Als Abnutzungskrieg (hebr. מלחמת ההתשה – Ermüdungskrieg) wird im
speziellen Sinne ein begrenzter Krieg zwischen Ägypten und Israel von 1968 bis 1970 bezeichnet. Er wurde von Ägypten begonnen, um damit den Sinai, den Israel im Sechstagekrieg erobert hatte,
zurückzuerobern. Der Krieg endete mit einem 1970 geschlossenen Waffenstillstand; keine der beiden Parteien konnte Gebietsgewinne verzeichnen.
Der Plan des ägyptischen Präsidenten Nasser wurde von seinem
Vertrauten, dem Journalisten Muhammad Hasanain Haikal, folgendermaßen beschrieben:
"Wenn es dem Feind gelingt, uns einen Verlust von 50.000 Mann zuzufügen, so können wir dennoch weiterkämpfen, weil wir menschliche Reserven haben. Wenn es uns gelingt, ihm einen Verlust von 10.000 Mann zuzufügen, wird er sich unvermeidlich in einer Situation wiederfinden, wo er aufhören muss zu kämpfen, weil er keine menschlichen Reserven hat."
Im allgemeinen Sinne bezeichnet der Begriff jeden Krieg, bei dem
darauf gesetzt wird, die Kräfte des Gegners mit der Zeit zu erschöpfen, auch wenn ihm keine direkte Niederlage beigebracht werden kann.
Die israelische Armee hatte den Sechstagekrieg sehr schnell gewonnen
und den Streitkräften Ägyptens eine schwere Niederlage zugefügt. Die gesamte Sinai-Halbinsel bis zum Sueskanal war in israelischer Hand. Die Armeen Gamal Abdel Nassers, die als die stärksten in
der arabischen Welt galten, wurden nicht nur auf ganzer Linie geschlagen, sondern schwer gedemütigt. Ein starkes Gefühl der Scham und ein Vergeltungsbedürfnis waren die Folge. Die Vereinten
Nationen und die beiden Supermächte versuchten vergeblich, eine diplomatische Lösung für den Konflikt zu finden. Am 22. November 1967 wurde die Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates
verabschiedet, die den israelischen Rückzug „aus besetzten Gebieten“ im Austausch für Frieden vorsieht. Diplomatische Mittel führten jedoch zu nichts und, nachdem am 1. September 1967 alle
arabischen Staaten in der Khartum-Resolution erklärt hatten „keinen Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels und keine Verhandlungen mit Israel“ zu wünschen, erklärte Nasser es sei klar,
dass „was durch Gewalt genommen wurde durch Gewalt zurückgewonnen werden muss“.
Dank großzügiger sowjetischer Waffenlieferungen konnte Ägypten seine
materiellen Verluste aus dem Sechstagekrieg viel schneller ausgleichen, als man in Israel erwartet hatte. Zusätzlich kamen hunderte von sowjetischen Militärberatern ins Land, deren Zahl bei
Kriegsbeginn 1500 betrug. Durch deren Anwesenheit, zusammen mit der von sowjetischen Piloten und Schiffen, drohte der Konflikt in eine Ost-West Konfrontation zu eskalieren.
Der Abnutzungskrieg begann im Juni 1968 mit vereinzeltem ägyptischen
Artilleriebeschuss der israelischen Frontlinie auf der Ostseite des Sueskanals. In den folgenden Monaten verstärkte sich der Artilleriebeschuss und kostete einigen Israelis das Leben. Der
Gegenschlag der israelischen Armee erfolgte in der Nacht des 30. Oktobers, als Hubschrauberlandetruppen die wichtigste ägyptische Stromversorgung zerstörten.
Der Stromausfall veranlasste Nasser, die Feindseligkeiten für einige
Monate einzustellen; währenddessen wurden hunderte wichtige Ziele mit Verteidigungsverstärkungen versehen. Gleichzeitig verstärkte Israel seine Position an der Ostseite des Kanals durch den Bau
der Bar-Lev-Linie, einer Reihe von 35 Befestigungsanlagen in Nord-Süd-Richtung, die von Infanterieeinheiten besetzt waren.
Im Februar des Jahres 1969 eskalierte Nasser den Konflikt, indem er
den Waffenstillstandsvertrag vom November des Vorjahres für null und nichtig erklärte. Am 8. März begann die ägyptische Artillerie mit einem massiven Bombardement der Bar-Lev-Linie, an der sich
auch sowjetische MiG-21-Jagdgeschwader beteiligten. Dabei kam es zu hohen israelischen Verlusten.
Die israelische Armee antwortete mit Angriffen, die tief in
ägyptisches Gebiet reichten und schwere Schäden verursachten. Obwohl die ägyptischen Verluste viel höher waren als die israelischen, wich Nasser nicht von seiner aggressiven Taktik ab. Israel
konnte die eigenen hohen Verluste zwar einigermaßen kompensieren, war aber sehr an einer Beendigung der Angriffe interessiert.
Am 20. und 24. Juli bombardierte nahezu die gesamte israelische
Luftwaffe den nördlichen Kanalsektor und zerstörte mehrere Luftabwehrpositionen, einige Panzer und Artillerieeinheiten. Durch weitere Luftangriffe bis in den Dezember wurde die ägyptische
Luftabwehr praktisch vollständig zerstört. Der schwere Artilleriebeschuss konnte dadurch zwar reduziert werden, aber der Beschuss durch leichtere Waffen, insbesondere Mörser, wurde
fortgesetzt.
Ohne Luftverteidigung konnte sich die israelische Luftwaffe
unangreifbar im ägyptischen Luftraum bewegen und am 17. Oktober fügte sich die ägyptische Armee in die Niederlage. Daraufhin begannen Gespräche zwischen den Supermächten, die zum Rogersplan
führten, der am 9. Dezember veröffentlicht wurde. Er verlangte die ägyptische Verpflichtung zum Frieden im Austausch für einen israelischen Rückzug aus dem Sinai. Beide Seiten lehnten den Plan
vehement ab. Nasser hoffte stattdessen auf technisch ausgereiftere sowjetische Waffen, um den Bombardements der israelischen Luftwaffe widerstehen zu können. Die Sowjetunion lehnte es jedoch
anfangs ab, die gewünschten Waffen zu liefern.
Am 22. Januar 1970 flog Nasser heimlich nach Moskau, um die kritische
Situation zu diskutieren. Seiner Anfrage betreffs SAM-Batterien (einschließlich der 3M9 Kub und der Strela-2) wurde zwar bereitwillig entsprochen, aber für ihren Aufbau benötigte man
qualifiziertes Personal sowie starke Lufteinheiten, um sie vor israelischen Angriffen zu schützen. Erst die Drohungen Nassers, sich bei Ausbleiben dieser Personalhilfe den Amerikanern zuzuwenden,
ließen den sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew einwilligen. Das sowjetische Personal wuchs von 2.500-4.000 im Januar auf 10.600-12.150 am 30. Juni. Hinzu kamen 100-150 Piloten.
Die direkte Intervention der Sowjets, bekannt unter der Bezeichnung
Operation Kavkaz, erwies sich als problematisch für Israel. Washington befürchtete eine Eskalation und missbilligte Israels Bombenkampagne. Am 8. April wurde die ägyptische Grundschule "Bahr
il-Baqar" von der israelischen Luftwaffe bombardiert, wobei 47 Schulkinder ums Leben kamen. Daraufhin beendete Israel solche Angriffe und konzentrierte sich stattdessen auf Einrichtungen am
Kanal.
Damit erhielt Ägypten die Möglichkeit, seine SAM-Anlagen näher am
Kanal aufzubauen. Sowjetische MiG-Jäger stellten den notwendigen Luftraumschutz zur Verfügung. Am 18. April flogen 8 MiGs über die Kanalzone und wurden von zwei F-4-Phantom-Jagdbombern abgefangen
und abgeschossen. Die Piloten sprachen absichtlich über Funk Russisch, um die Israelis vor weitergehenden Schritten zu warnen.
Trotz starker Verluste konnten die sowjetischen und ägyptischen
Verteidigungseinrichtungen näher an den Kanal gebracht werden, ohne dass Israel das verhindern konnte. Die SAM-Batterien hätten es Ägypten erlaubt, seine Artillerieeinheiten zu bewegen, um die
Bar-Lew-Linie zu bedrohen. Im April 1970 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen, diesmal mit den USA als dem hauptsächlichen Verhandlungsführer. Am 7. August konnte ein Waffenstillstand
geschlossen werden. Er sollte für drei Monate bestehen und verbot es beiden Seiten, den militärischen Status quo innerhalb einer Zone von 50 Kilometern östlich und westlich der
Waffenstillstandslinie von 1967 zu verändern.
Trotz des Waffenstillstands verlegte Ägypten aber weiterhin
SAM-Einheiten in diese Zone, um sich für ein mögliches Ende des Waffenstillstands in eine bessere Position zu bringen. Bis Oktober waren schließlich 100 SAM-Anlagen in der Zone.
Nasser konnte seine „Befreiung des Kanals“ jedoch nicht mehr beenden,
denn er starb am 28. September an einem Herzanfall und Vizepräsident Anwar Sadat wurde sein Nachfolger.
Während des Krieges kamen 1.424 israelische Soldaten ums Leben und
über 3000 wurden verletzt. Die israelische Luftwaffe räumt den Verlust von 11 Flugzeugen ein. Die ägyptischen Opferzahlen, die jedenfalls viel höher liegen, sind nicht offiziell bekannt gemacht
worden. Der israelische Historiker Benny Morris behauptet in seinem Buch Righteous Victims, dass etwa 10.000 ägyptische Soldaten und Zivilisten ums Leben kamen, und meint, unter Berufung auf
Statistiken der israelischen Armee, dass 98 Flugzeuge abgeschossen wurden.
Beide Seiten erklärten sich jeweils selber zum Sieger. Ägypten reklamierte den Sieg für sich, weil die vorangegangenen Kriege in den Jahren 1948, 1956 und 1967 gegen Israel klar verloren wurden, diesmal jedoch keine Gebiete verloren wurden. Das israelische Establishment stellte in den Vordergrund, dass die ägyptische Offensive aufgehalten werden konnte und dass man es zudem nicht auf die Eroberung ägyptischer Territorien angelegt hatte. Außerdem ging man davon aus, Ägypten hätte nun eingesehen, dass es Israel nicht in einem konventionellen Krieg schlagen könne. Diese Meinung musste jedoch zumindest teilweise revidiert werden, denn Sadat begann fast sofort mit den Planungen für den Jom-Kippur-Krieg, der nur drei Jahre später folgte.
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