurde. Anonymisierte Tötungsmethoden sollten die psychische Hemmschwelle der Täter senken oder beseitigen.
Der Gauleiter Arthur Greiser erreichte in Absprache mit Viktor Brack im Oktober 1941, dass im Wartheland die bei der Aktion T4 bewährte Mordmethode der Vergasung mit Kohlenstoffmonoxid angewandt werden durfte. Dazu errichtete ein Sonderkommando der SS, dessen Mitglieder an den Krankenmorden 1939/40 beteiligt waren, in wenigen Wochen das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno). Am 8. Dezember wurden dort die ersten Juden aus Prag vergast.
Zur geplanten Leerung der deutschen Großghettos im besetzten Polen durch Ermordung ihrer Bewohner wurden von November 1941 bis Juli 1942 die Vernichtungslager Belzec, Sobibór und Treblinka gebaut. Die dortigen Ärzte, Verwaltungs- und Transportspezialisten stammten überwiegend aus der Aktion T4 und stiegen zum Teil in der SS-Hierarchie auf. Am 16. März 1942 begannen SS und Polizei in Absprache mit der Militärverwaltung, zunächst die Ghettos von Lemberg und Lublin, ab Mai die im Distrikt Krakau zu leeren und die Bewohner nach Belzec zu transportieren. Judenräte zwang man zur Auswahl der Opfer, die sofort nach Ankunft ermordet wurden. Ab Mai 1942 wurden als „arbeitsunfähig“ eingestufte Juden der näheren Umgebung in Sobibór ermordet. Ende Mai war bei allen Zivilverwaltungsstellen in Polen Konsens, sämtliche „arbeitsunfähigen“ Juden zu ermorden, so dass sie diese in drei Kategorien einstuften (kriegsfähig – arbeitsfähig – arbeitsunfähig) und auch in kleineren Orten überall Ghettos für sie einrichteten. Diese Vorbereitungen wurden in Lublin zentral organisiert; das gesamte Mordvorhaben wurde nach dem kurz zuvor ermordeten Reinhard Heydrich Aktion Reinhard genannt. Als Mordmethode wurden meist Motorabgase benutzt. Fast alle Ankömmlinge wurden ungeachtet ihrer Arbeitsfähigkeit umgebracht und nur ausnahmsweise verschont, um in ein internes Häftlingskommando eingegliedert zu werden.
Weitere Vernichtungslager waren das KZ Majdanek und Maly Trostinez bei Minsk in Weißrussland.
Ab August 1942 wurden auf Befehl der Militärverwaltungen, die Nahrungsmittelkontingente einsparen wollten, noch bestehende Ghettos in Weißrussland und der Ukraine „geräumt“: Das bedeutete vollständige Ermordung ihrer Bewohner, besonders in Wolhynien, Luzk, Wladimir Wolynsk, Brest-Litowsk und Pinsk. Dabei wurden in Maly Trostinez auch Gaswagen eingesetzt. An vielen dieser Massaker waren Wehrmachteinheiten, drei Polizeibataillone, die stationäre Schutzpolizei, die Gendarmerie und ausländische Helfer direkt beteiligt.
Zur Tarnung der geplanten Ermordung diente für einen Kreis privilegierter Juden das Ghetto Theresienstadt genannte Konzentrationslager bei Prag. 1941 wurde es als Durchgangslager zum späteren Abtransport in die Vernichtungslager eingerichtet. Juden aus Deutschland konnten sich sogar unter Vorspiegelung einer Versorgung dort „einkaufen“. In Terezín lebten mehr als 140.000 Juden auf engstem Raum unter Beteiligung einer minimalen „jüdischen Selbstverwaltung“. Einer Delegation des Roten Kreuzes wurde dieses KZ im Juli 1944 als Ort eines relativ „normalen Lebens“ der Häftlinge vorgetäuscht.
Hauptziel der Transporte aus allen Teilen Europas wurde 1942 das größte Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau II. Am 26. September 1941 hatte Himmler Rudolf Höß zum Ausbau des seit 1940 bestehenden Zwangsarbeitslagers beauftragt. Dort gehörten einzelne Morde durch Wachpersonal zum Alltag. So ließ Karl Fritzsch zwischen 31. August und 5. September 1941 auf eigene Initiative zur Erprobung des giftgashaltigen Produkts Zyklon B erstmals 850 sowjetische Kriegsgefangene und kranke Häftlinge ermorden. Für das Zusatzlager waren sechs große Krematorien vorgesehen. Ob sie schon bei Baubeginn für Morde gedacht waren, ist ungewiss. Ende Juni 1942 begannen die Selektionen von arbeitsfähigen und sofort zu ermordenden Juden an der Rampe, wo die Züge eintrafen. Ab Juli 1942 waren zwei Gaskammern („Bunker“) fertiggestellt, wo bis Februar 1943 die Morde stattfanden. Im März 1943 waren die Krematorien mit jeweils einer Gaskammer fertiggestellt und dienten dann zur täglichen Ermordung und sofortigen Verbrennung von tausenden Ankömmlingen.
Aus dem ganzen von deutschen Truppen besetzten Europa wurden bis Kriegsende Menschenmassen in die Vernichtungslager deportiert. Soweit sie nicht schon beim Zugtransport, meist in ungeheizten Viehwaggons, umgekommen waren, wurden sie nach ihrer Ankunft zum Teil in Arbeitsfähige und Nicht-Arbeitsfähige selektiert. Kinder und ihre Mütter, Alte und Kranke, wurden gleich nach der Selektion in Gaskammern geführt, die meist als Duschräume getarnt waren. In Auschwitz wurden sie mit Zyklon B „vergast“. Damit wurden fast alle in Transporten ankommenden Menschen sofort ermordet. Das Gas verursachte einen qualvollen, bis zu 20 Minuten dauernden Erstickungstod. Die Leichen wurden anschließend in Krematorien verbrannt. Körperliche Überreste – Haare und Goldzähne – und Privatgüter der Opfer – Kleidung, Schuhe, Brillen, Koffer usw. – wurden von der SS industriell verwertet.
Hinzu kamen Menschenversuche zu militärischen, medizinischen und anderen Zwecken in den Lagern. Die Opfer wurden zum Beispiel in Druckkammern extrem hohem oder niedrigem Luftdruck ausgesetzt, in Eiswasser unterkühlt, mit Bakterien infiziert, für chirurgische Versuche und vieles mehr missbraucht. Die Täter, etwa der SS-Arzt Josef Mengele, nahmen den Tod oder lebenslange Gesundheitsschäden der Versuchspersonen bewusst und ohne jede Skrupel in Kauf. An vielen deutschen und schweizerischen Forschungseinrichtungen fanden sich noch bis vor kurzem menschliche Körperteile, die einst von den Nationalsozialisten zu „Untersuchungszwecken“ angefordert und geliefert worden waren.
Eine exemplarische Beschreibung für Auschwitz-Birkenau gibt Raul Hilberg: Nach der Entladung der Deportations-Züge erfolgte die Selektion: Alte, Kranke und gelegentlich auch kleine Kinder wurden bereits auf der Rampe aussortiert. Im Stammlager Auschwitz brachte man die Alten und Kranken auf Lastwagen zu den Gaskammern, kräftige Personen kamen zunächst zum Arbeitseinsatz. Die Selektion verlief dabei oberflächlich, die Angekommenen wurden an dem Arzt vorbeigetrieben, der in eine von zwei Richtungen wies: entweder zum Arbeitseinsatz oder sofort in die Gaskammer. Auch in den Lagern selbst und vor allem in den dortigen Krankenhäusern kam es zu regelmäßigen Selektionen. Die der Gaskammer zugeteilten Männer und Frauen mussten sich entkleiden, wobei der Eindruck erweckt wurde, dass die Kleider nach dem angekündigten gemeinsamen Duschen zurückgegeben würden. Zur Beschleunigung des Ablaufes behauptete die Wachmannschaft beispielsweise, man solle sich beeilen, da sonst das Wasser in den Duschen oder die Suppe nach dem Duschen kalt würde. Es kam gelegentlich auch im Winter vor, dass die entkleideten Menschen stundenlang barfuß im Freien stehen mussten, bis sie an die Reihe kamen, wobei sie in manchen Fällen die Schreie derer hörten, die vor ihnen in die Gaskammern gegangen waren. Die Opfer entdeckten in den Gaskammern, dass die vermeintlichen Duschen nicht funktionierten. Nach dem Schließen der Türen löschte die Wachmannschaft die Beleuchtung, ein SS-Mann mit spezieller Gasmaske öffnete den Deckel des Schachtes an der Decke und schüttete Zyklon B in die Gaskammer. In Panik stießen die stärkeren die schwächeren Menschen nieder und stellten sich auf die Liegenden und Umfallenden, um gasfreie Luftschichten zu erreichen. Der Todeskampf dauerte bei Zyklon B in der Regel etwa zwei Minuten. Das Schreien hörte auf und die Sterbenden fielen übereinander, sofern genügend Platz war. Innerhalb von fünfzehn Minuten waren alle in der Gaskammer tot. Man ließ das Gas entweichen und nach etwa einer halben Stunde wurde die Türe geöffnet. Die Leichen fanden sich turmartig angehäuft, manche in sitzender und halbsitzender Position, Kinder und ältere Menschen zuunterst. An der Stelle, wo das Gas eingeworfen worden war, befand sich ein freier Raum, da die Menschen von dort zurückgewichen waren. Eine Häufung von Menschen befand sich gepresst an der Eingangstüre, die sie zu öffnen versucht hatten. Die Haut der Leichen war rosafarben, teilweise stand Schaum vor den Lippen oder es hatte Nasenbluten eingesetzt. Einige Leichen waren mit Kot und Urin bedeckt, bei manchen schwangeren Frauen hatte die Geburt eingesetzt. Jüdische Sonderkommandos mit Gasmasken beseitigten zunächst die Leichen an der Tür, um sich den Weg freizumachen. Dann spritzten sie die Leichen ab und zerrten die Leichen auseinander. Sofern den Frauen das Haar noch nicht geschoren worden war, wurde es jetzt geschnitten und vor dem Einpacken in Salmiaklösung gewaschen. In allen Lagern wurden die Körperhöhlen nach versteckten Wertsachen durchsucht, die Goldzähne gezogen. Abschließend wurden die Leichen zu den Krematorien abtransportiert.
Über drei Millionen Menschen wurden durch Giftgas getötet; ein Drittel von ihnen durch Zyklon B, die meisten durch Motorabgase.
Lager |
Baubeginn |
Mordbeginn |
Ende der Massentötungen |
Ermordete |
Auschwitz-Birkenau II |
Oktober 1941 |
März 1942 |
November 1944 |
900.000–1.100.000 |
Kulmhof |
Oktober 1941 |
Dezember 1941 |
Juli 1944 |
mehr als 150.000 |
Belzec |
November 1941 |
März 1942 |
Dezember 1942 |
435.000 |
Sobibór |
Februar 1942 |
April 1942 |
Oktober 1943 |
150.000-250.000 |
Treblinka |
Juni 1942 |
Juli 1942 |
August 1943 |
mehr als 900.000 |
Majdanek |
Oktober 1941 |
Februar 1943 |
Juli 1944 |
mind. 78.000 |
Maly Trostinez |
November 1941 |
Mai 1942 |
Juni 1944 |
60.000 |
Datum |
Land, Stadt |
Ziel |
16. Oktober 1941 |
Böhmen und Mähren |
Ghetto Łódź |
24. November 1941 |
Prag |
Theresienstadt |
25. November 1941 |
Berlin |
Kaunas, Riga |
16. März 1942 |
Lublin |
Belzec |
30. Juni 1942 |
Wien |
Sobibór |
17. Juli 1942 |
Frankreich, Benelux |
Auschwitz |
22. Juli 1942 |
Warschau |
Auschwitz |
4. März 1943 |
Thrakien, Mazedonien, Pirot |
Treblinka |
15. März 1943 |
Griechenland |
Auschwitz |
2. Oktober 1943 |
Dänemark |
Theresienstadt |
17. Oktober 1943 |
Italien |
Auschwitz |
15. Mai 1944 |
Ungarn |
Auschwitz |
Ebenfalls im Juli 1942 begannen die Deportationen von etwa 25.000 Juden aus Belgien und etwa 107.000 Juden aus den Niederlanden.
Von den 140.000 niederländischen Juden wurden über 110.000 deportiert. Über 100.000 wurden umgebracht; etwa 6.000 überlebten. Die Niederlande haben die mit Abstand höchste Deportationsquote in ganz Westeuropa. Zum Vergleich: die Verschleppungsquote lag in Belgien und Norwegen bei 40%, in Frankreich bei 25%, in Italien bei 20% und in Dänemark bei 2%. Die Verfolgung der Juden begann 1940 nach deutschem Vorbild mit der Entlassung der Juden aus dem öffentlichen Dienst, führte über die Registrierung sämtlicher Juden 1941 zur gesellschaftlichen Ächtung und zum Verbot, öffentliche Einrichtungen zu betreten. Im Sommer 1942 schließlich begannen die Deportationen, bereits 1943 galten die Niederlande praktisch als „judenrein“. Über das polizeiliche Durchgangslager Westerbork nahe der deutschen Grenze rollten die Züge in die Vernichtungslager. Der in den Niederlanden geborene Historiker Rémy Limpach veröffentlichte 2007 eine Arbeit zu der Frage, wie die Niederlande, ein für liberale und tolerante Traditionen bekanntes Land, eine derart hohe Deportationsquote erreichen konnten.
In Bulgarien führte die Regierung im Juli 1942 Rassengesetze ein und gab bulgarische Juden auf deutschem Gebiet zur Deportation frei. Im März und April 1943 nahm sie circa 11.300 im von ihr besetzten Mazedonien und Westthrakien aufgefundene bulgarische Juden gefangen, um sie den Deutschen auszuliefern. Die übrigen inländischen bulgarischen Juden blieben jedoch verschont.
Am 17. September 1941 entschied Hitler, die bis dahin für die Nachkriegszeit vorgesehene Deportation aller reichsdeutschen und europäischen Juden aus von Deutschland besetzten Gebieten nach Osteuropa noch während des Krieges zu beginnen. Nun fuhren die ersten Transportzüge aus Berlin, München, Wien, Prag nach Łódź, um zunächst 19.000 Juden in das ohnehin völlig überfüllte dortige Ghetto zu sperren. Dafür wurden ab Januar 1942 nichtdeutsche Ghettobewohner nach Kulmhof zur Vergasung gebracht. Ab März mussten auch Juden im Alter von über 65 Jahren, die bis dahin verschont worden waren, die Deportationszüge besteigen. Die Presse durfte nichts mehr darüber berichten. Im Mai wurden größere Gruppen auch deutscher Juden in Minsk und Kulmhof ermordet. Ab Juni sind erste direkte Transporte aus dem Reich in Vernichtungslager wie Sobibór und Belzec nachgewiesen.
Am 27. März 1942 wurden erstmals auch französische Juden deportiert: ein Zug transportierte 1112 Menschen von Compiègne ins KZ Auschwitz. Im Mai besuchte Heydrich Paris, um ein großes Deportationsprogramm mit dem Vichy-Regime zu besprechen. Dazu gehörte die Einführung des Judensterns. Am 16. und 17. Juli nahm die Polizei in Paris bei einer Razzia etwa 13.000 Juden ohne gültige Pässe fest. Sie wurden mit regelmäßigen Zügen vom Sammellager Drancy ins KZ Auschwitz gebracht und dort meist sofort ermordet. Auch aus der unbesetzten Zone Frankreichs wurden ab 17. August 1942 eingewanderte Juden mitsamt ihren Kindern, die eigentlich als französische Staatsbürger rechtlichen Schutz genossen, in ein osteuropäisches Vernichtungslager deportiert. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in den bislang unbesetzten Teil Frankreichs am 11. November 1942 ("Unternehmen Anton") wurden diese Transporte von Gefolgsleuten Eichmanns organisiert. Französische und italienische Behörden in der bis September 1943 italienisch besetzten Zone um Nizza verweigerten oft die Auslieferung; mehr als die Hälfte aller französischen Juden entging dem Abtransport. Etwa 75.000 von ihnen wurden deportiert, etwa 3000 davon überlebten.
Nach dem Sturz Benito Mussolinis und dem Waffenstillstand von Cassibile besetzten Truppen der Wehrmacht große Teile Italiens (Fall Achse). Etwa 9000 in Italien lebende Juden wurden von Oktober 1943 bis Dezember 1944 großenteils nach Auschwitz deportiert. Eine der bekanntesten Deportationen von über 1000 jüdischen Italienern begann in Rom am 16. Oktober unter dem Kommando von Theodor Dannecker. Zudem wurden viele Juden Norditaliens und der Adriaküste bis Kriegsende von Einsatzgruppen, die aus Polen dorthin verlegt worden waren, aufgespürt und ermordet.
In Griechenland wurden die Juden je nach Besatzungsland sehr verschieden behandelt. Im italienisch besetzten westlichen Landesteil schützten die Behörden sie bis September 1943; in den deutsch und bulgarisch besetzten östlichen Teilen wurden die Juden aus mehreren Sammellagern von Saloniki aus ab März 1943 in 19 Güterzügen vor allem ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zur Ermordung transportiert. Nach der Kapitulation Italiens vor den Alliierten schickten die Deutschen mit großem logistischem Aufwand tausende weiterer Juden aus Korfu und dem damals italienischen Rhodos ebenfalls in die Vernichtungslager. Trotz einiger Rettungsaktionen, wie der Rettung nahezu aller Juden der Insel Zakynthos durch die Inselbevölkerung oder die Ausgabe falscher Personalausweise und Geburtsurkunden für Juden durch Athener Behörden, wurden 54.000 Juden aus Griechenland ermordet.
Nach dem Balkanfeldzug ließ die deutsche Militärverwaltung in Serbien Lager für Gegner, Partisanen und Juden einrichten. Ab September 1941 veranlasste sie Massenmorde an männlichen Juden in den Ortschaften. Ab dem 16. Oktober wurden nach jedem Partisanenanschlag hunderte internierte Juden ermordet. Ab Dezember 1941 wurden jüdische Frauen, Kinder und Greise Serbiens in das KZ Sajmište interniert. Im Mai 1942 ermordete die dortige Gestapo 6.000 von ihnen mit einem Gaswagen. Das serbische Nedić-Kollaborationsregime erließ Rassengesetze und war an der Inhaftierung von Juden beteiligt.
In damaligen Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) erließ das faschistische Ustascha-Regime unter Ante Pavelić schon im April 1941 Rassegesetze gegen Serben, Juden und Roma, denen bald Kleiderkennzeichen für Juden folgten. Zusätzlich entstanden auf dem Gebiet der Staates um die 40 Konzentrations- und Internierungslager. Nach Angehörigen der serbischen Minderheit ermordeten sie ab August 1941 auch tausende kroatische und bosnisch-herzegowinische Juden in dazu eingerichteten Lagern. Ab August 1942 deportierten sie auf Drängen der Deutschen 5.500 internierte Juden nach Auschwitz-Birkenau. Im Mai 1943 wurden die auf italienischen Druck hin zwischenzeitig eingestellten Transporte wieder aufgenommen. Die italienischen Besatzungsbehörden errichteten auf der Insel Rab das KZ Kampor. Nach Yad Vashem wurden im NDH-Staat insgesamt 30.000 Juden ermordet, etwa 40% allein im KZ Jasenovac.
Die Regierung Rumäniens unter Antonescu ließ etwa 350.000 rumänische Juden in den von ihr besetzten Gebieten in großen Massenmorden nahezu vollständig ausrotten. Nur die Juden Transsylvaniens blieben bis März 1944 unter dem Schutz Ungarns, bis auch sie mit den ungarischen Juden direkt nach Auschwitz deportiert wurden. Die bereits fest geplante Deportation der Juden Altrumäniens ließ der Staatschef im Oktober 1942 überraschend stoppen. Diese waren jedoch weiterhin Verfolgung und Pogromen ausgesetzt.
Dänemark wurde ab 9. April 1940 von der Wehrmacht besetzt. Seine demokratisch gewählte Regierung durfte unter deutscher Besatzung zunächst weiterarbeiten. Sie verhinderte erfolgreich die Einführung von Judenstern und Rassengesetzen. Als der dänische Widerstand im Sommer 1943 anwuchs, beschloss die deutsche Militärverwaltung die Deportation der dänischen Juden. Weil der 1./2. Oktober 1943 als Termin der Festnahme durchgesickert war, konnten 7200 von ihnen rechtzeitig mit Fischerbooten in das neutrale Schweden fliehen. 483 dänische Juden wurden nach Theresienstadt deportiert, wo bis auf 50 alle überlebten.
734 norwegische Juden fanden in Auschwitz den Tod. Finnland lehnte eine Auslieferung der finnischen Juden ab. Von diesen kämpften einige auf deutscher Seite gegen die Sowjetunion.
Das im März 1939 gebildete Marionettenregime der Slowakei unter Jozef Tiso hatte schon im November 1938 mit eigenen Deportationen slowakischer Juden nach Ungarn und in Arbeitslager begonnen. Auf das Drängen des slowakischen Ministerpräsidenten Vojtech Tuka hin wurden ab März 1942 unter der Regie Eichmanns etwa 58.000 slowakische Juden in den Distrikt Lublin, nach Auschwitz und Majdanek deportiert. Die meisten starben dort an Hunger, Zwangsarbeit und Seuchen. Im August 1942 wurden diese Transporte nach kirchlichen Protesten vorübergehend gestoppt. Zwei Jahre später besetzte die Wehrmacht die Slowakei; eine eigene Einsatzgruppe inhaftierte und deportierte etwa 12.000 untergetauchte slowakische Juden.
Ungarn war von Ende 1940 bis Oktober 1944 durch seinen Beitritt zum Dreimächtepakt offiziell mit NS-Deutschland verbündet. Es hatte die Karpato-Ukraine besetzt und erhielt 1940 von Hitler den nördlichen Teil Siebenbürgens zugesprochen.
Unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion (ab 22. Juni 1941), an dem Ungarn beteiligt war, begann die Regierung von Miklos Horthy, die Juden aus den ungarisch besetzten Gebieten über die östlichen Grenzen zu treiben und nach Ost-Galizien zu deportieren. Dies war eine Mitursache für das Massaker von Kamenez-Podolsk, wo sich 14.000 deportierte ungarische Juden gesammelt hatten. Danach unterließ Horthy weitere Deportationen, schuf aber Bataillone aus jüdischen Zwangsarbeitern, die mit den ungarischen Truppen gegen die Rote Armee kämpfen mussten. Davon starben etwa 42.000, viele auch durch Morde deutscher Polizisten.
Weil Horthy die übrigen ungarischen Juden trotz der Nähe der Roten Armee noch nicht deportieren ließ, besetzte die Wehrmacht im März 1944 Ungarn (Operation Margarethe). Ein auf Hitlers Befehl entsandtes SS-Einsatzkommando, das Eichmann-Kommando (benannt nach seinem Leiter Adolf Eichmann) richtete mit Hilfe deutschfreundlicher ungarischer Beamter und Polizei Ghettos für die Juden ein. Ab 15. Mai 1944 wurden insgesamt 437.000 ungarische Juden zunächst aus den Randprovinzen, ab Juli 1944 auch aus Budapest nach Auschwitz deportiert; 320.000 davon wurden dort direkt vergast. Viele Leichen wurden unter freiem Himmel verbrannt, weil die Krematorien nicht schnell genug arbeiteten. 15.000 Juden wurden entgegen Hitlers Prinzip von 1941, keine Juden mehr ins Deutsche Reich zu bringen, nach Strasshof an der Nordbahn in Niederösterreich deportiert.
Nach massiven Protesten der Westmächte und des Vatikan ließ Horthy die Transporte am 6. Juli unterbrechen. Eichmann konnte danach noch einige wenige Transporte durchführen.
Am 15. Oktober gelang den rechtsextremen Pfeilkreuzlern mit deutscher Hilfe ein Putsch gegen Horthy. Sie ermordeten etwa 9000 Juden aus dem Budapester Ghetto. Viele Ghettobewohner konnten zeitweise mit schwedischen oder schweizerischen Schutzpässen überleben. Etwa 78.000 der verbliebenen Juden Ungarns wurden aber gefasst und von Eichmann auf Todesmärsche Richtung Österreich geschickt. Juden mussten in Lagern am Südostwall Zwangsarbeit leisten. Der General der Waffen-SS Hans Jüttner war so schockiert über das, was er bei einer Inspektionsfahrt sah, dass er sich bei Otto Winkelmann beschwerte.
Schon Ende 1941, nach der verlorenen Schlacht vor Moskau, planten die Holocausttäter im RSHA, die Spuren von NS-Massenmorden zu beseitigen, bevor die Rote Armee sie entdecken konnte. Ab Herbst 1942 wurden zuerst in Kulmhof und Belzec Leichen exhumiert und verbrannt. Das Lager wurde geschlossen. Die Gebäude und Zäune des Lagers Treblinka mussten „Arbeitsjuden“ abreißen; dann wurden sie erschossen. Das Gelände wurde umgepflügt und Bäume darauf gepflanzt.
Nachdem Wehrmachtsoldaten im April 1943 Massengräber von Opfern des sowjetischen Massakers von Katyn entdeckt hatten, ließ das RSHA die „Sonderaktion 1005“ einleiten: Mehrere Sonderkommandos zwangen Juden und sowjetische Kriegsgefangene zum Aufgraben der Massengräber von Juden und Verbrennen ihrer Leichen, etwa in Babyn Jar bei Kiew. Sie mussten die Knochen der Mordopfer zermahlen und zusammen mit der Asche der Leichen in Wäldern verstreuen. Im März 1944 wurden auch diese Zwangsarbeiter als unliebsame Zeugen ermordet. Solche Vertuschungsversuche folgten in Polen und auf dem Balkan. Da sich Massenerschießungen und Lagerstandorte aber kaum geheim halten ließen, wurden nach Kriegsende fast alle Massengräber der NS-Verbrechen entdeckt.
Seit der verlorenen Schlacht um Stalingrad im März 1943 zog sich die Wehrmacht allmählich aus Osteuropa zurück. Gefangene der Deutschen sollten der Roten Armee auf keinen Fall in die Hände fallen. Beim Rückzug verübten Wachpersonal, Gestapo und Sicherheitspolizei daher viele Massaker an zehntausenden Gefängnis- und Lagerhäftlingen, teils auf eigene Initiative, teils auf zentralen Befehl. So befahl der Chef der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement am 20. Juli 1944 die „Totalräumung“ aller dortigen Gefängnisse, die „Liquidierung“ der Insassen, falls Transporte unmöglich seien, das Verbrennen der Leichen und Sprengen der Gebäude.
Demgemäß hatten Lagerverwaltungen und regionale Polizeiführer seit Dezember 1943 die ersten Transporte nach Westen organisiert und dabei „nicht transportfähige“ Menschen selektiert und direkt ermordet. Im Januar 1945 begann die „Evakuierung“ aller KZs im Osten, die bis in die letzten Kriegstage im April fortgesetzt wurde. Aus dem KZ Stutthof mussten 17.000, aus Auschwitz 58.000 Menschen zu Fuß nach Westen marschieren. Wer nicht mitkam oder stürzte, wurde von Bewachern, teils auch Einheimischen beim Durchzug eines Ortes, erschossen. Auch bei Weitertransporten in völlig überfüllten Zügen starben tausende, ebenso in Aufnahmelagern. Nur etwa 1500 Personen dieser beiden Todesmärsche erreichten das Altreich lebend.
Bei diesen Maßnahmen wurden die etwa 200.000 Juden, die die Zwangsarbeits- und Vernichtungslager bis dahin überlebt hatten, erneut besonders brutal behandelt. Man schätzt, dass etwa 100.000 Menschen durch Todesmärsche, insgesamt 300.000 durch Gefangenenmorde umkamen.
Ab Februar 1945 ließen NS-Behörden auch Akten verbrennen. Per Runderlass ordneten Gauleiter an, besonders „Geheimbefehle des Führers“ und andere Geheimdokumente zu Mord- und Ausrottungsbefehlen zu vernichten.
Die Opferzahlen des Holocausts ließen sich bis 1990 nur annähernd schätzen. NS-Zeitungen hatten während des Holocaust öfter realistische Opferzahlen genannt: So schrieb die Zeitung Der Danziger Vorposten am 13. Mai 1944 über „schwere Einbußen“ des Judentums in Osteuropa. Allein in Polen und Ungarn seien fünf Millionen Juden „ausgeschaltet“ worden, weitere 1 ½ Millionen seien entsprechenden „gesetzlichen Maßnahmen“ ausgesetzt. Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde 1946 erstmals die ungefähre Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden genannt. In einer eidesstattlichen Erklärung sagte Wilhelm Höttl, bis 1945 Mitarbeiter im Reichssicherheitshauptamt, aus, Eichmann habe ihm berichtet:
„In den verschiedenen Vernichtungslagern seien etwa vier Millionen Juden getötet worden, während weitere zwei Millionen auf andere Weise den Tod fanden, wobei der größte Teil davon durch die Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei während des Feldzuges gegen Russland durch Erschießen getötet wurde.“
Holocaustforscher nahmen jedoch zunächst an, von 1939 bis 1945 seien weniger Juden ermordet worden: Gerald Reitlinger schätzte sie 1953 auf 4,2 bis 4,7, Raul Hilberg 1961 auf 5,1 Millionen. Martin Gilbert kam 1982 auf 5,7 Millionen. 1987 trug die von einem internationalen Autorenkollektiv verfasste Enzyklopädie des Holocaust die damals möglichen genauesten Schätzungen aus vielen Einzelländern zusammen und kam so auf etwa 5,6 Millionen.
Durch die Freigabe sowjetischer Archive seit 1990 konnten die bis dahin ungewissen Opferzahlen für Polen und die Sowjetunion etwa anhand von Deportationslisten, Zugfahrplänen und Mitgliedlisten jüdischer Gemeinden vor und nach dem Holocaust überprüft werden. Dabei stellte sich heraus, dass die Opferzahlen der Konzentrationslager Auschwitz zwar niedriger lagen als zuvor vermutet, dass aber allein dort 1,1 Millionen Menschen, darunter mindestens 900.000 Juden, ermordet worden waren.
Wolfgang Benz befasste sich in „Dimension des Völkermords“ (erschienen 1991, 2. Auflage 1996) mit allen heute zugänglichen Quellen, Auswertungs- und Berechnungsmethoden der Opferzahlen. Burkhard Asmuss veröffentlichte 2002 eine Aufstellung mit teilweise gröberen Schätzungen. Insgesamt erhärtete sich dabei eine Gesamtopferzahl von mindestens 5,6 bis zu 6,3 Millionen ermordeten jüdischen Menschen. Dazu kommen Zahlen für Verletzte und Vertriebene.
Die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem nannte im Dezember 2010 über vier Millionen Opfer in ihrer Personenkartei namentlich, also als identifiziert. 2,2 Millionen dieser Namen wurden von Angehörigen oder Freunden beigesteuert, die anderen stammen aus Archiven oder Recherchen.
Land |
Dimension des Völkermords (2/1996) |
Enzyklopädie des Holocaust (4/2002) |
Burkhard Asmuss (1/2002) |
Albanien3 4 |
591 |
— |
—3 |
Belgien |
28.518 |
28.900 |
25.000 |
Bulgarien1 |
11.393 |
— |
— |
Dänemark3 |
116 |
60 |
—3 |
Deutschland2 |
160.000 |
134.500 |
165.000 |
Estland |
— |
— |
1.000 |
Frankreich |
76.134 |
77.320 |
75.000 |
Griechenland |
59.185 |
60.000 |
59.000 |
Italien |
6.513 |
7.680 |
7.000 |
Jugoslawien |
60.000 |
56.200 |
65.000 |
Lettland |
— |
— |
67.000 |
Litauen |
— |
— |
160.000 |
Luxemburg3 |
1.200 |
1.950 |
—3 |
Niederlande |
102.000 |
100.000 |
102.000 |
Norwegen3 |
758 |
762 |
—3 |
Österreich |
65.900 |
50.000 |
65.000 |
Polen |
2.700.000 |
2.900.000 |
3.000.000 |
Rumänien |
211.214 |
271.000 |
350.000 |
Sowjetunion |
2.100.000 |
1.211.500 |
1.000.000 |
Tschechoslowakei |
143.000 |
146.150 |
260.000 |
Ungarn |
550.000 |
550.000 |
270.000 |
weitere Länder3 |
— |
— |
2.800 |
Spannen 5 |
6.276.522–6.316.522 |
5.596.022–5.863.122 |
5.673.800 |
Anmerkungen:
Keine Angaben: —
1 Nach Asmuss (Holocaust) beziehen sich die Zahlen auf Juden aus bulgarisch besetzten Gebieten; alle bulgarischen Juden wurden gerettet.
2 Benz (Dimension des Völkermords) nennt 165.000 als realistische Schätzung.
3 Asmuss fasst die Opfer aus Albanien, Dänemark, Luxemburg, Norwegen und Nordafrika in einer Zahl unter „weitere Länder“ zusammen.
4 Nach Asmuss deportiert
5 gesicherte Minimalzahl und wahrscheinliche Maximalzahl.
Der Holocaust war kein Projekt einer Einzelbehörde und wurde nicht nur von bestimmten dazu beauftragten Tätern durchgeführt, sondern von vielen Institutionen aller deutschen Gesellschaftsbereiche ermöglicht, mit getragen, geplant, organisiert und vollzogen. Seit den Forschungen Raul Hilbergs werden dabei bürokratische Entscheidungsabläufe, Arbeitsteilung, Zuständigkeiten und ihr Zusammenwirken untersucht, aber auch gemeinsame Interessen, ideologischer Konsens und praktische Bündnisse zwischen alten und neuen Eliten, Führung und Bevölkerungen.
Historiker gehen heute von bis zu 500.000 „an den Schreibtischen wie auf den Schauplätzen“ an den Judenmorden beteiligten, meist männlichen, Deutschen und Österreichern sowie nochmals einigen Hunderttausend Kollaborateuren aus den von Deutschland besetzten oder mit ihm verbündeten Staaten aus. Haupttäter waren Mitglieder aller Machtsäulen des NS-Staates:
Als indirekte, aber deswegen nicht weniger verantwortliche Tätergruppen werden erachtet:
Die NS-Propaganda behandelte die NS-Verbrechen in der deutschen Öffentlichkeit mit einer Doppelstrategie: Einerseits redeten die NS-Spitzenvertreter offen über eine Vernichtung der Juden als Vergeltung für den Krieg, andererseits ließen sie bewusst offen, wann und wie diese geschehen würde. Mehrdeutige Rhetorik war schon lange eingeübt und beabsichtigt, um die Deutschen über das Geschehen im Unklaren zu lassen, aber zugleich dafür in Mithaftung zu nehmen. So ließ man die zunehmende Judenverfolgung in Deutschland vor aller Augen geschehen und stellte sie als Volkswillen dar. Die Deportationen vollzogen sich auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen. Sie wurden offiziell als „Umsiedlungen“ in Arbeitslager dargestellt. Andererseits achtete das NS-Regime bei der Ermordung der deportierten Juden oder Roma auf strengste Geheimhaltung. SS-Angehörigen war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, darüber zu berichten.
Obwohl die Deportationen bereits ein schweres Unrecht waren und viele Deportierte auf den Transporten starben, nahmen die meisten Deutschen diese Lüge hin. Im Lauf des Holocaust sickerten immer mehr Einzelheiten durch; die Geheimhaltung wurde zeitweise kaum noch streng überwacht und Verstöße wurden nicht bestraft. Dass „Umsiedlung“ tatsächlich Massenmord bedeutete, erfuhren manche Deutsche von Soldaten auf Heimaturlaub und durch „Flüsterpropaganda“ (Hannah Arendt). Der Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke schrieb 1943: Mindestens neun Zehntel der Bevölkerung weiß nicht, dass wir Hunderttausende von Juden umgebracht haben. Doch selbst das Zehntel, das ansatzweise Bescheid wusste, hat – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nichts dagegen unternommen, obwohl die geplanten Folgen der nationalsozialistischen Rassenpolitik, Isolation, Entrechtung, Verarmung und das allmähliche Verschwinden der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben in Deutschland für jeden offensichtlich war. Nichtwissen und Nicht-Wissen-Wollen über den Holocaust gingen dabei ineinander über.
Seit 1933 kritisierten ausländische Staaten die nationalsozialistische Innenpolitik, besonders die Verfolgung von Juden und anderen Minderheiten. Die Einwanderungsquoten für die jüdischen Flüchtlinge in die USA blieben jedoch unverändert. Bei der von US-Präsident Roosevelt angestoßenen Konferenz von Évian im Juli 1938 war fast kein Teilnehmerstaat zur Aufnahme jüdischer Flüchtlinge oder Erhöhung seiner Einwanderungsquoten bereit.
Nach Kriegsbeginn verstärkte sich die Kritik der Alliierten; dennoch wurden die europäischen Juden nicht präventiv vor den vorrückenden Truppen der Achsenmächte evakuiert. Seit 1941 wurde den Alliierten die systematische Ausrottungspolitik des NS-Regimes durch Entschlüsselung der Codes für die regelmäßigen Polizeiberichte nach Berlin bekannt. Sie verurteilten diese äußerst scharf und begründeten damit auch ihre Kriegsstrategie. Mitte Dezember 1942 warnten die USA, Großbritannien und weitere zehn Regierungen die deutsche Regierung, dass „die Verantwortlichen einer Vergeltung nicht entgehen“ würden (Interalliierte Erklärung zur Vernichtung der Juden vom 17. Dezember 1942). Gezielte Maßnahmen, um den Holocaust zu beenden oder aufzuhalten, ergriffen sie aber nicht. Ihre Kriegsführung richtete sich seit Kriegseintritt der USA auf die vollständige Kapitulation des NS-Regimes.
Als die ersten Nachrichten über die Massenvernichtung eintrafen, versuchte das US-Außenministerium deren Veröffentlichung zu unterdrücken. Auf Druck der öffentlichen Meinung trat im April 1943 auf Bermuda erneut eine internationale Konferenz zusammen, um Lösungen für Flüchtlinge zu erörtern. Wie die Vorkriegskonferenz von Évian verlief auch sie ergebnislos. Erst nach Intervention des Finanzministers Henry Morgenthau kündigte Roosevelt am 22. Januar 1944 die Einsetzung des War Refugee Board an. Dieses Gremium trug zur Rettung mehrerer Tausend Juden bei.
Die britische Regierung behinderte und unterließ in einzelnen Fällen mögliche Hilfeleistungen. Als im Dezember 1942 einige britische Abgeordnete verlangten, jüdischen Flüchtlingen müsse sichere Zuflucht versprochen werden, lehnte der britische Außenminister dies mit der Begründung ab, es gebe „Sicherheitsbedenken“ und „geografische Probleme“. Anfang 1943 wurde bekannt, dass man gegen Hinterlegung einer gewissen Summe in der Schweiz 70.000 rumänische Juden hätte retten können. Die Regierung hatte den Plan jedoch blockiert, da sie eine Schwächung der eigenen und eine Stärkung der deutschen Position befürchtete.
Die sowjetischen Behörden lieferten deutsche Juden – darunter viele Kommunisten, die in der Sowjetunion Zuflucht gesucht hatten – nach Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes im August 1939 den Nationalsozialisten aus. Nach dem Überfall der Wehrmacht im Juni 1941 blieb die besondere Gefährdung der sowjetischen Juden unberücksichtigt. Die sowjetische Berichterstattung verschwieg die deutsche Ausrottungspolitik. Jüdische Flüchtlinge fanden oft keine Unterstützung durch die Partisanen, wurden von diesen nicht als Mitkämpfer aufgenommen und zum Teil ihrer Waffen und Nahrungsmittel beraubt.
Am 31. Dezember 1941 rief Abba Kovner die Juden in aller Welt mit einem Flugblatt zum Widerstand auf und kritisierte, die Opfer ließen sich „wie Schafe zur Schlachtbank“ führen. Damit entstand das hartnäckige Klischee vom widerstandslosen Verhalten aller Opfer. Erst seit den 1980er Jahren hat die Forschung dieses Bild differenziert und korrigiert.
Nur wenige Juden ahnten das Ausmaß des ihnen zugedachten „Schicksals“. Viele hielten Informationen über Massenvernichtungslager, die um 1942/43 zunehmend in den jüdischen Ghettos Polens, Litauens und Weißrusslands kursierten, nur für Gerüchte. Ein Ausrottungsplan gegen alle Juden schien den meisten anfangs schon wegen der Dimension unglaubhaft. Viele glaubten, wenigstens als Sklavenarbeiter überleben zu können, bis die Deutschen besiegt seien.
Ein Gegenbeispiel und ein Anstoß für den jüdischen Widerstand insgesamt war der Aufstand im Warschauer Ghetto vom 19. April bis zum 16. Mai 1943. Diesen organisierte die jüdische Kampforganisation „ZOB“, als die Nationalsozialisten das Ghetto gänzlich auflösen und alle noch übrigen Juden in die Vernichtungslager, vor allem nach Treblinka, deportieren wollten. Die Untergrundorganisation hatte von Kurieren zwischen dem „arischen“ Teil Warschaus und dem abgeriegelten jüdischen Ghetto unter Lebensgefahr Waffen erhalten und konnte den eindringenden Räumkommandos der SS anfangs hohe Verluste beibringen und sie in die Flucht schlagen. Als die SS mit Panzern und Artilleriegeschützen zurückkehrte, hielten sich die jüdischen Widerstandsgruppen trotz der Übermacht noch in einem etwa vierwöchigen Häuserkampf. Zuletzt mussten sie aufgeben und wurden meist erschossen. Nur wenige Beteiligte konnten sich durch Abwasserkanäle retten.
Auch in anderen jüdischen Ghettos bildeten sich Widerstandsgruppen, die Ghettobewohnern zur Flucht verhalfen und einzelne Revolten begannen, etwa in Białystok und Vilnius. Ferner gab es in manchen Lagern Aufstände jüdischer Häftlinge, so den Aufstand von Treblinka von etwa 400 Häftlingen am 2. August 1943, der zu einer Massenflucht jüdischer Lagerinsassen führte und das Lager zerstören sollte. Am 14. Oktober 1943 führten sowjetisch-jüdische Kriegsgefangene den Aufstand von Sobibór in Ostpolen an. Sie töteten neun Angehörige der Wachmannschaften, was einen Massenaufstand der Häftlinge bewirkte. 65 jüdischen Gefangenen gelang die Flucht. Ende 1943 gaben die Nationalsozialisten das Lager auf.
Im KZ Auschwitz-Birkenau gab es etwa 700 Fluchtversuche, davon etwa 300 erfolgreiche. Am 7. Oktober 1944 erfolgte dort ein Aufstand des jüdischen Sonderkommandos, das an den Verbrennungsöfen für die vergasten Leichen eingesetzt war. Mit von Frauen eingeschmuggeltem Sprengstoff wurde ein Teil des Krematoriums IV zerstört. 250 Gefangene versuchten zu flüchten, wurden aber bald gefasst und umgebracht.
Europaweit waren tausende untergetauchte Juden am Partisanenkrieg gegen die deutschen Besatzer beteiligt, besonders in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien, den Balkanstaaten und Griechenland. In Osteuropa, besonders im katholisch geprägten Polen, konnten sich aus KZs und Ghettos entkommene Juden nur selten bestehenden Partisanengruppen anschließen, da dort auch manche NS-Gegner Antisemiten waren. Darum bildeten sich dort eigene jüdische Partisaneneinheiten, die trotz ihrer anfänglichen Unerfahrenheit bald als besonders entschlossene und motivierte Kämpfer gegen die Deutschen galten. Die vorrückende Rote Armee versorgte sie daraufhin teilweise bevorzugt mit Waffen, besonders für den „Schienenkrieg“ mit Anschlägen und Sabotageaktionen gegen Eisenbahntransporte der Wehrmacht an die Ostfront. Jüdische Widerstandskämpfer stürmten bei der „Operation Torch“ die als uneinnehmbar geltende Festung Algier von innen und leisteten damit einen entscheidenden Beitrag für die Landung der Alliierten und deren anschließenden erfolgreichen Feldzug gegen die deutsche Wehrmacht in Nordafrika.
Viele Juden, die in den 1930er Jahren und zum Kriegsbeginn ins sichere Ausland emigrieren konnten, schlossen sich dort den Truppen der Alliierten an. In vielen Armeen gab es eigene jüdische Einheiten, etwa die Jüdische Brigade in der British Army. 10.000 deutschsprachige Juden kämpften dort, ca. 9500 in den US-Streitkräften. Gegen Ende des Krieges wurde die jüdische Fluchthilfe-Bewegung Beriha (hebräisch „Flucht“) gegründet, mit deren Hilfe zwischen 1944 und 1948 etwa 250.000 Juden aus osteuropäischen Ländern flüchten konnten. Nach dem Krieg dienten emigrierte deutsche Juden den Alliierten oft als Übersetzer im besetzten Deutschland. Man schätzt, dass europaweit bis zu 1,5 Millionen Juden am regulären militärischen Kampf und am Partisanenkampf gegen die NS-Herrschaft beteiligt waren.
Vereinzelt setzten sich auch nichtjüdische Deutsche gegen den geplanten und laufenden Genozid an den Juden zur Wehr. Solche Rettungstaten waren mit ständiger Lebensgefahr verbunden und selten.
Der deutsche Industrielle Oskar Schindler bewahrte im Deutschen Reich 1200 jüdische Zwangsarbeiter vor der Vernichtung, indem er sie bis Kriegsende als kriegswichtig für seinen Betrieb deklarierte und für ihren Unterhalt persönlich aufkam.
Auch die als Rote Kapelle bezeichnete Berliner Gruppe versteckte Juden und verhalf ihnen zu falschen Pässen, mit denen sie ausreisen konnten. Das Büro Grüber der Bekennenden Kirche half seit 1938 Christen jüdischer Herkunft, aber auch Juden zur Ausreise. Eine ähnliche Anlaufstelle gab es auch auf katholischer Seite.
Am 27. Februar 1943 versammelten sich die Ehepartner und Angehörigen von „Mischjuden“, die als Zwangsarbeiter in Berliner Rüstungsbetrieben beschäftigt waren und nun deportiert werden sollten, vor dem Gestapohauptquartier in der Berliner Rosenstraße. Dies war die einzige öffentliche Protestdemonstration während des Krieges gegen eine Deportation, die zudem erfolgreich war: Die inhaftierten Personen wurden freigelassen.
Das Untertauchen von jüdischen Bewohnern während der NS-Zeit zur Rettung vor der Deportation führte zu der Redewendung „als U-Boot leben“. Zum Teil wurde von den betreffenden Personen versucht, dieses Verschwinden durch einen vorgetäuschten Selbstmord oder die Ankündigung einer Reise plausibel zu machen. Das Verschwinden aus der Einwohnerliste konnte für die als U-Boot bezeichnete Person und für ihre Helfer schwerwiegende Folgen haben.
Im Falle der Entdeckung wurde die Person ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung verhaftet. Allerdings konnte sie nicht mit einem gerichtlichen Verfahren rechnen, sondern wurde dadurch in aller Regel zum Häftling in einem Konzentrationslager. Davor kam jedoch eine Zeit der Vernehmungen und Folter durch die Gestapo, die auf diese Weise weitere „U-Boote“ suchte. Sollte die Verbindung zu weiteren Helfern bekannt werden, waren auch diese massiv gefährdet. Die rechtlichen oder faktischen Bedrohungen konnten sich nach Reichsgebiet oder Besatzungsstatut und nach Position der jeweiligen Person zur Besatzungsmacht, der Polizei bzw. den NSDAP-Stellen unterscheiden.
Es gab in Deutschland relativ viele lokale verdeckte Netzwerke von Helfern, die Menschen in Not (Flüchtlingen, vor allem Juden) halfen. Oftmals hatten die Flüchtlinge Adressen von Menschen bei sich, die sie zwar nicht kannten, von denen sie aber durch andere wussten, dass sie ihnen auf ihrer Flucht weiterhelfen würden. Oft bekamen die Flüchtlinge dann von diesen Helfern eine weitere Adresse als neuen Anlaufpunkt auf ihrem Weg. Es waren in aller Regel Privatleute, die aus ihrem Gewissen heraus Menschen auf der Flucht versteckten oder anderweitig weiterhalfen und keine Rücksicht darauf nahmen, dass sie und ihre Familie, würden sie entdeckt, Schlimmes zu erwarten hätten. Solche Netzwerke sind zum einen Teil aus den verfolgten politischen Parteien und Organisationen heraus entstanden, zum anderen aus christlichen Gruppierungen heraus. Vielfach handelten Menschen deshalb zugunsten dieser Flucht-Netzwerke, weil Angehörige durch die NSDAP oder Gestapo-Stellen bereits zu Tode gekommen waren und sie deshalb möglicherweise ihr eigenes Leben gering schätzten oder auch aus einem tiefen, innerem Humanismus heraus, den die inzwischen Jahre dauernde Propaganda der Nationalsozialisten nicht erschüttert hatte: Tiefgreifendere wissenschaftliche Untersuchungen sind dazu noch erforderlich.
Das Untertauchen einer Person in einem von Kriegswirtschaft geprägten Land war schwierig. Lebensmittel waren nicht auf dem freien Markt erhältlich, sondern nur gegen Abschnitte von Lebensmittelkarten, die eine Bezugsberechtigung und deren Überprüfung voraussetzten. Das Mitsichführen von Gepäck konnte bei Kontrollen sofort Verdacht auslösen. Der länger als übliche Aufenthalt in einer Gaststätte, Bibliothek oder einem Kino konnte Nachfragen zur Identität auslösen. Die Gestapo versuchte, Spitzel in Netzwerke einzuschleusen (Berlin – Februar 1943; zum Beispiel Stella Goldschlag).
Eine kleine Anzahl von Juden wurde gerettet, weil die Regierungen ihrer Heimatländer der Forderung des Deutschen Reichs zu ihrer Auslieferung nicht nachgaben.
Finnland, seit 1941 Deutschlands Verbündeter im Krieg gegen die Sowjetunion, lieferte seine Juden größtenteils nicht aus, obwohl Himmler dies im Sommer 1942 bei einem Finnland-Aufenthalt von der finnischen Regierung gefordert hatte. Regierungschef Rangell soll darauf geantwortet haben, Finnlands Juden seien Bürger wie alle anderen und dienten auch als Soldaten im Krieg gegen die Sowjetunion. Diese Praxis wurde aber schon ab Dezember 1942 eingestellt, nachdem Zeitungen und einige Politiker dagegen protestiert hatten. Zwar wurde jüdischen Flüchtlingen zeitweise die Einreise nach Finnland verweigert; aber die etwa 1.800 finnischen Juden entgingen dem Zugriff der Deutschen. Einige ausländische Juden wurden dennoch ausgeliefert, weil sie Kommunisten waren. Neuere Forschungen ergaben, dass Finnland von 1941 bis 1944 insgesamt 129 Flüchtlinge an das Deutsche Reich auslieferte, dazu über 2800 sowjetische Kriegsgefangene, von denen 78 Juden waren.
In Dänemark ergriff König Christian X. Partei für die Juden, als die deutschen Besatzungsbehörden auch sie zum Tragen des Judensterns zwingen wollten. Ein zum Widerstand gehörender Mitarbeiter der Besatzungsmacht warnte die dänische Untergrundbewegung vor drohenden Razzien der SS. Daraufhin gelang es unter Mithilfe großer Teile der Bevölkerung im September und Oktober 1943, die meisten der im Land lebenden ca. 6000 Juden in das neutrale Schweden zu schleusen. So wurde eine vergleichsweise niedrige Anzahl dänischer Juden, 161 Menschen, in deutschen Lagern ermordet.
Der italienische Faschismus war ursprünglich nicht antisemitisch. Dazu kam, dass Italien anfangs ein Verbündeter Deutschlands und kein besetztes Land war. Zwar wurden nach Kriegsbeginn antijüdische Gesetze erlassen, aber die Regierung und besonders die Armee widersetzten sich dem Drängen der Deutschen, die italienischen Juden in den Tod zu schicken. Sie wurden interniert, aber unter besseren Bedingungen als in den deutschen Konzentrationslagern und ohne ständige Todesdrohung. Daher flüchteten einige Juden aus dem besetzten Frankreich und aus Jugoslawien nach Italien. Erst nach dem Frontwechsel Italiens 1943 behandelten die Deutschen das Land wie ein besetztes Gebiet und überführten die italienischen Juden in ihre eigenen Vernichtungslager.
Auch das Beispiel Bulgariens – ebenfalls ein Verbündeter Deutschlands – beweist, dass ein entschiedener Widerstand die deutschen Pläne erfolgreich durchkreuzen konnte. Hier wurden dank der festen Haltung von Regierung und Bevölkerung etwa 50.000 Juden gerettet.
In Polen gab es neben Personen, die Juden auslieferten – viele auch um selbst zu überleben – einige (auch katholische) Gruppierungen wie die Żegota, die den Juden halfen, obwohl dafür, anders als in Westeuropa, nicht nur die Todesstrafe für den einzelnen Helfer, sondern regelmäßig auch für seine Familie oder das ganze Dorf drohte. Mehr als eine halbe Million polnischer Juden überlebten den Holocaust, viele durch Hilfen aus der Bevölkerung. Viele Polen waren entsetzt über die Ermordung jüdischer Kinder und versteckten sie zum Beispiel auf dem Land, bei den Partisanen oder in katholischen Klöstern. So stellen die Polen auch mehr als ein Drittel aller in Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern Ausgezeichnete dar.
Die von den Achsenmächten umschlossene neutrale Schweiz lieferte keine Juden mit Schweizer Bürgerrecht aus. Während des Krieges nahm sie zigtausende von Flüchtlingen, darunter auch viele Juden, legal auf, viele weitere schafften den Grenzübertritt illegal und wurden von den Behörden (geduldet) oder von Privaten (illegal) im Land behalten. Insbesondere in den letzten Kriegsjahren, als auch die Schweiz nur noch wenige Flüchtlinge aufnehmen konnte, konnten an der Westschweizer Landesgrenze Flüchtlinge doch auf Soldaten hoffen, die einmal auch wegschauten, oder auf hilfsbereite Bürger, die die Flüchtlinge mit Kost und Logis versorgten. Insgesamt überlebten in der Schweiz 275.000 Flüchtlinge – davon 26.000 aus dem Ausland in die Schweiz geflüchtete Juden. Es wurde aber auch eine große unbekannte Anzahl von Flüchtlingen – darunter mindestens 30.000 Juden – an der Grenze zurückgewiesen oder illegal Eingereiste den Nationalsozialisten übergeben.
Die Schweiz wurde von Hitler mehrfach aufgefordert, keine weiteren Juden aufzunehmen und geflüchtete Juden auszuliefern. Zumindest letzterer Forderung wurde nie entsprochen, der ersten im Laufe des Krieges mal mehr, mal weniger, je nach aktueller Kriegslage und subjektiv eingeschätzter Invasionsgefahr. Die Schweiz versuchte während des Krieges, zwischen ihren humanitären Grundsätzen (Aufnahme von Flüchtlingen) und militärischen Selbstschutz-Interessen (Geringhalten von Invasionsabsichten seitens der Nationalsozialisten) die Balance zu finden. Ob der Schweiz das gelungen ist, oder ob sie mehr Juden hätte aufnehmen können oder müssen und ob die Aufnahme von mehr Juden zu einer Invasion der Schweiz geführt hätte, ist noch nicht ausreichend erforscht und deshalb aus den verschiedenen Sichtweisen heraus umstritten. Insgesamt allerdings überlebten Hunderttausende Personen in der Schweiz, die in den Nachbarländern wohl nicht überlebt hätten.
Entsprechend dem Fortschritt der alliierten Angriffe gegen die Hitler-Koalition wurden Überlebende in den Lagern zu sehr verschiedenen Zeitpunkten befreit. Als Beispiele werden hier jeweils KZ genannt, die von einem der Alliierten als erste in seinem Frontabschnitt erreicht wurden.
Im Osten:
Im Westen:
In den Monaten darauf erfolgte die Rückführung der meisten noch lebenden ehemaligen KZ-Häftlinge in die Heimatorte/-länder (Stichworte Displaced Persons – DP-Camps). Nach dem strengen Winter 1945/1946 blieben Gruppen von DPs aus ganz verschiedenen Gründen heimatlos in Deutschland und wurden nicht mehr repatriiert.
Fast überall in den befreiten Lagern entstanden Häftlingsvereinigungen, die dort zunächst wichtige soziale (Überlebens-)Funktionen für die Mitgefangenen ausübten.
Viele Überlebende der Vernichtungslager und Menschen, die sich der drohenden Ermordung durch Flucht oder andere Umstände entziehen konnten, litten und leiden unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Der Psychiater und Psychoanalytiker William Niederland prägte dafür in den 1960er Jahren den Begriff vom Überlebenden-Syndrom. Vielen Holocaust-Überlebenden war und ist es zum Teil bis heute nicht möglich, über ihre Erfahrungen in den Todeslagern zu sprechen. Traumafolgen sind bis in die zweite Generation bekannt, betreffen also Enkel der Überlebenden.
Das ganze Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen kam erst ans Licht der Weltöffentlichkeit, als alliierte Truppen die Gebiete befreiten, in denen sich die Konzentrations- und Vernichtungslager befanden. Die Alliierten hatten auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 neben der Entmilitarisierung auch die durchgehende „Entnazifizierung“ Deutschlands für die Zeit nach ihrem Sieg vereinbart und diesen Beschluss auf der Potsdamer Konferenz Ende Juli 1945 bekräftigt.
Die Bestrafung nationalsozialistischer Verbrechen begann mit den von den Alliierten Mächten eröffneten Nürnberger Prozessen und den Folgeprozessen zwischen 1945 und 1948, insbesondere mit dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher.
Seit 1945 sind in Westdeutschland insgesamt 912 Gerichtsverfahren gegen 1875 Personen wegen während des Zweiten Weltkrieges begangener NS-Tötungsverbrechen durchgeführt worden. Von den Angeklagten wurden 14 zum Tode, 150 zu einer lebenslänglichen und 842 zu einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe verurteilt.
Ab 1949, nach der Gründung der beiden deutschen Staaten, ging die Strafverfolgung in deren Zuständigkeit über. Sie kam aber infolge des Kalten Krieges bald zum Erliegen. Parallel hierzu wurde jedoch auch die Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen sowie die Wiedergutmachung insbesondere enteigneter Opfer betrieben.
In der DDR fanden einige Schauprozesse gegen untergeordnete Funktionsträger des NS-Regimes statt, in denen es weniger um deren individuelle Verantwortung als um Schuldzuweisungen an die westdeutsche Seite ging. Ehemalige NSDAP-Mitglieder konnten in der DDR Karriere machen, solange sie die alleinige SED-Herrschaft anerkannten.
In der Bundesrepublik Deutschland wird die wenig nachdrückliche Strafverfolgung oft erklärt mit mangelndem Interesse in der Bevölkerung bzw. dem Einfluss ehemaliger NSDAP-Mitglieder in Staat und Verwaltung. Die Initiative zur Aufspürung von Holocausttätern wurde überwiegend Privatleuten wie Simon Wiesenthal und Beate Klarsfeld überlassen.
Erst im Gefolge des Ulmer Einsatzgruppenprozess und durch die Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen begann die westdeutsche Justiz ab 1958 in größerem Umfang, NS-Verbrechen zu verfolgen. Damals erreichten der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees Hermann Langbein und der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer die Weiterverfolgung einer Strafanzeige von Adolf Rögner. Sie führte zur Verhaftung des ehemaligen SS-Manns und Folterers Wilhelm Boger.
Nachdem der israelische Geheimdienst Mossad Adolf Eichmann 1960 aus seinem Fluchtland Argentinien nach Jerusalem entführt hatte, erfolgte dort 1961 der international beachtete Eichmann-Prozess. Die Prozessbeobachterin Hannah Arendt beschrieb Eichmanns gezeigte bürokratische Gefühlskälte in ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“ als „Banalität des Bösen“ und beförderte damit die Diskussion über die Tätermotive in der Bundesrepublik. Eichmann wurde zum Tod verurteilt und 1962 gehängt.
Nach langjährigen Ermittlungen Bauers wurde 1963 das Hauptverfahren der Auschwitz-Prozesse in Frankfurt am Main eröffnet. Die Zeugenberichte und das große Medienecho auf diese Prozesse machten die NS-Verbrechen vielen Deutschen bewusst, verstärkten aber auch öffentliche Forderungen nach einem „Schlussstrich“. Die Angeklagten in den Auschwitz-Prozessen ließen keine Reue erkennen und beriefen sich stets auf den so genannten „Befehlsnotstand“. Ihre Verteidiger und ein Teil der Medien versuchten, die Gerichtsverfahren als „Schauprozesse“ zu diskreditieren.
Da die NS-Verbrechen ursprünglich 20 Jahre seit der Tatzeit 1945 verjähren sollten, kam es 1965 im Deutschen Bundestag zu einer Verjährungsdebatte. Zunächst wurde die Verjährungsfrist auf 1969 verschoben, indem das Gründungsjahr der Bundesrepublik 1949 zugrunde gelegt wurde. 1969 wurde die Verjährungsfrist um zehn Jahre verlängert, 1979 wurde sie für Mord und Völkermord aufgehoben.
In den folgenden Prozessen wurden meist (wie bei vielen Großverbrechen) nur die unmittelbar ausführenden Täter der unteren Ränge in der Befehlskette belangt. Die letzten größeren Verfahren gegen NS-Täter waren die Majdanek-Prozesse von 1975 bis 1981 vor dem Landgericht Düsseldorf. Von ursprünglich 15 Angeklagten wurden acht verurteilt, sieben davon zu Haftstrafen zwischen drei und zwölf Jahren, eine zu lebenslänglich. Das Urteil löste weltweite Proteste aus.
In Österreich wurden Kriegsverbrechen der NS-Zeit kaum strafverfolgt. Nur 20 Personen wurden seit 1955 in Österreich verurteilt, 23 freigesprochen. Ein kritisches Memorandum Simon Wiesenthals zum Umgang österreichischer Behörden mit NS-Verbrechen blieb folgenlos.
Die alliierten Militäradministrationen für das besetzte Deutschland und Österreich erließen – ebenso wie die späteren Regierungen der Bundesrepublik, der DDR und Österreichs – Regelungen, die alle Maßnahmen des Hitler-Regimes zur Entrechtung und Enteignung der Juden außer Kraft setzten. Eine vollständige Entschädigung zumindest für die materiellen Verluste der Betroffenen fand nicht statt. Zahlreiche Überlebende der Vernichtungslager und ihre gesetzlichen Erben mussten zum Teil über Jahrzehnte vor deutschen und österreichischen Gerichten um die Rückerstattung von Eigentum oder um Entschädigungszahlungen klagen.
Die Regierung der DDR erklärte sich selbst als in einer antifaschistischen Tradition stehend. Sie wies bis kurz vor der Wende alle Ansprüche zurück, die sich aus Handlungen des Deutschen Reichs ergeben konnten. Nach bundesdeutscher Auffassung hingegen ist die Bundesrepublik Rechtsnachfolgerin des Reichs. Dies führte bereits unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer zu einer Wiedergutmachungspolitik, die zumindest ansatzweise eine kollektive Entschädigung vorsah.
In Verhandlungen mit David Ben Gurion einigte sich Adenauer auf Unterstützungszahlungen für den Staat Israel, der als Rechtsnachfolger der ermordeten Juden betrachtet wurde. Diese Zahlungen lagen nicht zuletzt im Interesse der Bundesrepublik, die geachtetes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft sein wollte. Die so genannten Wiedergutmachungszahlungen werden von deutschen Rechtsextremisten bis heute abgelehnt. Sie stießen aber auch in Israel auf heftige Kritik („Blutgeld“).
In einer Anfrage der Nachrichtenagentur AFP teilte das Bundesfinanzministerium mit, dass seit Kriegsende rund 68 Milliarden Euro an Entschädigungen für überlebende Holocaust-Opfer geleistet wurden. Zurzeit erhielten mehr als 100.000 Menschen monatliche Renten aus Deutschland.
Erste Erklärungen in der EKD nach Kriegsende wie das Stuttgarter Schuldbekenntnis (Oktober 1945) und das Darmstädter Wort (1947) nannten den Holocaust, den Antisemitismus und Antijudaismus nicht, sondern sprachen von einer Mitschuld der Christen am Weltkrieg, an Aufstieg und Verbrechen des Nationalsozialismus. Bereits diese allgemeinen Aussagen lösten in Westdeutschland weithin öffentliche Empörung und heftigen Widerspruch aus und fanden wenig Zustimmung. In einem Wort zur Judenfrage (1948) deutete die EKD-Leitung das „jüdische Schicksal“ sogar als Strafe Gottes zur Warnung für Juden und als Mahnung an sie, Christen zu werden. Erst ab 1950 distanzierte sich die EKD von dieser Sicht und vom Antisemitismus. In den 1960er Jahren begann ein intensiver Diskussionsprozess, der sich seit der Rheinischen Synodalerklärung von 1980 in zahlreichen landeskirchlichen Bekenntnissen zum „ungekündigten Bund“ Gottes mit dem Volk Israel niederschlug: Das Christsein sei ohne jüdische Existenz nicht möglich. Zudem wird erkannt, dass der Holocaust nie hätte geschehen können, wenn die Kirchen nicht jahrhundertelang alle Maßnahmen gegen Juden – außer der fabrikmäßigen Vergasung – vorexerziert hätten. Einzelne Landeskirchen haben Schuldbekenntnisse verabschiedet, die sich auch von judenfeindlichen Äußerungen Martin Luthers distanzieren.
Inner- und außerhalb der katholischen Kirche ist das Verhalten von Papst Pius XII. während des Holocaust bis heute umstritten. Er hatte sich einerseits für die Rettung der römischen Juden eingesetzt, andererseits zum Holocaust geschwiegen, obwohl ihm die Tatsachen bekannt geworden waren. Die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld an Antijudaismus und Antisemitismus und mit der Verantwortung von Katholiken für den Holocaust begann erst nach Pius’ Tod im Jahr 1958. Sein Nachfolger Johannes XXIII. sprach die Juden erstmals in der Geschichte des Papsttums als „Brüder“ an. Das von ihm initiierte Zweite Vatikanische Konzil verabschiedete 1965 die Erklärung Nostra Aetate, die die Gottesmordtheorie zurückweist, die Eigenständigkeit des Judentums anerkennt und die Bekämpfung des Antisemitismus zur christlichen Pflicht erklärt.
Antisemiten und Geschichtsrevisionisten begannen unmittelbar nach Kriegsende, den Holocaust entweder zu leugnen oder zu relativieren, manchmal sogar ihn zu verherrlichen. Holocaustleugnung ist eine Grundtendenz im Rechtsextremismus, wird auch von Teilen der Neuen Rechten, des Islamismus und Antizionismus vertreten und hat sich zu einer international vernetzten Strömung entwickelt. Leugnung und Relativierung ordnet die Antisemitismusforschung als sekundären Antisemitismus ein.
Holocaustleugnung ist in der Bundesrepublik Deutschland nach § 130 Abs. 3 StGB als Volksverhetzung, nach § 189 StGB als Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener strafbar. Ähnliche Gesetze gegen Holocaustleugnung gelten auch in einigen anderen Staaten.
Heute erinnern zahlreiche Mahnmale und Museen in der ganzen Welt an den Holocaust . Zudem leisten Initiativen und Organisationen auf unterschiedlichsten Ebenen und mit den unterschiedlichsten Mitteln ihren Beitrag zur Erinnerung und Aufarbeitung des Holocaust. Einige solche Initiativen der Versöhnungsarbeit sind zum Beispiel die Aktion Sühnezeichen und die österreichischen Gedenkdienste.
Die bedeutendste Holocaustgedenkstätte ist Yad Vashem in Jerusalem, wo sich unter anderem die Allee der Gerechten unter den Völkern befindet. Hier ein Link zur deutschen Seite von Yad Vashem: http://www.yadvashem.org/yv/de/index.asp
In Deutschland und den ehemals deutsch besetzten Gebieten sind vor allem die Gedenkstätten auf den Geländen der ehemaligen Konzentrationslager von Bedeutung, insbesondere das polnische Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau. Bedeutende Einrichtungen sind etwa das Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes in Wien, das US-Holocaust Memorial in Washington, D.C., das ungarische Dokumentationszentrum in Budapest, das Jüdische Museum in Berlin und das 2005 eingeweihte Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Die Datenbank JewishGen eröffnet genealogische Einblicke.
Mit dem polnischen Ehrenzeichen Auschwitzkreuz (Krzyż Oświęcimski) wurden vom 14. März 1985 bis 1999 ehemalige Gefangene der KZs geehrt. Von dieser Auszeichnung waren weder Nicht-Polen noch bereits Verstorbene ausgeschlossen. Der Orden ist ein silbernes Kreuz, auf dem Stacheldraht läuft. In der Mitte der Rote Winkel mit dem P, wie ihn polnische Gefangene auf der Sträflingskleidung trugen. Eingeprägt sind die Jahreszahlen 1939 und 1945, auf der Rückseite steht die Inschrift „PRL / WIĘŹNIOM / HITLEROWSKICH / OBOZÓW KONCENTRACYJNYCH“ („Die Volksrepublik Polen an Gefangene der Hitler-Konzentrationslager“).
In Deutschland ist seit 1996 der 27. Januar Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. „Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch russische Soldaten befreit. Auschwitz steht symbolhaft für millionenfachen Mord – vor allem an Juden, aber auch an anderen Volksgruppen. Es steht für Brutalität und Unmenschlichkeit, für Verfolgung und Unterdrückung, für die in perverser Perfektion organisierte ‚Vernichtung‘ von Menschen.“ Am 1. November 2005 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 27. Januar durch eine Resolution zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Seit 2006 wird er weltweit begangen.
Das Projekt A Letter To The Stars wurde im Frühjahr 2002 initiiert und ist ein wichtiges Zeitgeschichteprojekt in Schulen der Republik Österreich. 2008 wurden Zeitzeugen bzw. Überlebende aus Israel an viele Schulorte eingeladen.
Die Wanderausstellung Sonderzüge in den Tod erinnert seit 2006 (Frankreich) bzw. 2008 (Deutschland) vor allem in Bahnhöfen an die Deportationen hunderttausender Menschen mit der damaligen Reichsbahn in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager.
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