Dieser Artikel behandelt die historische hebräische Sprache. Zur
modernen hebräischen Sprache siehe Ivrit.
Hebräisch (עברית ‘Ivrit, hebräische Aussprache) gehört zur
kanaanäischen Gruppe des Nordwestsemitischen und damit zur afroasiatischen Sprachfamilie. Hebräisch ist die vereinfachte Bezeichnung für das Althebräische, von dem das modern-hebräische Ivrit,
die Amtssprache des Staates Israel, zu unterscheiden ist. (Alt-)Hebräisch wird meist als die Sprache eines tradierten religiösen Literaturkorpus (Altes Testament, Hebräische Bibel) und dessen
Folgetraditionen, dann als ‚Biblisch-Hebräisch‘, definiert; im Hebräischen wird dafür die Selbstbezeichnung sefat hathora ("Sprache der Thora") verwendet. Sprachwissenschaftlich gesehen
ist (Alt-)Hebräisch ein unter soziolinguistischem Gesichtspunkt eher marginales südkanaanäisches Dialektkonglomerat des 1. Jahrtausends v. Chr., das in einem Dialektkontinuum mit den
kanaanäischen Sprachen Moabitisch, Ammonitisch, Edomitisch, Ugaritisch, Phönizisch usw. stand. Die heilige Schrift der Juden, die hebräische Bibel, wurde im Laufe des 1. Jahrtausends v. Chr.
überwiegend in Hebräisch kodifiziert und den folgenden Generationen weitergegeben. Nach der Zerstörung des Ersten Tempels zu Jerusalem durch Nebukadnezar II. im Jahre 586 v. Chr. und dem darauf
folgenden babylonischen Exil kam die dortige Amtssprache Aramäisch unter den Juden in Umlauf; späte Teile der Bibel enthalten deshalb aramäische Bestandteile. Auch die Muttersprache Jesu von
Nazareth war Aramäisch. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels zu Jerusalem im Jahre 70 verlagerte sich das Zentrum jüdischen Lebens von Judäa nach Galiläa. Damit verbunden ging auch die
Verwendung der hebräischen Sprache zurück. Etwa ab dem Jahre 200 hörte Hebräisch auf, als Alltagssprache zu fungieren. Es blieb indessen eine Sakralsprache, wurde jedoch nie ausschließlich zu
liturgischen Zwecken benutzt, sondern auch zur Abfassung von philosophischen, medizinischen, juristischen und poetischen Texten, so dass sich das Vokabular im Laufe der Jahrhunderte erweitern
konnte. Es ist ebenfalls bezeugt, dass sich die verstreuten jüdischen Gemeinden zur Verständigung untereinander des Hebräischen bedienten. Die Erneuerung des Hebräischen als Muttersprache begann
im späten 19. Jahrhundert unter Elieser Ben-Jehuda. 1889 gründete er in Jerusalem den „Rat der hebräischen Sprache“, den Vorläufer der Akademie für die Hebräische Sprache, mit dem Ziel, die seit
etwa 1700 Jahren kaum mehr gesprochene Sprache der Bibel wiederzubeleben.
Auf diesem Wege entstand eine neuhebräische Muttersprache (Ivrit),
deren Unterschiede zum biblischen Hebräisch recht gering sind – etwa im Vergleich mit den Unterschieden zwischen Altgriechisch und Neugriechisch –, so dass in Israel gar nicht zwischen Alt-
und Neuhebräisch unterschieden wird. Das moderne Hebräisch ist eine Wiederbelebung des Entwicklungsstandes der Sprache, den die Masoreten von Tiberias mit ihrer Vokalisation fixiert hatten.
Einige althebräische Formen werden zwar in Israel verstanden, aber in der Alltagssprache nicht verwendet (z. B. Pausalformen) oder haben heute eine andere Bedeutung (Zeitformen des Verbs).
Jedenfalls ist Ivrit weltweit das einzige Beispiel für die erfolgreiche Umwandlung einer Sakralsprache zu einer Nationalsprache. Dies wurde von David Ben Gurion, dem ersten Ministerpräsidenten
des neuzeitlichen Staates Israel, mit folgendem Ausspruch erläutert: „Wenn Moses heute zurückkäme und um ein Stück Brot bäte, verstünde man ihn".
Man unterscheidet drei Entwicklungsstufen: Alt-, Mittel- und
Neuhebräisch.
Das Althebräische ist aufs Engste mit dem Phönizischen (Punischen)
verwandt; die meisten modernen Linguisten behandeln beide als ein und dieselbe Sprache. Der älteste bekannte hebräische Text ist der auf eine Tontafel niedergeschriebene Gezer-Kalender von 925 v.
C. der heute in Istanbul ausgestellt wird.
Die Juden im Perserreich benutzten Aramäisch, das für die folgenden
700 Jahre zur Umgangssprache wurde und vor allem in der Bibelübersetzung Targum und im Talmud literarisch verwendet wurde. Aramäisch gehört ebenfalls zum nordwestlichen Zweig der semitischen
Sprachen und ist somit dem Hebräischen sehr nahe verwandt. In der mittelhebräischen Phase wurden zahlreiche aramäische Ausdrücke und Redewendungen ins Hebräische übernommen, vor allem aber
die aramäische Schrift, die als Quadratschrift bis heute in Gebrauch ist, während die Aramäer die Schrift weiter entwickelten (zu verschiedenen Kursiven, die wie eine Vorstufe der arabischen
Schrift anmuten).
Das berühmteste Werk in mittelhebräischer Sprache ist die jüdische
Bibel, der Tanach (im christlichen Sprachgebrauch Altes Testament genannt). Die genauen Daten ihrer Abfassung sind umstritten. Die ältesten bisher bekannten Exemplare von biblischen Texten sind
die Schriftrollen vom Toten Meer. Sie wurden 1947 in Qumran gefunden und stammen aus der Zeit zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem späten 1. Jahrhundert n. Chr.
Während etwa zwei Jahrtausenden war Hebräisch keine gesprochene
Sprache. In der traditionellen jüdischen Ausbildung, beginnend im Cheder und fortgesetzt in den Talmud-Hochschulen, wurde jedoch viel Zeit darauf verwendet, um Thora, Mischna, Gemara und
rabbinische Kommentare im Original lesen zu können. Der wichtigste Beitrag zur Erhaltung des traditionellen Hebräisch stammt von den Masoreten, die vom 7. bis zum 10. nachchristlichen Jahrhundert
zum ursprünglich rein konsonantischen Text Vokale, Akzente und so genannte Teamim hinzufügten, das heißt Angaben zum liturgischen Gesang im Gottesdienst. Da die entsprechenden Zeichen
hauptsächlich aus Punkten bestehen, spricht man von „Punktation“ (hebr. „Nikud“). Die bedeutendsten Masoreten wirkten im 9./10. Jahrhundert n. Chr. in Tiberias am See Genezareth. Vor allem zwei
Familien von Masoreten sind hier bedeutsam: die Ben Ascher und die Ben Naftali. Nachdem bereits vorher in Babylonien wie in Palästina Texte punktiert worden waren, schuf Aaron ben Mosche ben
Ascher das ausführlichste und gründlichste Punktationssystem, das sich schließlich durchsetzte. Der allgemein anerkannte jüdische hebräische Bibeltext, der seit dem 16. Jahrhundert auch von
christlichen Theologen der exegetischen Arbeit am Alten Testament zu Grunde gelegt wird, geht auf die Familie Ben Ascher zurück. In der Biblia Hebraica Stuttgartensia ist der masoretische Text
nach der ältesten vollständigen Handschrift dieser Textform, dem Codex Leningradensis abgedruckt. Die Arbeiten von Paul Kahle zu verschiedenen masoretischen Systemen und der Vergleich mit
griechischen Umschriften des Hebräischen in der Septuaginta und der Hexapla des Origenes haben gezeigt, dass die Masoreten von Tiberias in ihrer Punktation nicht von der gängigen Volkssprache
ausgingen, sondern zum Teil ein ideales philologisches Konstrukt schufen, das vor allem religiösen Bedürfnissen genügen sollte.
Siehe Hebräisches Alphabet.
In der althebräischen Grammatik werden zur Unterscheidung von Subjekt
und Objekt keine Fälle verwendet, sondern Präpositionen. Flexion spielt jedoch eine wichtige Rolle bei der Bildung und Ableitung von Verben, Substantiven, der Genitivkonstruktion Status
constructus, die auf Hebräisch Smichut (סְמִיכוּת - „Stützung“) genannt wird, und dem
Besitzverhältnis.
Beispiele für Smichut:
bájit (בַּיִת) = Haus; lechem (לֶחֶם) = Brot; bēt lechem (בֵּית־לֶחֶם) = Haus des Brotes (Bethlehem). Hierbei tritt, je nach
Genus und Numerus, meist eine Veränderung der Vokalisation ein.
In der Smichut wird der Artikel, im Gegensatz zu den Indogermanischen
Sprachen, vor das letzte Substantiv-Attribut eingeschoben:
alijá (עֲלִיָּה) = Einwanderung; nó`ar (, נוֹעַר, נֹעַר) = Jugend; aliyát hanó`ar (עֲלִיַּת הַנּוֹעַר) = die Einwanderung von
Jugendlichen.
Das Besitzverhältnis kann (insbesondere im Neuhebräischen) durch eine
Kurzform und eine längere Form wiedergegeben werden. Die Kurzform besteht in der Anhängung einer persönlichen Nachsilbe (wie sie im Althebräischen ausgedrückt wird), die längere Form durch
Ableitungen der Präposition שֶׁל schel („von“). Die Präposition schel wiederum ist selbst zusammengesetzt aus zwei
Bestandteilen: Dem Reflexivum שֶׁ... sche und der Präposition לְ... le, was soviel bedeutet wie bei. Beispiel:
Sohn = בֵּן ben
mein Sohn = בְּנִי bni bzw. הַבֵּן שֶׁלִּי habén schelí (wörtlich „der Sohn, der bei mir (ist)“). Das Reflexivum שֶׁ... ist hier eine Kurzform des vor allem im Althebräischen
vorkommenden „אֲשֶׁר“ (aschēr), welches dem deutschen „der-/die-/dasjenige,
der/die/das...“ übersetzt wird.
Dass die hebräische Schrift eine Konsonantenschrift ist, kommt nicht von ungefähr: In der hebräischen Sprache besteht ein Wortstamm nur aus Konsonanten. Die verschiedenen abgeleiteten Formen entstehen durch Hinzufügung unterschiedlicher Vokale sowie mit Hilfe von Vor- und Nachsilben.
Die hebräische Sprache kennt zwei grammatikalische Geschlechter bzw.
Genera: männlich und weiblich. Weibliche Substantive und Namen enden meistens mit ...a (... ָ ה) oder ...t (...ת). Beispiel: Sarah (שָׂרָה), `Ivrith (עִבְרִית). Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen, beispielsweise
endet das Wort „lájla“ (לַיְלָה - Nacht) mit dem Buchstaben „He“ und ist trotzdem
grammatikalisch männlich. Es können auch weibliche Nomen männliche Endungen tragen.
Betont wird meistens die letzte Silbe, in einigen Fällen auch die vorletzte Silbe, bei Fremdwörtern auch andere Silben (אוּנִיבֶרְסִיטָה univérsita „Universität“). Die Betonung ist (im Neuhebräischen) schwach phonemisch, es gibt also gelegentlich Wortpaare, die sich nur durch die Betonung unterscheiden (בִּירָה birá „Hauptstadt“, בִּירָה bíra „Bier“). Manche Personennamen können auf zweierlei Weise betont werden und erhalten dadurch einen jeweils unterschiedlichen emotionalen Beiklang.
Hebräische Substantive und Adjektive können mit dem bestimmten
Artikel הַ... „ha” definiert werden. Unbestimmte Substantive bzw.
Adjektive tragen gar keinen Artikel. Der bestimmte Artikel wird zusammen mit dem zugehörigen Wort geschrieben. Beispiel: נוֹעַר no`ar = Jugend, הַנּוֹעַר hano`ar = die Jugend. Wird der Artikel angehängt, erhält der folgende Konsonant meist
einen Punkt („Dagesch forte”), der anzeigt, dass weiche Konsonanten hart ausgesprochen werden sollen.
Außer im Bibelhebräischen verfügen hebräische Verben über drei Tempora: Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart. Streng genommen sind aber nur Vergangenheit und Zukunft echte Konjugationen mit Formen für die 1., 2. und 3. Person im Singular und Plural, während für die Gegenwart das Partizip verwendet wird. Hier hat jedes Verb wie das hebräische Adjektiv vier Formen: Maskulinum Singular, Femininum Singular, Maskulinum Plural, Femininum Plural. Die Person wird durch Hinzufügen des Personalpronomens angezeigt. Ein Beispiel für die Bildung des Partizips:
כּוֹתֵב אֲנִי-אַתָּה-הוּא (aní, atá, hu) kotév |
(ich, du, er) [m.] schreibe, schreibst, schreibt (wörtl.: bin, bist, ist ein Schreibender) |
כּוֹתֶבֶת אֲנִי-אַתְּ-הִיא (aní, at, hi) kotévet |
(ich, du, sie) [f.] schreibe, schreibst, schreibt (wörtl.: bin, bist, ist eine Schreibende) |
כּוֹתְבִים אֲנַחְנוּ-אַתֶּם-הֵם (anáchnu, atém, hem) kotvím |
(wir, ihr, sie) [m.] schreiben, schreibt, schreiben (wörtl.: sind, seid, sind Schreibende) |
כּוֹתְבוֹת אֲנַחְנוּ-אַתֶּן-הֵן (anáchnu, atén, hen) kotvót |
(wir, ihr, sie) [f.] schreiben, schreibt, schreiben (wörtl.: sind, seid, sind Schreibende) |
Im Althebräischen ist eine klare Trennung zwischen „Gegenwart”,
„Vergangenheit” und „Zukunft” nicht möglich. Beim finiten Verb werden zwei Aktionsarten unterschieden, verteilt auf zwei Konjugationen, die traditionell "Perfekt" und "Imperfekt" genannt
werden:
Perfekt = abgeschlossene, konstatierbare Handlung (im nachbiblischen Hebräisch: Vergangenheit)
Imperfekt = unabgeschlossene, ausstehende Handlung (im nachbiblischen Hebräisch: Zukunft)
Darüber hinaus gibt es im Bibelhebräischen zwei Ableitungen dieser
Konjugationen, die deren Sinn ins Gegenteil verkehren:
Imperfectum Consecutivum = abgeschlossene, konstatierbare Handlung
Perfectum Consecutivum = unabgeschlossene,
ausstehende Handlung
Die jeweilige Consecutivum-Form unterscheidet sich von der Normalform
des Perfekts oder Imperfekts dadurch, dass die Kopula „und“ vorangestellt wird. Im Falle des Imperfectum Consecutivum wird zudem der nachfolgende Konsonant verdoppelt (hebr. מְדֻגָּשׁ, m'duggash), und die Betonung
verlagert sich oft auf die erste Silbe. Im Imperfectum Consecutivum werden auf der vorletzten Silbe betonte Perfekt-Formen endbetont. Wegen des vorgeschalteten "und" können Consecutivum-Formen
immer nur am Anfang des Satzes oder Halbsatzes stehen; kein anderer Satzteil, auch keine Verneinung darf vorgeschaltet werden.
Moderne Grammatiken haben die traditionellen Bezeichnungen "Perfekt"
und "Imperfekt" aufgegeben, da diese versuchen, die Aktionsart inhaltlich zu beschreiben, was an der jeweiligen Consecutivum-Variante scheitert. Das Perfectum Consecutivum beschreibt gerade keine
"perfekte", abgeschlossene Handlung, sondern im Gegenteil eine "imperfekte", unabgeschlossene. Also ist der Terminus "Perfekt" ungenau. Das Gleiche gilt analog für "Imperfekt". Die neuen
Bezeichnungen beschreiben nicht mehr den Inhalt, sondern allein die äußerliche Form: Das Perfekt heißt nun Affirmativ-Konjugation (abgekürzt: AK) und das Imperfekt Präformativ-Konjugation (PK).
AK weist darauf hin, dass alle Formen dieser Konjugation (bis auf eine) eine Endung haben, also ein Affix oder Affirmativ (sg.: kataw-ti, kataw-ta, kataw-t, kataw, katew-a; pl.: kataw-nu,
ketaw-tem, ketaw-ten, katew-u); PK weist auf das Präfix oder Präformativ, die Vorsilbe, hin, die alle Formen dieser Konjugation erhalten (sg.: e-chtow, ti-chtow, ti-chtew-i, ji-chtow, ti-chtow;
pl.: ni-chtow, ti-chtew-u, ti-chtow-na, ji-chtew-u, ti-chtow-na). Die Consecutivum-Formen werden AK bzw. PK mit Waw conversivum, also umkehrendem Waw, genannt. Der Buchstabe Waw steht für die
Kopula "und", die im Hebräischen mit diesem Buchstaben geschrieben wird. PK mit Waw conversivum (Imperfectum Consecutivum) ist das typische Erzähltempus der biblischen Texte und wird daher auch
Narrativ genannt.
Die Funktion des Waw conversivum ist einzig für das Bibelhebräische
belegt und findet in anderen semitischen Sprachen, etwa dem Arabischen oder Aramäischen, keine Entsprechung.
Die Grundlage zur Ableitung sämtlicher Konjugationsformen ist die "Wurzel" (Wortstamm), die sich aus den Konsonanten zusammensetzt, die in allen oder den meisten Formen des Verbes und seiner Ableitungen vorkommen. Beim hebräischen Verb für "schreiben" sind das: כָּתַב, also "k-t-w". Je nachdem, welche Form gebildet werden soll, werden die für die Form typischen Vokale dazwischengesetzt; in vielen Formen kommen außerdem konjugationstypische Vor- und/oder Nachsilben hinzu (vgl. die oben aufgeführten Formen des Partizips und von AK und PK). Demnach findet Konjugation im Hebräischen wie in allen semitischen Sprachen vor, in und nach dem in der Regel rein konsonantischen Wortstamm statt; die meisten Wurzeln bestehen aus drei Konsonanten. Dagegen besteht der Wortstamm in den europäischen Sprachen aus Vokalen und Konsonanten, die in allen Formen unverändert bleiben, vgl. "sag" in "sagen", "sage", "sagtest", "gesagt" usf.; Konjugation findet vor und/oder nach dem Stamm statt. (Ausnahmen bilden nur die unregelmäßigen Stämme, etwa "schreib", das in manchen Formen zu "schrieb" wird, oder "geh", das zu "ging" oder "gang" werden kann.)
Neben AK, PK und Partizip kennt das Hebräische Infinitiv- und
Imperativformen. Vorvergangenheit und Futur II sind dagegen unbekannt. Auch gibt es nahezu keine spezifischen Modalformen (Konjunktiv); sie sind fast immer mit PK identisch (oder durch
geringfügige Veränderung hiervon abgeleitet).
Anders als etwa lateinische oder deutsche Verbstämme können hebräische
Wurzeln nach mehreren Mustern konjugiert werden, z.B. als "Intensivstamm" oder "Kausativ". Es gibt also abgesehen von den als AK und PK bezeichneten Konjugationen, die Aktionsart oder Tempus
bezeichnen, weitere Konjugationen, von denen jede ein eigenes AK und PK sowie Infinitive und Imperative bildet. Durch diese zusätzlichen Konjugationen (Intensivstamm, Kausativ) wird die
Grundbedeutung der Wurzel variiert; sie sind das wichtigste Instrument bei der Bildung neuer Wörter und überaus produktiv. Im Folgenden drei Beispiele für Infinitive der Wurzel "k-t-w" in
verschiedenen Konjugationen:
Die Konjugationen sind darüber hinaus die Grundlage vieler Substantivbildungen, etwa:
(Der Wandel von k zu ch in manchen der erwähnten Formen ist eine
im Hebräischen gängige Lautverschiebung und kommt bei der Flexion vieler Wörter vor; tatsächlich wird in hebräischer Schrift der selbe Buchstabe geschrieben.)
In den Jahrhunderten der Diaspora verwendeten die Juden zahlreiche
Sprachen wie Jiddisch, Ladino bzw. Judezmo, Karaimisch, Judäo-Arabisch und andere, die zwar nicht direkt vom Hebräischen abstammen, jedoch zahlreiche hebräische Lehnwörter aufweisen und fast
stets mit dem hebräischen Alphabet notiert wurden. Weiterhin existieren einige Sprachen sozialer Gruppen (Soziolekte) mit deutlichem hebräischen Einfluss (zumeist sekundär über das Jiddische),
zum Beispiel Rotwelsch und Jenisch.
Bis zum heutigen Tag werden biblische Zitate und Anspielungen in der
Alltagssprache verwendet, zumindest in gläubigen Milieus. Die Verse des Hoheliedes sind in unzähligen Varianten vertont worden; beim Eintritt des Frühlings wird oftmals Kapitel 2, Vers 11
zitiert: „Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei, die Blumen zeigen sich im Lande.“
Durch die Bibelübersetzung von Martin Luther sind zahlreiche Ausdrücke
und Redewendungen mit biblischem Hintergrund in die deutsche Sprache aufgenommen worden. Beispiele: sicher wie in Abrahams Schoß, Jubeljahr, Kainsmal.
Vornamen hebräischen Ursprungs sind weit verbreitet: Achim, Benjamin,
Daniel, David, Hanna, Jakob, Joachim, Joel, Johann, Johanna, Jonas, Jonathan, Joseph, Judith, Maria, Michael, Miriam, Rebekka, Samuel, Sarah und viele andere.
Einige hebräische Wörter sind über das Jiddische in die deutsche
Sprache gelangt, z. B. Tacheles aus hebr. tachlit = Zweck, Sinnvolles, meschugge aus meshugá = verrückt/übergeschnappt, malochen aus melacha = Arbeit,
koscher aus kascher = rein, tauglich, dufte wahrscheinlich aus tov = gut, betucht eventuell aus batuach = sicher, Stuss aus schtut =
Unsinn. Auch zahlreiche Redewendungen haben möglicherweise einen hebräischen Ursprung. Zum Beispiel gilt der Gruß zum Jahreswechsel Einen guten Rutsch als Verballhornung des hebräischen
Rosch ha-Schana = Anfang des Jahres. Auch der Ausdruck Es zieht wie Hechtsuppe kann auf einen hebräischen Ursprung (hech suppa = starker Wind) zurückgeführt
werden.
Aus historischen Gründen befinden sich viele Wörter aus dem
Geschäftsleben darunter. Da den Juden im christlichen Europa jahrhundertelang kaum andere Erwerbsquellen erlaubt wurden als Handel oder Geldwesen, sind diese Gebiete wichtige sprachliche
Schnittstellen. Hierher gehören die Ausdrücke Kies im Sinne von (Taschen)geld aus kis = Tasche; Pleite aus peleta = Flucht, Entkommen; Reibach aus rewach
= Gewinn, oder Ausdrücke der Kriminalität z. B. Ganove (von hebräisch ganav = Dieb).
Bei der Schaffung von Ivrit seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden aus den meisten europäischen Sprachen Ausdrücke entlehnt. Die modernen Monatsnamen in Israel entsprechen den deutschen Bezeichnungen: Januar, Februar, März usw. Die einzige Abwandlung ergibt sich beim Monat August, der Ogust ausgesprochen wird, da die Vokalverbindung au im Hebräischen ungewöhnlich ist. Die Neubildung iton (Zeitung) aus et = Zeit basiert auf dem deutschen Wort. Das Deutsche als Bildungssprache in Osteuropa spielte indirekt auch bei der Belebung des Hebräischen in Palästina durch die mittel- und osteuropäischen Zionisten eine nicht unbedeutende Rolle, insbesondere bei der Erweiterung des Wortschatzes. Auch das umgangssprachliche Hebräisch hat etliche deutsche bzw. jiddische Ausdrücke aufgenommen, z. B. „spritz“, „Schluck“, „Spitz“, "Wischer" (für Scheibenwischer) etc. Auch im handwerklichen Sektor finden sich einige deutsche Ausdrücke, wie bspw. „Stecker“ oder „Dübel“, welcher allerdings – aufgrund des im Hebräischen fehlenden Ü-Lautes – „Diebel“ ausgesprochen wird.
Modernes Hebräisch (hebräisch עברית Iwrit, auch Iwrith oder Ivrit(h)) ist die bewusst geplante Weiterentwicklung des Alt- und Mittelhebräischen durch Sprachausbau und der
bisher einzige gelungene Versuch, eine kaum noch mündlich gebrauchte, als Muttersprache ausgestorbene Sprache wiederzubeleben und zu einer universal gebrauchten, modernen Standardsprache zu
machen.
Im hebräischen Sprachgebrauch wird bei der Eigenbezeichnung der Sprache keine Unterscheidung zwischen Althebräischem und
Modernem Hebräisch getroffen. Im Deutschen steht Ivrit stets für Modernes Hebräisch.
Ivrit gehört zu den semitischen Sprachen, die wiederum zur Familie der afroasiatischen Sprachen gehören. Sie ist neben Arabisch Amtssprache Israels.
Zur Vorgeschichte siehe Hebräisch.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen Versuche, das fast nur noch in der Liturgie verwendete Hebräische als Alltagsidiom
wiederzubeleben und den Wortschatz zu erweitern, um so eine Sprache für den noch zu gründenden jüdischen Staat zu schaffen. Sowohl Wortschatz als auch Grammatik wurden des öfteren an die Muster
europäischer Sprachen angeglichen. Trotz allem sind die Unterschiede zwischen Althebräisch und Modernem Hebräisch viel weniger bedeutend als zum Beispiel zwischen Altgriechisch und Neugriechisch
(siehe griechische Sprache). Als Gegenbewegung zur Assimilation der osteuropäischen Juden, in deren Zuge viele Juden Russisch, Polnisch oder Deutsch zur Umgangssprache machten, bemühten sich
viele Juden um eine Aufwertung und Literarisierung des Jiddischen; andere schrieben weltliche Texte auf Hebräisch und sprachen mit ihren Kindern von Anfang an Hebräisch, wie es etwa Elieser
Ben-Jehuda vorlebte. Er wanderte nach Jerusalem aus und schlug Wörter für Dinge vor, die es noch nicht gab, als der Talmud abgefasst wurde; so wurde er zum „Vater des Hebräischen“ in
Israel.
Mit der Einwanderung der arabisch sprechenden orientalischen Juden ab 1948, dem Jahr der Staatsgründung, gewann das Moderne
Hebräisch zusätzlich etwas von seinem ursprünglichen semitischen Charakter zurück.
1921 wurde Hebräisch im britischen Mandatsgebiet Palästina eine der drei Landessprachen. Seit der Gründung des Staates Israel
1948 ist es dort zusammen mit Arabisch Amtssprache und hat sich als moderne, funktionsfähige Standardsprache bewährt.
Wichtig bei der Umformung der früheren Sakralsprache zu einer Amtssprache war vor allem die Schaffung von umgangssprachlichen
Ausdrücken. Viele solcher Ausdrücke wurden zunächst vor allem aus dem Russischen und dem Arabischen übernommen. Auch aus anderen Sprachen, wie zum Beispiel Englisch, Deutsch, Jiddisch und
Französisch, wurden Wörter entlehnt.
Eine weitere wichtige Rolle bei der Erweiterung des Vokabulars des modernen Hebräisch spielten Übersetzungen aus der
Weltliteratur, die vor allem von Saul Tschernichowski und Zeev Jabotinsky verfasst wurden.
Andere jüdisch geprägte Sprachen und Dialekte drohen mangels Muttersprachlern auszusterben. Dies gilt weniger für das dem
Deutschen verwandte Jiddisch, das unter orthodoxen jüdischen Gruppen – besonders solchen, die den säkularen Zionismus ablehnen – noch recht gebräuchlich ist, sondern eher für andere Sprachen wie
die sephardische Sprache (auch Judäo-Spanisch oder Ladino), Jüdisch-Persisch beziehungsweise Dschidi, Jüdisch-Berberisch, Jüdisch-Tatisch, Jüdisch-Georgisch, Jüdisch-Aramäische Dialekte,
Jevanisch beziehungsweise Jüdisch-Griechisch, Karaimisch und weitere. Nachdem Theodor Herzl von der Vorstellung ausgegangen war, die Einwohner eines künftigen jüdischen Staates würden Deutsch
sprechen, gab es in den 1930er-Jahren im britischen Mandatsgebiet Palästina auch Überlegungen, Jiddisch zur Staatssprache zu machen. Schließlich entschied man sich aber – nicht zuletzt aus
historischen Überlegungen – für das Hebräische, was sich vor allem auch für die orientalischen Juden als hilfreich herausstellte.
Der Hebräische Sprachrat in Palästina hatte Anfang des 20. Jahrhunderts eine Aussprache mit 25
Konsonantenphonemen vorgeschlagen: /ʔ, b, w, ɡ, d, h, z, ħ, ts, j, k, x, l, m, n, s,
ʕ, p, f, ts, q, r, ʃ, t/ und /θ/, doch selbst Ben-Jehuda hielt sich nicht an das entsprechende Rundschreiben. Es kristallisierte sich eine Aussprache mit etwas anderen
Konsonantenphonemen heraus (insgesamt 24): /ʔ, b, v, ɡ, dʒ, d, h, w, z, ʒ, x, j, k, l, m, n, s, p,
f, ts, tʃ, r, ʃ/ und /t/, wobei die Phoneme /ʔ, v, x, t, k, s/
jeweils die Aussprache von zwei verschiedenen Buchstaben sein können. Bei einigen sephardischen Juden kamen dazu noch /ħ/ und /ʕ/.
In der historischen Aussprache des Hebräischen hatten sechs Konsonanten spirantisierte Formen: /b, ɡ, d, k, p/ und /t/ wechselten mit /v, ɣ, ð, x, f/ und /θ/. Von den spirantisierten Varianten sind im Modernem Hebräisch nur drei erhalten: /v, x/ und /f/. Die emphatischen Konsonanten, die für die semitischen Sprachen typisch sind, wurden durch nicht-emphatische Varianten ersetzt; /q/ wurde durch /k/ ersetzt und /ts/ durch /t/. Der historische Halbvokal /w/ fiel mit dem Konsonanten /v/ zusammen; /w/ existiert jedoch als Phonem in Lehnworten. Die Standardaussprache von /ħ/ ist nun /x/, und /ʔ/ wird meist nicht realisiert. Viele Sprecher ersetzen auch /h/ durch /ʔ/ bzw. es entfällt. Eine Reihe von phonologischen Kontrasten wurde also neutralisiert. Das Phonem /r/ wird in der Regel als uvulares [ʁ] oder [ʀ] realisiert.
Schematische Darstellung der Konsonantenphoneme:
stimmlose Plosive |
p |
t |
k |
ʔ |
|
stimmhafte Plosive |
b |
d |
ɡ |
||
stimmlose Frikative |
f |
s |
ʃ |
x |
h |
stimmhafte Frikative |
v |
z |
ʒ |
||
Affrikate |
dʒ |
ts |
tʃ |
||
Nasale |
m |
n |
|||
Vibrant |
r |
||||
lateraler Frikativ |
l |
||||
Approximant |
w |
j |
/ʤ/,
/w/, /ʒ/ und /ʧ/ kommen in Lehnwörtern vor.
Auch der Vokalismus wurde radikal vereinfacht. Modernes Hebräisch hat fünf Vokalphoneme: /a, e, i, o/ und /u/.
In einer „akademischen“ Standardaussprache wie z.T. im Rundfunk werden zumindest theoretisch die Phoneme /ħ/ und
/ə/ sowie z.T. auch /ʕ/ erhalten und /r/ wird als Zungen-r ([r]) ausgesprochen.
Die hebräische Schrift ist eine Konsonantenschrift. Trotzdem werden sogenannte Halbvokale (bzw. Vokalträger) oft
zur Bezeichnung (ursprünglich) langer Vokale benutzt (als sog. mater lectionis). Vokalträger sind in diesem Zusammenhang Waw (ו) und Jod (י). Das Jod
fungiert als Träger für das i, Waw für das „u“ oder „o“. Aleph drückt den sogenannten Knacklaut aus, dieser wird aber in der heutigen Aussprache nicht mehr deutlich gemacht; im Gegensatz zum
Arabischen. Heh (ה) dient auch zur Bezeichnung der Femininendung „-a“, wobei das „Heh“
nicht gesprochen wird.
Im heutigen Ivrit wird wie im Spanischen kein Unterschied zwischen langen und kurzen Vokalen gemacht, so dass heute die
Vokalträger auch kurze, oder genauer „nicht-lange“ Vokale bezeichnen können.
Der Gebrauch von Halbvokalen zur Vokalbezeichnung ist heute ausgedehnter als im Klassischen Hebräisch. So ist
etwa die traditionelle Schreibung des Wortes mila (älter millah) „Wort“ מלה (m-l-h, ohne Bezeichnung des Vokals i), doch zieht man heutzutage meist die längere Schreibung מילה (m-y-l-h, mit Andeutung des i durch y) vor. De facto werden heute die Vokale i, o und
u unabhängig von ihrer ursprünglichen Kürze oder Länge in den meisten Fällen durch eine mater lectionis wiedergegeben. Viele Wörterbücher (auch gängige hebräisch-deutsche Wörterbücher)
registrieren die Einträge allerdings noch unter der traditionellen Form, was Lernern Probleme beim Auffinden der Wörter bereiten kann.
Ohne Vokale |
Mit Vokalen |
Deutsch |
כל בני האדם נולדו בני חורין ושווים בערכם ובזכויותיהם. כולם חוננו בתבונה ובמצפון, לפיכך חובה עליהם לנהוג איש ברעהו ברוח של אחווה. |
כֹּל בְּנֵי הָאָדָם נוֹלְדוּ בְּנֵי חוֹרִין וְשָׁוִים בְּעֶרְכָּם וּבִזְכֻיּוֹתֵיהֶם. כֻּלָּם חוֹנְנוּ בַּתְּבוּנָה וּבְמַצְפּוּן, לְפִיכָךְ חוֹבָה עֲלֵיהֶם לִנְהֹוג אִישׁ בְּרֵעֵהוּ בְּרוּחַ שֶׁל אַחֲוָה. |
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen. |
Das hebräische Alphabet (hebräisch: אָלֶף־בֵּית עִבְרִי alef-bet ivri) ist das Alphabet des
antiken und modernen Hebräisch sowie des biblischen und talmudischen Aramäisch. Daneben wurden und werden teilweise auch andere hauptsächlich von Juden gesprochenen Sprachen oder Sprachformen
damit geschrieben, zum Beispiel Jiddisch und Ladino. Hebraica bedeutet Studium und Sammlung von Werken, die im hebräischen Alphabet notiert sind.
Buchstabe |
Heutige Aussprache |
Umschrift |
Name |
Zahlenwert |
|
Druckschrift |
Handschrift |
||||
א |
ʔ |
‘ |
Aleph |
1 |
|
ב |
b/v |
b |
Beth |
2 |
|
ג |
g |
g |
Gimel |
3 |
|
ד |
d |
d |
Daleth |
4 |
|
ה |
h |
h |
He |
5 |
|
ו |
v |
w |
Waw |
6 |
|
ז |
z |
z |
Sajin |
7 |
|
ח |
χ |
ḥ |
Chet |
8 |
|
ט |
t |
ṭ |
Tet |
9 |
|
י |
j |
j |
Jod |
10 |
|
ך כ |
k/χ |
k |
Kaph |
20 |
|
ל |
l |
l |
Lamed |
30 |
|
ם מ |
m |
m |
Mem |
40 |
|
ן נ |
n |
n |
Nun |
50 |
|
ס |
s |
s |
Samech |
60 |
|
ע |
ʔ (seltener ʕ) |
‘ |
Ajin |
70 |
|
ף פ |
p/f |
p |
Pe |
80 |
|
ץ צ |
z |
ṣ |
Tzade |
90 |
|
ק |
k |
q |
Qoph |
100 |
|
ר |
ʁ |
r |
Resch |
200 |
|
ש |
s/ʃ |
ś, š |
Sin, Schin |
300 |
|
ת |
t |
t |
Taw |
400 |
Die hebräische Sprache wurde ursprünglich mit der aus der phönizischen Schrift abgeleiteten althebräischen
Schrift geschrieben. Die Buchstabenformen entstanden aus Bildsymbolen, mit denen später der Anfangslaut des jeweiligen Symbols assoziiert wurde (Beispiel: ב, ein um 90° gedrehtes Haussymbol:
– hebräisch בית
[bajit] „Haus“). Älteste Belege für diese Schrift sind drei beschriftete Pfeilspitzen aus dem 12. Jahrhundert v. Chr. Der Samaritanische
Pentateuch wird bis heute in dieser altertümlichen Schrift geschrieben. Auch in den Schriftrollen vom Toten Meer findet sich gelegentlich diese Schrift, v.a. zur Bezeichnung des Gottesnamens.
Diese Schriftform wurde von den Rabbinern im 2. Jahrhundert als für heilige Texte unbrauchbar erklärt. An ihrer Stelle legten die Rabbinen die bis heute übliche, nach dem babylonischen Exil aus
dem jüdisch-aramäischen Duktus entwickelte hebräische Buchschrift oder Quadratschrift als einzig kanonisch geltend fest. Daneben existiert noch eine halbkursive Kanzleischrift und eine reine
Kursivschrift.
Die hebräische Schrift wird von rechts nach links geschrieben und gelesen. Eine Unterscheidung von Groß- und Kleinschreibung
existiert nicht, allerdings erhalten fünf der Buchstaben am Wortende eine besondere Form, die in der Tabelle rechts neben der Standardform erscheint.
Alle Buchstaben sind Konsonanten, allerdings werden vier davon neben ihrer konsonantischen Bedeutung auch dazu
benutzt, um als sogenannte Matres lectionis (Mütter der Lesung) Vokale darzustellen, vor allem lange Vokale. So werden etwa die beiden Vokale im Wort תּוֹרָה „Thora“ (Weisung) als Konsonanten Waw und He
geschrieben: ת Taw — ו Waw — ר Resch — ה He. Es werden aber nicht alle Vokale so geschrieben, vor allem kurze Vokale bleiben
meist unbezeichnet. Nur bei der Schreibung des Jiddischen ist die hebräische Schrift keine Konsonantenschrift mehr, in diesem Fall werden alle Vokale als Buchstaben geschrieben: e
als ע Ajin, a und o
als א Alef, sowie i, u,
ei und oi mit Hilfe von י Jod und ו Waw.
Im 2. Jahrhundert v. Chr. wurden alte Zahlzeichen von den Buchstaben zugewiesenen Zahlwerten abgelöst, die man mit zwei
Schrägstrichen (Gereschajim genannt) zwischen den beiden letzten Ziffern als Zahlen markiert. In heiligen Texten werden Zahlen meist in Worten ausgeschrieben, um Lesefehler und Abschreibfehler zu
verhindern. Im heutigen Alltag werden Zahlen meist mit den auch in Deutschland üblichen Arabischen Ziffern geschrieben, die Buchstabenschreibweise ist aber beispielsweise für Datumsangaben im
jüdischen Kalender weiterhin üblich.
Um die Lesung des Konsonantentextes der Heiligen Schrift für den gottesdienstlichen Vortrag zu fixieren, wurden verschiedene
Systeme der Vokalisation (hebräisch Nikud, wörtlich „Punktierung“) entwickelt. Durchgesetzt hat sich gegenüber dem palästinischen und babylonischen das tiberische System, welches seit dem 8.
Jahrhundert voll ausgebildet ist. Dabei werden aus Punkten und kleinen Strichen bestehende Vokalzeichen unter die Konsonanten, nach denen sie ausgesprochen werden, gesetzt. Cholam wird jedoch
links oberhalb des voranstehenden Konsonanten oder rechts oben auf dem Folgebuchstaben gesetzt, und Schuruq ist ein Punkt im, also links neben dem Waw. Ein Vokal, der im unvokalisierten Text
durch einen Buchstaben (eine mater lectionis) angedeutet wird, erscheint im vokalisierten Text als ein Vokalzeichen, dem die mater lectionis folgt – diese bleibt also
erhalten.
Die Vokalisation wird heute in manchen Kinderbüchern, bei zum Studium vorgesehenen heiligen Schriften und in den meisten Gebetsbüchern verwendet, nicht aber bei
Alltagstexten. Handgeschriebene Thora-Rollen, wie sie im Gottesdienst verwendet werden, sowie gewisse religiöse Texte enthalten keine Vokalisation, da sie die Mehrdeutigkeit einiger Wörter auf
einen bestimmten Sinn reduzieren und dadurch den Text einschränken und interpretieren würde, wie es vergleichbar bei der Einteilung des Textes in Kapitel und Verse geschieht.
Name |
Aussehen (jeweils nach א) |
Umschrift |
Aussprache |
Im israelischen Hebräisch |
||
Chiriq |
אִ |
ein Punkt |
i |
i/i: |
kurzes oder langes i |
[i] |
Chiriq Magnum |
אִי |
ein stummes Jod nach Chiriq |
i |
i: |
langes i |
[i] |
Sere |
אֵ |
zwei waagrecht angeordnete Punkte |
ē |
e: |
langes e |
[ɛ̝] |
Sere Magnum |
אֵי |
ein stummes Jod nach Sere |
ē |
e: |
langes e |
[ɛ̝] |
Seggol |
אֶ |
drei im Dreieck angeordnete Punkte |
æ |
ɛ/ɛ: |
kurzes oder langes ä |
[ɛ̝] |
Seggol Magnum |
אֶי |
ein stummes Jod nach Seggol |
æ |
ɛ: |
langes ä |
[ɛ̝] |
Patach |
אַ |
waagrechter Unterstrich |
a |
a |
kurzes a |
[a] |
Qamaz gadol |
אָ |
Patach mit Tropfen |
ā |
a: |
langes a |
[a] |
Qamaz qatan |
אָ |
Patach mit Tropfen |
å |
ɔ |
kurzes offenes o |
[ɔ̝] |
Choläm |
אֹ |
Punkt links oberhalb |
ō |
o: |
langes o |
[ɔ̝] |
Choläm Magnum |
וֹ |
Waw mit Punkt darüber |
ō |
o: |
langes o; wie Choläm |
[ɔ̝] |
Qubbuz |
אֻ |
drei schräge angeordnete Punkte |
u |
u/u: |
kurzes oder langes u |
[u] |
Schuruq |
וּ |
Waw mit Punkt darin |
ū |
u: |
langes u |
[u] |
Chataph-Seggol |
אֱ |
Schwa und Seggol |
hochgestelltes æ |
ɛ̆ |
sehr kurzes ä |
[ɛ̝] |
Chataph-Patach |
אֲ |
Schwa und Patach |
hochgestelltes a |
ă |
sehr kurzes a |
[a] |
Chataph-Qamäz |
אֳ |
Schwa und Qamäz |
hochgestelltes å |
ɔ̆ |
sehr kurzes offenes o |
[ɔ̝] |
Schwa |
אְ |
zwei senkrecht angeordnete Punkte |
Schwa quiescens bezeichnet Vokallosigkeit in geschlossenen Silben oder an der Silbengrenze (in der Umschrift wird es weggelassen). Schwa mobile ist ein kurzer Silbenvorschlag in offenen Silben, gesprochen als flüchtiger e-Laut (je nach Umschriftssystem durch ein hochgestelltes e oder durch ein ə wiedergegeben). |
[ɛ̝] oder lautlos (unabhängig von seiner traditionellen Bezeichnung als "quiescens" oder "mobile") |
Als Matres lectionis können auftreten: י Jod nach Sere oder
Chiriq, sehr selten auch nach Qamäz oder Seggol; ו Waw nach Choläm oder (zwingend) als Bestandteil von Schuruq und Choläm magnum;
א Aleph
nach fast allen Vokalisationszeichen; ה He ebenfalls, jedoch nur am Wortende. Vokale mit mater
lectionis sind immer lang; Chiriq und Seggol sind genau dann lang, wenn sie eine mater lectionis haben. Die matres lectionis erscheinen fast nie in lateinischer
Umschrift.
Die Begriffe „lang“ und „kurz“ und die Unterscheidung der beiden Schwa sind für die Silbenstruktur wichtig; was die heutige Aussprache betrifft, sind sie allerdings bedeutungslos. Die langen Vokale stehen in den meisten offenen (nicht durch Konsonant abgeschlossenen) Silben und in betonten, mit nur einem Konsonanten abgeschlossenen Endsilben; Schwa wird dabei nicht als Vokal gezählt. Heute werden nur die als Jod geschriebenen Vokale und die in offenen, betonten Endsilben lang gesprochen; beispielsweise wird „Schalom“ (שָׁלוֹם Schin-Qamäz-Lamed-Choläm magnum-Mem) trotz seiner beiden „langen“ Vokale eher wie „Schallomm“ (kurzes, unbetontes a und kurzes, betontes o) statt als „Schahlohm“ (beide Vokale lang) ausgesprochen. Auch das Schwa mobile wird – außer in manchen Vorsilben – weggelassen, wenn der Rest aussprechbar bleibt.
In nachbiblischer Zeit, noch vor der Entwicklung der tiberiensischen Vokalisation, ist es üblich geworden, die Buchstaben Jod
und Waw häufiger als Matres lectionis zu verwenden als im biblischen Vorbild, zum Teil auch für kurze Vokale. Kommen diese beiden Buchstaben als Konsonanten vor, wird das in vielen Positionen
durch Verdoppelung gekennzeichnet, um sie von Matres lectionis zu unterscheiden. Insgesamt wird dadurch die Lesbarkeit erhöht. Moderne hebräische Texte sind durchgängig so
geschrieben.
Die Regeln zur Anwendung der zusätzlichen Buchstaben sind relativ kompliziert. Man findet einen vollständigen Abriss im Lehrbuch von Simon; im Folgenden werden nur die wichtigsten Unterschiede zur vokalisierten Schreibung zusammengestellt.
An einigen Stellen werden Matres lectionis geschrieben, wo im vokalisierten Text nur ein Vokalzeichen steht:
Außerdem werden konsonantisches Jod und Waw im Wortinneren, d.h. nach dem ersten Konsonanten des Wortstamms und vor dem letzten Buchstaben des ganzen Wortes, doppelt geschrieben – Waw immer, Jod nicht vor oder nach Matres lectionis.
Diese Regeln werden nicht oder nicht alle angewandt, wenn das zu einer Häufung von Jod und Waw führen würde. Außerdem gibt es
Zusatzregeln, die dafür sorgen, dass verschiedene Formen desselben Wortes – und umgekehrt analog gebildete Formen verschiedener Wörter – ähnlicher geschrieben werden als es bei mechanischer
Anwendung der obigen Regeln der Fall wäre.
Ein paar Beispiele:
meschuga (verrückt) מְשֻׁגָּע wird משוגע,
tiqqun (Reparatur) תִּקּוּן wird תיקון,
tiqwa (Hoffnung) תִּקְוָה; wird תקווה,
achschaw (jetzt) עַכְשָׁו wird עכשיו,
chodschajim (2 Monate) חָדְשַׁיִם wird חודשיים.
Einige kleine häufige Wörter ändern ihr Wortbild gegenüber der vokalisierten Schreibung – und damit dem biblischen Vorbild –
nicht. Auch biblische Namen, z.B.
Chava (Eva) חוה,
Mosche (Mose) משה,
Jehoschua (Josua) יהושע,
Schlomo (Salomo) שלמה,
… werden meist mit dem überlieferten Konsonantenbestand geschrieben, auch wenn sie Namen heutiger Personen sind. Fremdwörter und fremde Namen bekommen in der Tendenz noch mehr Matres lectionis als nach den obigen Regeln, z.B. historja היסטוריה, Bali באלי.
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