Mein 6-Tage-Krieg

 

Generell bin ich kein Freund von Gewalt oder Krieg. Den Ausbruch des 6-Tage-Kriegs, den Israel begonnen hat, kann ich dennoch durchaus verstehen. Die Existenz des Landes wurde von den arabischen Staaten massiv bedroht. Israel hatte keine andere Wahl als sich zu wehren, die arabischen Armeen zu zerschlagen und Gebiete zu besetzen. Ich bin allerdings der Meinung, dass man die besetzten Gebiete, und nicht nur Sinai und den Gazastreifen, mit gewissen Grenzkorrekturen hätte zurückgeben müssen und sollen. Die Palästinenser in diesen Gebieten wurden von ihren arabischen „Brüdern“ noch vor Ausbruch des 6-Tage-Krieges wie Menschen „dritter Klasse“ oder noch schlimmer behandelt. Vornehmlich das Königreich Jordanien mache regelrecht Jagd auf Palästinenser und unterdrückte sie, wo es nur möglich war. Trotzdem waren sie „freier“ als jetzt unter israelischer Oberhoheit. Dazu mehr in einem späteren Kapitel.

 

Zur Zeit des 6-Tage-Krieges war ich schon Reservist und bei einer Spähtruppe. Spähtruppen sondieren im Voraus das Gelände, die Formation des Gegners, wo er sich aufhält, wie stark er ist und so weiter und so fort. Wir waren in Eilat an der Grenze zum Sinai eingesetzt. Am Vorabend des 5. Juni 1967 überschritten wir die Grenze um ägyptische Panzereinheiten auszukundschaften. Jede Spähtruppe ist angehalten möglichst keine „Feindbegegnung“ zu haben. Dies würde dem Gegner ja nur helfen und er könnte so seine Formation und Stellung ändern. Unglücklicherweise stießen wir oder sie stießen auf uns, auf einen ägyptischen Spähtrupp, der das gleiche vorhatte wie wir. Außerdem waren wir angehalten von Schusswaffen keinen Gebrauch zu mache, da der Lärm uns nur verraten würde. Es kam also zu was es kommen musste – zum Nahkampf, Mann gegen Mann. Ein Kampf ohne Schusswaffen allerdings wurden Messer eingesetzt. Wir 8 Mann überlebten alle, von den Ägyptern keiner. Ich möchte nicht in Details übergehen, wie das ganze abgelaufen ist. Es war nicht schön und es hat in mir bleibende Eindrücke hinterlassen. Als 22-jähriger ist es nicht ganz so leicht damit fertig zu werden Menschenleben auf „dem Gewissen“ zu haben. Im Nahkampf versucht man seine eigene „Haut“ zu retten. Was ist es einfacher zu verkraften? In einem Jet sitzend Bomben abzuwerfen, die auch Frauen und Kinder treffen, oder eine Drohne zu steuern und die tödliche Last per Knopfdruck abzuschicken. Dabei passiert dann, was Politiker und Militärs zynische „Kollateralschaden“ nennen. Es heißt dann auch, dass „Unschuldige“ ihr Leben lassen mussten. Wer ist unschuldig und was heißt unschuldig? Frauen und Kinder sind unschuldig und was ist mit Soldaten? Sind sie schuldig? Schuldig an was? Wie geht derjenige, der diese Dinge ausgelöst, damit um? Wie kann er das verarbeiten? Ist er nicht eher traumatisiert als derjenige, der im Kampf Mann gegen Mann sein Leben hat retten können? Ich habe viel darüber nachgedacht. Lange Jahre habe ich damit kämpfen müssen. Erst im Jahre 2003 habe ich das Ganze aufarbeiten können, dazu aber mehr in einem späteren Kapitel. Mittlerweile bin ich darüber hinweg, was natürlich nicht heißen soll, dass ich stolz darauf bin. Es stimmt mich immer noch traurig wenn ich daran denke oder, wie jetzt, darüber schreibe. Nur, wie ich immer sage, ich kann nichts, was ich in meinem Leben getan habe rückgängig machen.

 

Am 07. Juni 1967 wurden wir nach Sharm-el-Sheikh geflogen. Dort übernahmen wir das von den Ägyptern besetzte ehemalige Lager der UNEF und begannen mit der Such nach versprengten Ägyptischen Einheiten. Bei dieser Gelegenheit fuhr mein Command-Car auf eine Mine auf. Es war ein ungekennzeichnetes Minengebiet aus der Suezkrise im Jahre 1956. Die Sprengkraft der Mine war durch Witterungseinflüsse geschwächt. Trotzdem flogen wir durch die Luft. Außer einigen Hautabschürfungen, Prellungen und leichte Verbrennungen war mir weiter nichts geschehen. Meinen Kameraden erging es ebenso. Allerdings war das Command-Car hinüber. Wir holten per Funk Hilfe herbei, markierten das Minenfeld und gingen weiter unserer Suche nach. Wir fanden etliche ägyptische Soldaten, die dem Verdursten nahe waren und versorgten sie erst einmal mit Wasser, Lebensmittel und, wenn notwendig auch ärztlich. Diese Gefangenen wurden dann nach Israel geflogen, wo sie in einem großen Gefangenenlager untergebracht wurden.

 

Wir fanden auch einen alten ägyptischen Soldaten, mir erschien er auf alle Fälle als alt, obwohl er erst Anfang Vierzig war. Nicht zu vergessen, ich war damals noch ein junger Spund von 22 Jahren. Dieser Mann bettelte und bat nicht ins Gefangenlager geschickt zu werden, er wollte unser „Diener“ sein. Er tat uns leid und so ließen wir ihn bei uns, er machte sauber, spülte und verrichtete alle möglichen Arbeiten mit großem Eifer und Fleiß. Wenn er Böses im Schilde geführt hätte, wäre es ihm ein Leichtes gewesen uns oder zumindest eine Teil von uns zu erschießen. Wir ließen nämlich recht sorglos unsere Waffen in der Unterkunft zurück. Er war eben ein grundanständiger Mensch, der, so erzählte er uns, nichts weiter wollte, als gesund zu seiner Familie zurückkehren. Was wir übrigens genau so wollten

 

In Sharm el-Sheikh gab es kein Trinkwasser, anfangs wurde für und das Wasser in großen Kanistern eingeflogen. Dann brachte man uns eine mobile Entsalzungsanlage, die das salzige Meerwasser zu Trinkwasser machte. Dieses Trinkwasser war fürchterlich bitter, man musste dem aus diesem Wasser zubereiteten Kaffee mehr Zucker als Kaffeepulver zufügen um es einigermaßen genießbar zu machen. Zum so trinken führten wir Unmengen von Brausepulver zu, selbst die gekochten Speisen schmeckten bitter.

 

Ich in der Mitte im Sechs-Tage-Krieg
Ich in der Mitte im Sechs-Tage-Krieg