Die Erste Intifada (arabisch انتفاضة, DMG intifāḍa, „Aufstand“, von انتفض, DMG intafaḍa, „sich erheben“ oder „abschütteln“, hebräisch: אינתיפאדה intifada) war eine anhaltende gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und
der israelischen Armee, die im Dezember 1987 begann. Ab 1991 ging die Gewaltintensität deutlich zurück; die Oslo-Abkommen von 1993 stellen das Ende der ersten Intifada dar.
Die Ursachen für diesen palästinensischen Volksaufstand sind
vielfältig. Demografisch betrachtet gehörten beispielsweise die palästinensischen Zusammengefassten Fruchtbarkeitsziffern während der 1980er Jahre zu den höchsten weltweit. Es entwickelte sich
eine extrem junge Gesellschaft – so war nahezu die Hälfte der Palästinenser jünger als 15 Jahre und 70% unter 30. Zudem wurden das Westjordanland und der Gazastreifen seit 1967 durch Israel
besetzt. Eine ganze Generation wuchs unter der israelischen Besatzung ohne Bürgerrechte auf und gleichzeitig in dem Bewusstsein, dass der jahrzehntelange Kampf der PLO gegen Israel keinerlei
Verbesserung für die inner- und außerhalb der besetzten Gebiete lebenden Palästinenser gebracht hatte. Israel hatte die PLO-Führung ganz im Gegenteil während des Libanonkriegs 1982 ins tunesische
Exil gezwungen. Gleichzeitig nahmen soziale Probleme zu. Trotz sich stetig verbessernder Zugänge zu Bildungseinrichtungen – so wurde beispielsweise 1978 die Islamische Universität in Gaza
gegründet – nahm die Zahl der Erwerbslosen zu. Der enorme Ölpreisverfall 1986 führte dazu, dass sich die finanzielle Unterstützung der Golfstaaten für die Palästinensergebiete schlagartig
deutlich reduzierte, was in Anbetracht der katastrophalen Zustände gerade in den Flüchtlingslagern des Gazastreifens, wo es an Wohnraum und häufig an einer Kanalisation mangelt und wo die
Mehrzahl der Bewohner arbeitslos ist, eine dramatische Entwicklung war.
Israel versuchte derweil, die Besatzung als Segen für die
Palästinenser darzustellen – mit Verweis auf die Araber, die z.B. in Jordanien lebten. Unbestritten ist, dass es den Bewohnern der Westbank finanziell besser ging, jedoch waren die Israelis aber
auch Nutznießer, da sie durch die Behinderung der palästinensischen Industrie billige Arbeitskräfte und einen großen Abnehmermarkt erschlossen hatten. Auslöser der Intifada war der Zusammenstoß
eines israelischen Militärlastwagens mit zwei palästinensischen Taxen am 8. Dezember 1987. Dabei starben in der Nähe des Grenzübergangs Erez vier Palästinenser (wovon drei aus dem
Flüchtlingslager Dschabaliya stammten). In den Palästinensergebieten vermutete man einen Vergeltungsakt für einen kurz zuvor im Gazastreifen erstochenen Israeli. Es ging nämlich das Gerücht um,
der Fahrer des LKW sei ein Verwandter des Ermordeten. Die bereits 1986 in Hebron gegründete Hamas machte sich die Unruhen zu nutzen, übernahm die Führung und schürte Aufstände gegen israelische
Soldaten, in denen sich die aufgestaute Wut der palästinensischen Jugend auf den Besatzer entlud. Während der Begräbnisse der vier Toten im Gazastreifen kam es zu Massendemonstrationen und
Ausschreitungen. Im Gazastreifen und dem Westjordanland gingen die Palästinenser auf die Straßen, Kinder warfen Steine auf die israelischen Panzer und Autoreifen wurden in Brand
gesteckt.
Der Aufstand entstand für die PLO-Führung in Tunis völlig ungeplant
und ungesteuert. Von 1967 an lebten die Palästinenser zwar widerwillig aber kooperativ unter israelischer Militärverwaltung. Größere Widerstandsaktionen wurden der PLO im Ausland überlassen. Nun
wurde die Zusammenarbeit mit den Besatzern eingestellt und für die Welt anschaulich gemacht. Zum ersten Mal agierten die Palästinenser als eine Nation. Israel sollte spüren, was es bedeutet, die
sozioökonomischen Vorteile der Besatzung zu verlieren. Die zentralen Personen bei der Planung und Finanzierung der friedlichen Aktionen waren Faisal Husseini und Sari Nusseibeh (im Hintergrund).
Es gab verschiedene Arten von Streik:
Ein Kapitel der Intifada ist die Lynchjustiz unter den Palästinensern.
Personen, die mit der Besatzung zusammenarbeiteten, wurden fortan als Kollaborateure angesehen und grausamst verfolgt. Bürgermeister (alle von Israel ernannt) und Polizisten wurden ermordet. Der
Inlandsgeheimdienst Shin-Beth versuchte mit fragwürdigen Methoden (Zugeständnissen/Lizenzen, Geld aber auch Erpressung) Informanten zu gewinnen. Schon der Verdacht, ein Informant zu sein, war in
vielen Fällen das Todesurteil. Auf diese Weise sollen ca. 700 Personen umgebracht worden sein. Händler, die sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht an Streiks halten wollten, wurden mit Gewalt
dazu gezwungen ihre Geschäfte wieder zu schließen. Verantwortlich dafür waren vorwiegend Jugendliche (shabab), die durch die Straßen zogen und die Einhaltung der Streiks
überwachten.
Zuerst wurde versucht, die Streiks gewaltsam zu brechen. So öffneten
Soldaten die versperrten Geschäftslokale (arabische Geschäfte werden immer noch komplett mit Metalltüren verschlossen – auch die Schaufenster) gewaltsam durch Zerstören der Vorhängeschlösser, um
das Bild der ausgestorbenen Geschäftsstraßen zu beseitigen. Später ließ man den Palästinensern ihre Streiks, weil sie ohnehin eine Selbstschädigung waren.
Steinewerfern wurden von Soldaten die Arme und Beine gebrochen, ein
Videobericht davon schockierte die ganze Welt. Der israelische Verteidigungsminister Jitzchak Rabin hatte die Armee aufgerufen, mit "Macht, Kraft und Prügel" die Ordnung wieder
herzustellen und erhielt daraufhin in der arabischen Welt den Beinamen "Knochenbrecher". Ein Regierungssprecher hat nämlich erklärt, "wenn die Truppen seine [eines Steinewerfers] Hand brechen,
ist er für 1 1/2 Monate nicht mehr in der Lage, Steine zu werfen."
Im September 1988 wurden die Gummigeschosse eingeführt, wodurch die
Armee die Möglichkeit zum verstärkten Waffeneinsatz erhielt ohne unbedingt zu töten. Rabin: "Es ist unsere Absicht möglichst viele von ihnen zu verwunden ... Verletzungen zu verursachen ist
genau das Ziel der Verwendung der Plastikkugeln.
Im Sommer 1988 wurden von den Behörden 8.000 Oliven- und Obstbäume und
tausende Dunam Weizenfelder der Palästinenser verbrannt, als Reaktion zündeten die Palästinenser Wälder an.
Nicht bezahlte Kfz-Steuern wurden durch Ändern der Farbe der
Nummerntafeln eingetrieben. Eine neue Autonummer bekam nur der, der die offene Steuerschuld beglichen hatte. (Das Feld mit dem Buchstaben des Bezirks wurde von weiß auf orange geändert.) Steuern
und Wassergebühren wurden durch Pfändung von Hab und Gut (z.B. Ende 1989 in fast jedem Haushalt von Beth Sahur nahe Bethlehem) eingetrieben. Es wurden lang andauernde Ausgangssperren verordnet,
teils mit Abschaltung von Strom und Wasser.
Die Bewegungs- bzw. Fluchtmöglichkeit in den engen Gassen der Städte
wurde durch Sperren aus betongefüllten Tonnen eingeengt.
Die Armee übermalte die Parolen auf den Hauswänden oder hielt
Palästinenser dazu an.
Außerdem wurde die Schließung von Universitäten und Schulen, die sich
zu Brutstätten der Aufstände entwickelten, für lange Zeit angeordnet. Ende 1991 waren so ziemlich alle Bildungseinrichtungen, sogar Kindergärten aus "Sicherheitsgründen" geschlossen. So wurde die
palästinensische Jugend für zwei oder drei Jahre jeder Bildungsmöglichkeit beraubt.
Die Angehörigen von Todesopfern wurden gezwungen, die Begräbnisse ohne
Aufsehen in der Nacht durchzuführen, damit es zu keinen neuen Demonstrationen kam.
Es kam zu Massenverhaftungen und rigorosen Strafen für Delikte wie
"Hissen der PLO-Fahne". Gefangene wurden brutal misshandelt (Schläge in die Nieren, Magen, Hoden, ..., Zufügen von Brandwunden, Quälen mit Wasser und Sonne). Zahlreiche Frauen hatten während und
nach Verhören Fehlgeburten, vor allem nach dem Einsatz von Tränengas.
Die jüdischen Siedler, die bis dahin in den arabischen Städten eingekauft hatten, blieben den Zentren fern und erhielten in der Folge oft eigenen Zufahrtsstraßen abseits. Siedler, die mit Steinen beworfen wurden, schossen sofort zurück und führten auch ungestraft Racheaktionen an den Arabern durch.
Die Strafe der Hauszerstörung wurde exzessiv angewandt. Bis Ende 1991
wurden mehr als 300 Wohnungen zerstört oder versiegelt und 2.000 Personen obdachlos gemacht.
Der Aufstand kostete Israel monatlich 120 Mio. US-Dollar an Sicherheitsausgaben und 38 Mio. US-Dollar an indirekten wirtschaftlichen Schäden. Die israelischen Gegenmaßnahmen und die Golfkrise 1990–91 dämpften den Aufstand. Nach dem Zweiten Golfkrieg war Israel jedoch gezwungen, Verhandlungen mit der PLO aufzunehmen, zuerst geheim, dann offiziell. Die Erste Intifada brachte also schlussendlich die Autonomie. Aus den Widerstandskommitees entstanden neue Parteien und Organisationen u.a. auch die Hamas.
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