Israels einseitiger Abkopplungsplan, der auch als „Scharon-Plan“ oder
einfach Abkopplungsplan bekannt ist (תוכנית ההתנתקות), ist ein Vorschlag des
israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon, der den Abzug aus einigen der seit dem Sechstagekrieg israelisch besetzte Gebiete und den Abbau einiger israelischer Siedlungen betrifft, während
andere dauerhaft beibehalten werden sollen. Weiterentwickelt wurde die Idee von seinem Amtsnachfolger Ehud Olmert im sogenannten Konvergenz-Plan.
Im Gazastreifen wurden nach Scharons Plänen alle 21 Siedlungen
geräumt:
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Im nördlichen Westjordanland wurden die Siedlungen Ganim, Kadim,
Sa-Nour und Homesh abgebaut.
Dafür sollen im Westjordanland die Siedlungsstädte Ariel, Efrat, Gusch
Etzion, Kirjat Arba, Ma'ale Adummim und die Siedlung in Hebron beibehalten und befestigt werden.
Scharon legte den Plan zu Lebzeiten Yassir Arafats vor, als seiner
Ansicht nach keine politischen Verhandlungen mit der palästinensischen Seite möglich waren. Der Plan sollte die Sicherheit Israels gewährleisten. Die Palästinenser sind hingegen der Ansicht, der
Plan müsse durch internationale Vereinbarungen legitimiert werden und verlangen einen kompletten Abzug aus den umstrittenen Gebieten.
US-Präsident George W. Bush befürwortete den Plan, weil er der
Forderung nach sicheren Grenzen für Israel, die nach den Bestimmungen der Resolutionen 242 und 338 des Sicherheitsrates verlangt werden, entspreche. Unter dem Gesichtspunkt der realen
Gegebenheiten sei ein kompletter Rückzug der Israelis auf die Grüne Linie unrealistisch.
Javier Solana, der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EU), sagte am 10. Juni 2004:
Ich begrüße die Vorschläge des israelischen Ministerpräsidenten für einen Abzug aus Gaza. Dies eröffnet neue Chancen für die Durchführung der Road Map, wie sie vom UN-Sicherheitsrat beschlossen wurde.
Der irische Außenminister Brian Cowen verkündete dagegen die Missbilligung des Planes durch die EU und sprach davon, dass diese keine Veränderung der Grenzen von vor dem Sechstagekrieg akzeptieren würde, die nicht im beiderseitigen Einvernehmen der Parteien beschlossen worden sei.
In einer Fatwa erklärte der Mufti von Ramallah, Scheich Jamal
al-Bawatna, dass es gegen religiöses Gesetz verstoße, israelische Siedler und Soldaten anzugreifen und somit den Abzug zu verhindern.
Nachdem Scharon damit gescheitert war, öffentliche Unterstützung durch
alle seine wichtigsten Minister zu bekommen, musste er einem Referendum innerhalb seiner Partei (dem Likud) zustimmen. Das Referendum, welches am 2. Mai 2004 abgehalten wurde, endete mit 56%
Nein-Stimmen – also einer Ablehnung seines Plans. Und dies obwohl die meisten Umfragen vor dem Referendum eine etwa 55% Zustimmung erwarten ließen.
Die meisten Kommentatoren werteten die Zurückweisung des
"Scharon-Plans" als harten Schlag gegen Scharon. Dieser selbst meinte, er würde das Votum akzeptieren und seine Schritte überdenken. Er beauftragte Verteidigungsminister Schaul Mofaz einen
geänderten Plan zu verfassen, der von den Likud-Wählern akzeptiert werden könne. Von August an wurde der Plan vom Kabinett im Prinzip gebilligt.
Am 6. Juni 2004 genehmigte die Regierung Scharon den berichtigten
Abkopplungsplan, allerdings mit der Einschränkung, dass über jeden Rückzug aus den verschiedenen Siedlungen einzeln abgestimmt werden solle. Der Plan wurde mit einer Mehrheit von 14 zu 7
angenommen, nachdem die Minister der Nationalen Union Avigdor Lieberman und Benny Elon entlassen worden waren und ein Kompromiss durch das Likud-Kabinettsmitglied Tzipi Livni zustande gekommen
war.
Nachdem der Plan bewilligt wurde und es zu starken Terrorattacken auf
den Übergang Erez und die Industriezone von Erez gekommen war, wurde entschieden, die Industriezone Erez zu schließen und die dort vorhandenen Fabriken zu Standorten wie Aschkelon, Dimona,
Jerocham oder Sderot zu verlagern. Viele Fabriken wurden schon im Voraus geschlossen.
Als Ergebnis der prinzipiellen Annahme des Plans traten zwei Minister
der Mafdal (Effie Eitam and Jitzhak Levy) zurück, weshalb die Regierung ihre Mehrheit in der Knesset verlor. Trotz dieser Verhältnisse ist die Mafdal in der Frage gespalten, ob man die Regierung,
in Gegnerschaft zu den Plänen, komplett verlassen, oder in ihr verbleiben soll, um eine säkulare Regierung aus Likud, Arbeitspartei und Schinui zu verhindern.
Dass Scharon diesen Plan durchgesetzt hat, hat ihn viel Unterstützung
von seinen rechten Stammwählern gekostet, ihm andererseits aber Zustimmung aus dem linken Wählerspektrum gebracht. Letztendlich stehen viele Israelis aus beiden politischen Richtungen seinen
Plänen eines Abzugs über Gaza und Nord-Samaria hinaus skeptisch gegenüber. Man glaubte, er habe zwar eine Mehrheit in der Regierung, aber nicht in seiner eigenen Partei, weswegen eine Regierung
der nationalen Einheit immer dringender wurde.
Am 25. Juli 2004 protestierte eine "Menschenkette" im Rahmen einer
Kundgebung gegen den einseitigen Abkoppelungsplan und den Abzug aus dem Gazastreifen. Die Demonstranten bildeten eine Menschenkette von Nisanit (später wegen Sicherheitsbedenken zum Übergang Erez
verlegt) bis zur Klagemauer in Jerusalem (ca. 90km).
Am 14. September 2004 billigte das israelische Kabinett mit neun zu
einer Stimme (Zvulon Orlev von der Mafdal) Pläne, die die Entschädigung derjenigen Siedler regeln sollen, die den Gazastreifen verlassen müssen.
Eine Umfrage vom 15. September 2004 in der Zeitung Maariw zeigte
folgendes Meinungsbild:
Am Abend des 26. Oktober 2004 hat das israelische Parlament den
Abkopplungsplan mit einer Mehrheit von 67 Ja-Stimmen, 45 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen angenommen. Der Plan wurde von der Linksopposition unter Schimon Peres unterstützt, die meisten
arabischen Abgeordneten enthielten sich. Ministerpräsident Ariel Scharon entließ Minister Landau und Vizeminister Ratzon, die gegen den Plan gestimmt hatten. Scharon konnte sich auf in dieser
Frage auf die Opposition verlassen, wohingegen er mit Widerständen in der eigenen Likud-Partei zu kämpfen hat.
Benjamin Netanjahu und drei weitere Minister stellten Scharon nach der
Annahme des Plans ein 14-tägiges Ultimatum für einen Volksentscheid. Andernfalls würden sie dem Kabinett nicht mehr angehören. Am 9. November 2004 zog Finanzminister Benjamin Netanjahu seine
Rücktrittsdrohung zurück, denn es sei mit dem Tod Jassir Arafats eine Situation entstanden, in der er sich entschlossen habe, in der Regierung zu bleiben. Auch die anderen Likud-Minister folgten
Netanjahu in seiner Entscheidung. Unterdessen erfolgte zum Jahreswechsel 2004/2005 der Austritt der Schinui und Eintritt der Arbeitspartei in die Regierung. Die Arbeitspartei wollte damit den
Scharon-Plan unterstützen.
Am 17. Februar 2005 stimmte die Knesset in dritter Lesung mit 59 Stimmen (40 Gegenstimmen, 5 Enthaltungen) für ein Abkopplungsgesetz. Das Gesetz regelt unter anderem die finanziellen Entschädigungen für die Siedler. Diese werden vom Alter und den Jahren, die sie am jetzigen Ort gelebt haben, abhängig gemacht. Daneben soll das Gesetz den Abbau der Siedlungen regeln, so stellt es ein Verbleiben in den Häusern nach dem Stichtag unter Strafe, außerdem ist das Betreten der Gebiete nach Beendigung der Räumung verboten. Aus Scharons eigener Partei stimmten nur 18 von 35 Parlamentariern für das Gesetz. Eine Anlage zu dem Gesetz, ein Referendum darüber stattfinden zu lassen, wurde mit einer Mehrheit von 72 Stimmen abgelehnt. Dies wurde als Erfolg Scharons gewertet.
Am 28. März 2005 lehnte die Knesset eine Gesetzesvorlage der Minister
Benjamin Netanjahu, Limor Liwnat und Silvan Schalom (alle Likud) für ein Grundgesetz über einen Volksentscheid zum Abkopplungsplan mit 72 zu 39 Stimmen ab.
Auch nach dem Tod von Jassir Arafat ist die palästinensische Führung
nicht zur Kooperation mit den Israelis bei der Abkopplung bereit. Sie begrüßt den Plan als Schritt in die richtige Richtung, fordert jedoch gleichzeitig eine Liste von weiteren Gebieten, aus
denen sich Israel zurückziehen wird.
Der UN-Menschenrechtsbeauftragte für die Palästinensergebiete lobte im März 2005 den Abkopplungsplan von Ministerpräsident Ariel Scharon ausdrücklich: "Dies ist
ein ermutigender Schritt von Seiten der israelischen Regierung, eine Entscheidung, die Israel spaltet."
Scharon versuchte den Plan in der innerisraelischen Debatte als eine Antithese des Oslo-Prozesses darzustellen, den er stets als fundamentalen Fehler angesehen hat.
In Richtung seiner Likud-Parteifreunde meinte er, es sei allemal besser, unilateral den Rückzug anzutreten, als Kompromisse mit Leuten zu schließen, die sich ohnehin noch nie an Vereinbarungen
gehalten hätten. Er verwies auch auf den externen politischen Effekt, nämlich dass die USA dank des Abkopplungsplans anerkannt haben, dass eine Rückkehr von palästinensischen Flüchtlingen
unmöglich ist und es Israel zugestanden haben, zumindest generell Siedlungen außerhalb der Grünen Linie zu behalten. Schimon Peres will den Abkoppelungsplan hingegen als Fortsetzung des
Oslo-Prozesses verstanden wissen, da auch er die Politik des Großisraels aufgibt. Er behauptet, in Wahrheit sei er gar nicht unilateral ausgeführt worden. Peres meint weiterhin, er als
Ministerpräsident hätte so manches anders angepackt, erkennt aber die Tatsache an, dass er nie denselben Rückhalt wie Scharon in der Bevölkerung besessen hätte. Sowohl die linke Meretz um Jossi
Beilin als auch die rechte Nationale Union (Israel) um Benny Elon kritisieren die unilaterale Natur des Abkoppelungsplans. Beilin meint, eine Zusammenheit mit der PA hätte Abbas und damit die
moderaten Kräfte der Palästinenser gestärkt, was letztlich auch Israel zugute gekommen wäre. Elon meint, der Abkoppelungsplan sei schlimmer als Oslo, da damit die PA zu nichts verpflichtet worden
sei. Der Oslo-Prozess sei wenigstens dann am Ende gewesen, als die PA ihr wahres Gesicht gezeigt habe.
"Der Abzugsplan war das Ergebnis zum einen des inneren und äußeren Drucks auf die Regierung Scharon, zum anderen der Entschlossenheit des Ministerpräsidenten, große Teile des Westjordanlands (zwischen 45 und 55 Prozent) in israelischem Besitz zu behalten. Das hat Dov Weisglass, der Berater Scharons, der als Architekt des Abzugsplans gilt, in einem Interview mit der Zeitung Haaretz vom 8. Oktober 2004 klar zum Ausdruck gebracht: "Im Herbst 2003 haben wir begriffen, dass die Lage völlig verfahren war. [...] Da gibt es die internationale Erosion [der israelischen Position: M. R.] sowie die innere Erosion. Alles bricht zusammen, die Wirtschaft ist in einem katastrophalen Zustand. Und als dann die Genfer Initiative zustande kam, erfuhr sie breite Unterstützung. Anschließend kamen noch die Briefe der Offiziere, die Briefe der Piloten [die sich weigerten, Einsätze in den besetzten Gebieten zu fliegen; M. R.]." Laut Weisglass entschloss sich Scharon nach all diesen Entwicklungen, den Gaza-Streifen aufzugeben (dessen Besitz er nie als "nationales Interesse" ausgegeben habe), um die Siedlungen im Westjordanland zu retten und - was ihm noch wichtiger war - um zu verhindern, dass irgendeine Verhandlungslösung mit den Palästinensern zustande kommt: "Was wir taten, diente dem Ziel, den Verhandlungsprozess einzufrieren. Und indem man diesen Prozess einfriert, verhindert man die Schaffung eines palästinensischen Staates und die Diskussion über die Flüchtlingsfrage. [...] Der Abzug bietet die richtige Dosis Formalin, die man braucht, damit es zu keinen Verhandlungen mit den Palästinensern kommt." So und nicht anders lautet Scharons Credo. Das ist das Fundament, auf dem sein Abzugsplan errichtet ist."
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