Das Terminal des Flughafens Entebbe mit einer Gedenktafel (2009)
Mit der Operation Entebbe, einer militärischen Befreiungsaktion in der Nacht zum 4. Juli 1976 auf dem Flughafen von Entebbe in Uganda, beendeten israelische Sicherheitskräfte die einwöchige Entführung eines Passagierflugzeugs der Air France durch palästinensische und deutsche Terroristen.
Die israelischen Elitesoldaten wurden aus einer Entfernung von rund 4000 km unerkannt nach Entebbe eingeflogen, wo sie sich insgesamt nur 90 Minuten aufhielten. 102 überwiegend israelische Geiseln, einschließlich der Air-France-Besatzung, wurden schließlich nach Israel ausgeflogen. Bei der Befreiungsaktion wurden alle sieben anwesenden Geiselnehmer getötet. Drei der zuletzt noch 105 Geiseln, etwa 20 ugandische Soldaten sowie ein Soldat der israelischen Einsatzkräfte kamen bei Feuergefechten ums Leben. Eine in einem Krankenhaus der nahen Hauptstadt Kampala zurückgelassene weitere Geisel wurde später von ugandischen Offiziellen entführt und ermordet.
Als Vergeltung für die von ihm vermutete Unterstützung Kenias für die israelische Befreiungsaktion ließ der Diktator Idi Amin mehrere hundert in Uganda lebende Kenianer ermorden. Die lokalen ugandischen Behörden hatten die Terroristen unterstützt, Amin persönlich begrüßte sie nach ihrem Eintreffen. Von den 253 Passagieren wurden sämtliche 77 israelischen sowie fünf weitere Geiseln von den Terroristen ausgesondert, während die übrigen bis auf zehn junge Franzosen freigelassen wurden.
Zu einer breiteren Debatte über das Verhältnis der Linken zu Antizionismus und Antisemitismus und zu den Terrororganisationen RAF und Revolutionäre Zellen kam es in Deutschland erst deutlich später.
Die Aktion hatte Debatten im UN-Sicherheitsrat zur Folge und warf völkerrechtliche Fragen auf.
Das alte Terminal des Flughafens Entebbe (1994)
Am Vormittag des 27. Juni 1976 wurde der Flug 139 der Air France, der von Tel Aviv über Athen nach Paris führen sollte, nach dem Start in Athen entführt. Die mit zwölf Personen Besatzung und 258 Fluggästen besetzte Maschine vom Typ Airbus A300 wurde zum Flughafen Bengasi in Libyen umgeleitet, wo sie einen über sechsstündigen Aufenthalt verbrachte. Eine Passagierin fügte sich selbst eine blutende Unterleibsverletzung zu und gab akute Schwangerschaftskomplikationen vor, woraufhin die Luftpiraten sie als einzige Geisel in Bengasi freiließen. Das Flugzeug wurde aufgetankt und startete, ohne dass der Pilot über das Flugziel informiert worden wäre. Nach fünfstündigem Flug landete es schließlich am Morgen des 28. Juni auf dem Flughafen Entebbe in der Nähe von Kampala, der Hauptstadt Ugandas.
Die Entführer, die sich „Kommando Che Guevara“ nannten, waren zwei Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas, sowie Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, zwei Gründungsmitglieder der Revolutionären Zellen. Das Quartett, das gemeinsam mit weiteren Passagieren in Athen zugestiegen war, war mit im Bordgepäck mitgeführten Schusswaffen, Handgranaten und Sprengstoff bewaffnet. Anführer des Kommandos war Böse, der sich den Passagieren vom Cockpit aus unter dem Decknamen „Basil al-Kubaisy“ (nach einem 1973 ermordeten Führungsmitglied der PFLP) als neuer Kapitän des Flugzeugs vorstellte, das nun in Haifa umbenannt wurde. Die 1948 Teil Israels gewordenen Küstenstadt war nach Aussage einer israelischen Geisel Geburtsort eines der beiden palästinensischen Entführer und Heimat des vermutlichen Organisators der Entführung, Wadi Haddad (Abu Hani). Der PFLP-Mitgründer war zwischen 1968 und 1977 für zahlreiche Flugzeugentführungen verantwortlich. Am Flughafen Entebbe schlossen sich den vier Entführern weitere bewaffnete PFLP-Kämpfer an.
Die Terroristen wurden offensichtlich durch das pro-palästinensische ugandische Regime Idi Amins unterstützt. Israel warf Amin später vor, vor dem Eintreffen der Air-France-Maschine seien auf seine Veranlassung fünf Terroristen mit seinem persönlichen Flugzeug zur Verstärkung nach Entebbe geflogen worden. Amin selbst gab an, nicht vorab über die Geiselnahme informiert gewesen zu sein und die Landegenehmigung aus humanitären Gründen angesichts eines wegen Treibstoffmangels andernfalls drohenden Absturzes erteilt zu haben.
Mit der Flugzeugentführung sollte die Freilassung von insgesamt 53 Inhaftierten aus Gefängnissen in Israel, Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz erpresst werden. Darunter waren Mitglieder der Rote Armee Fraktion, der Bewegung 2. Juni sowie Kōzō Okamoto von der Japanischen Roten Armee. Außerdem forderten die Entführer fünf Millionen US-Dollar von der französischen Regierung für die Rückgabe des Flugzeuges.
Luftbild des Terminals
Die Passagiere wurden in der alten Transithalle des Terminals von Entebbe als Geiseln gehalten. Die Terroristen „selektierten“ die jüdischen Passagiere von den anderen. Neben den israelischen Staatsbürgern waren dies 22 Franzosen und ein Staatenloser. Die übrigen Geiseln wurden freigelassen. Die verbliebenen Geiseln ohne israelischen Pass wurden aufgrund ihrer vermeintlich jüdischen Namen oder anderer Indizien – teilweise fälschlich – als Juden identifiziert. Diese Selektion wurde von den deutschen Terroristen Böse und Kuhlmann übernommen. Als ein Holocaustüberlebender Böse dabei seine eintätowierte Häftlingsnummer zeigte und ihn so an die Selektion in den Konzentrationslagern erinnerte, erwiderte Böse auf den darin implizierten Vorwurf, er sei kein Nazi, sondern Idealist.
Aufgrund der Ankündigung der Entführer, dass die Flugzeugbesatzung und zunächst 47 der nicht-israelischen Passagiere freikommen würden und in ein anderes Air-France-Flugzeug umsteigen dürften, flog ein solches nach Entebbe. Michel Bacos, der entführte Flugkapitän des Flugs 139, besprach sich zunächst mit den elf Mitgliedern seiner Besatzung und verkündete Böse anschließend, dass alle Passagiere seiner Verantwortung unterlägen, weshalb die Besatzung und er keine Passagiere zurücklassen könnten, sondern bei ihnen bleiben müssten, was Böse akzeptierte. Später wurde Bacos vom französischen Staatspräsidenten der Orden der Ehrenlegion verliehen, und er erhielt Ehrungen des Staates Israel und verschiedener jüdischer Organisationen. Der Rest der Flugzeugbesatzung wurde ebenfalls ausgezeichnet. Eine französische Nonne weigerte sich ebenfalls zu gehen und wollte den Platz einer jüdischen Geisel übernehmen, wurde aber von ugandischen Soldaten in das wartende Air-France-Flugzeug gezwungen.
In Israel und vor Ort sowie in Paris bei den freigelassenen Geiseln sammelten das israelische Militär und der Mossad mehrere Tage lang Informationen. Der Flughafen Entebbe war wenige Jahre zuvor von einer israelischen Firma erweitert worden, weshalb Pläne der Anlage verfügbar waren. Die freigelassenen Geiseln wurden intensiv befragt. Als wertvollste Quelle erwies sich ein französisch-jüdischer ehemaliger Armeeoffizier, der sich an wesentliche Details der Gebäude, der Entführer, ihrer Bewaffnung und ihrer Kooperation mit den ugandischen Streitkräften erinnerte.
Die Israelis entwarfen Pläne für ein Eingreifen und bauten Teile der Halle nach. Schließlich flogen vier israelische Hercules-Transportflugzeuge, in Begleitung von Phantom-Jets der israelischen Luftstreitkräfte, im Tiefflug nach Entebbe und landeten nachts auf dem Flughafen. Ihnen folgten zwei Boeing 707, eine davon als Einsatzzentrale, die andere mit medizinischen Einrichtungen, die zum Flughafen von Nairobi in Kenia flogen.
Die Einsatztruppe von insgesamt etwa hundert Männern bestand aus einer Stabseinheit unter Leitung von Brigadegeneral Dan Schomron und zugehörigen Kommunikations- und Unterstützungstruppen, einer Eingreiftruppe von 29 Mann unter Leitung von Oberstleutnant Netanjahu, darunter Soldaten der Sajeret Matkal in verschiedenen Gruppen unter Major Moshe Betser und Matan Vilnai sowie einer Verstärkungstruppe, die zur Sicherung der Umgebung, zur Zerstörung der MiG-Jäger der ugandischen Luftwaffe, zur Sicherung der Übernahme der Geiseln und zur Betankung der Flieger dienen sollte.
Tower mit Einschusslöchern (2009)
Gedenktafel (2009)
Das erste Flugzeug identifizierte sich über Funk als eine Linienmaschine, die auf dem Flughafen tatsächlich wenig später erwartet wurde; so konnte es zunächst unerkannt landen und in einen entlegenen Teil des Flugfeldes rollen.
Im Schutz der Dunkelheit wurden um 1:00 Uhr ein schwarzer Mercedes und einige Landrover entladen. Man wollte damit die Landung eines hohen ugandischen Offiziellen oder Amins selbst vortäuschen. Das israelische Kommando fuhr, eine Wagenkarawane Amins imitierend, direkt zum Hauptgebäude. Auf dieser Fahrt wurden zwei ugandische Wachsoldaten erschossen, die die Fahrzeuge anhalten wollten. Ugandische Truppen eröffneten ihrerseits das Feuer auf die Israelis, als diese nun zu Fuß auf das Flughafengebäude zuliefen, wobei Oberstleutnant Jonathan Netanjahu, ein Bruder des späteren israelischen Ministerpräsidenten, durch einen Schuss getötet wurde.
Aus weiteren – nur Minuten später gelandeten – Lastflugzeugen wurden gepanzerte Fahrzeuge ausgeladen, mit denen der Rückweg gesichert und die ugandischen Soldaten vor Ort bekämpft wurden. Die mit ugandischen Uniformen verkleidete Kommandoeinheit drang in das Hauptgebäude ein, in dem die 103 Geiseln festgehalten wurden. Bei dem einsetzenden Schusswechsel starben drei israelische Geiseln unbeabsichtigt durch Schüsse ihrer eigenen Befreier. Diese handelten bei der Erstürmung des Gebäudes gemäß ihrem Befehl, auf alle stehenden Personen zu schießen. In kurzer Zeit wurden die Geiselnehmer getötet und mit der Rückführung der Geiseln begonnen.
Da die israelischen Flugzeuge aufgetankt werden mussten, um wieder Israel erreichen zu können, waren Pumpen an Bord, um die ugandischen Kerosintanks anzuzapfen; darin lag ein zusätzliches Risiko der Operation. Erst in Entebbe erhielten die Piloten die Nachricht, dass für sie inzwischen die Erlaubnis kenianischer Behörden zu einer Zwischenlandung in Nairobi erreicht worden war, womit das Auftanken in Entebbe entfallen konnte. Neben einigen Mossad-Mitarbeitern waren hauptsächlich über hundert Elitesoldaten der Sajeret Matkal an der Aktion beteiligt.
Die Kampfhandlungen selbst dauerten ungefähr neunzig Minuten. Dabei wurden alle sieben Terroristen und etwa 20 ugandische Soldaten getötet. Elf ugandische MiG-Kampfjets (und damit rund ein Viertel der ugandischen Luftwaffe), die sich auf dem Flugfeld befanden, wurden am Boden zerstört. Die befreiten Geiseln wurden kurze Zeit später über Nairobi nach Israel ausgeflogen. In Kenia wurden den Israelis ein regulärer Zwischenhalt, die medizinische Behandlung einiger Geiseln durch israelische Ärzte und das Auftanken der Flugzeuge ermöglicht.
Die meist nach dem Ort des Geschehens benannte Militäraktion hat im Deutschen keinen einheitlichen Namen. In Israel trug die Aktion ursprünglich den Decknamen Donnerschlag (כדור הרעם, kadur hara'am, englisch wörtlich „Thunderball“, häufiger jedoch „Thunderbolt“), wurde nachträglich aber zu Ehren des dabei ums Leben gekommenen Kommandanten Yonatan Netanyahu offiziell in Operation Yonatan (מבצע יונתן, mivtsa yonatan) umbenannt.
Die 75-jährige israelische Geisel Dora Bloch befand sich zum Zeitpunkt der Geiselbefreiung in einem Krankenhaus in Kampala; daher wurde sie durch die Operation Entebbe nicht erfasst. Sie wurde am folgenden Tag auf Befehl Amins von ugandischen Offiziellen getötet; ebenso wurden Ärzte und Schwestern, die sich für sie einsetzten, ermordet. Weiterhin ließ Amin mehrere Hundert in Uganda befindliche Kenianer umbringen, da er davon ausging, dass Kenia mit den Israelis kooperiert hatte.
Im Sicherheitsrat der UN hatten die afroarabischen und sozialistischen Staaten eine Sondersitzung aufgrund der Verletzung der Souveränität Ugandas verlangt. Der UN-Generalsekretär Kurt Waldheim verurteilte die Aktion als „ernste Verletzung der Souveränität eines Mitgliedsstaates.“
Die von einigen Staaten wie Tansania nie anerkannte Regierung Ugandas hatte mit ihrer Unterstützung der Terroristen unter anderem das Haager ICAO-Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen
Inbesitznahme von Luftfahrzeugen wie die Mindestvorgaben des Umganges mit fremden Staatsangehörigen verletzt. Die meisten westlich orientierten Staaten mit Ausnahme Japans tolerierten die Aktion.
Im Sicherheitsrat fand eine ausdrückliche Verurteilung Israels keine Mehrheit. Botschafter Chaim Herzog verteidigte den Einsatz, auf den man mit Fug und Recht stolz sei, vor dem UN-Sicherheitsrat
als Ausdruck der Werte, für die Israel stehe, für Menschenwürde, das Menschenleben wie für die menschliche Freiheit an sich.
“We come with a simple message to the Council: we are proud of what we have done because we have demonstrated to the world that in a
small country, in Israel's circumstances, with which the members of this Council are by now all too familiar, the dignity of man, human life and human freedom constitute the highest values. We
are proud not only because we have saved the lives of over a hundred innocent people—men, women and children—but because of the significance of our act for the cause of human
freedom.”
„Wir treten mit einer einfachen Botschaft an den Sicherheitsrat: Wir sind stolz auf das, was wir getan haben, weil wir der Welt gezeigt haben, dass in einem kleinen Land, in der Situation Israels, die den Mitgliedern dieses Rates nun allzu bekannt ist, die menschliche Würde, menschliches Leben und die Freiheit der Menschen höchste Werte darstellen. Wir sind nicht nur stolz, weil wir das Leben von über hundert Unschuldigen – Männern, Frauen und Kindern – gerettet haben, sondern aufgrund der Bedeutung unserer Tat für das Anliegen der Freiheit der Menschen.“
– Chaim Herzog
Dem Juristen Ulrich Beyerlin zufolge war das Vorgehen der israelischen Streitkräfte mangels eines bewaffneten Angriffs Ugandas gegen Israel nicht vom Recht zur Selbstverteidigung im Kriegsfall gedeckt. Ähnlich wie nach der Caroline/McLeod-Affäre oder der Operation Dragon Rouge und Dragon Noir stellt sich bei der Operation Entebbe die Frage nach der Vereinbarkeit militärischer Schutzmaßnahmen eines Staates zugunsten seiner im Ausland angegriffenen Bürger mit dem Völkerrecht und anderen Rechtsansprüchen unterhalb der Schwelle eines Krieges.
Bei vielen Deutschen führte die Aktion in Entebbe zu einer länger anhaltenden Israelbegeisterung. Dabei wurden auch Formulierungen wie Blitzkrieg verwendet, deren Bezug auf das deutsche Militär in Deutschland selbst tabu gewesen wäre und die deshalb später Anstoß erregten. Annette Vowinckel sprach von einer „Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten“. Die uneingeschränkte und nachhaltige Unterstützung auf Regierungsebene trug zu einer deutlichen Verbesserung und Festigung der regierungsamtlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel bei, während sich die israelischen Beziehungen zur DDR weiter verschlechterten.
Deutsche Kommentatoren betonten 1976 den erheblichen Druck, unter dem die bundesdeutschen Behörden angesichts der Verantwortung für die von deutschen Terroristen bedrohten jüdischen Geiseln gestanden hätten. Es wurde spekuliert, inwieweit die Bundesrepublik ohne das israelische Eingreifen das Freipressen der deutschen Häftlinge ohne erheblichen Gesichtsverlust hätte vermeiden können.
Die Zeit sprach von einem „kaum wiederholbaren Glücksfall“:
„Die Bundesregierung kam dabei ebenso glücklich aus dem Schneider. Ihre nachträglich publizierte Willenserklärung, sie werde keinen hierzulande inhaftierten Terroristen im Austausch gegen israelische Geiseln freilassen, ließ sich allein unter der Prämisse des Erfolges der Befreiungsaktion halten. Was hätten wir denn getan, was hätten wir tun sollen, wenn Israel genötigt gewesen wäre, vierzig inhaftierte Palästinenser freizugeben, um seine Geiseln zu retten? Hätten wir auf Kosten des Lebens der Juden, die zuvor ein deutscher Terrorist von anderen mit vorgehaltener Pistole selektierte, einen Austausch à la Peter Lorenz verweigert, nur um fünf in deutschen Gefängnissen einsitzende Baader-Meinhof-Leute nicht hergeben zu müssen? Wir hätten das schwerlich ausgehalten“
Eine rein „strategische“ Erklärung bot dagegen der Spiegel an:
„Geschickt zogen die Entführer das besondere Verhältnis, das Deutsche und Juden miteinander verbindet, in ihr Kalkül. Sie demonstrierten, nachdem sie einmal die Aufmerksamkeit der Welt auf ihre Aktion gerichtet sahen, Großzügigkeit und ließen die Mehrzahl der Geiseln frei. Durch Deeskalation hofften sie, auch die Gegenseite zu Kompromissen bewegen zu können. Zugleich aber hielten sie sämtliche jüdischen Passagiere zurück. Und sie kalkulierten offenbar genau ein, dass Bonn auf ihr Verlangen nach Freilassung von sechs westdeutschen Häftlingen eingehen müsste. Denn weder innenpolitisch noch vor der Weltöffentlichkeit könnten es sich gerade die Deutschen mit ihrer Vergangenheit leisten, wieder Mitverantwortung für Mord an Juden zu tragen.“
Demgegenüber hatte 1972 die Bundesrepublik die Terroristen, welche die Geiselnahme von München überlebt hatten, gegen erhebliche israelische Proteste nach einer Flugzeugentführung kurzerhand von Deutschland nach Tripolis ausgeflogen. 1977 war die Bundesregierung willens und fähig, eine gewaltsame Lösung des Geiseldramas in Mogadischu herbeizuführen, und nicht mehr bereit, abgeurteilte Häftlinge durch eine Geiselnahme freipressen zu lassen. Dazu hatte die Erfahrung aus der Operation Entebbe beigetragen, die der damalige BGS-Beamte Ulrich Wegener, der erste Kommandeur der GSG 9, administrativ unterstützt hatte.
In den englischsprachigen Ländern und Israel wurde die Auseinandersetzung zwischen deutschen Terroristen, jüdischen Geiseln und israelischer Eingreiftruppe bereits unmittelbar nach den Anschlägen in einer Fernsehserie und 1976 und 77 gedrehten, und unter anderem mit Elizabeth Taylor und Richard Burton besetzten Kinofilmen thematisiert.
Parallel war es nach dem Sechstagekrieg 1967 und dem Jom-Kippur-Krieg 1973 aufgrund der Bedrohungslage Israels zu einer stärkeren Einbeziehung des Holocaust in den Gründungsmythos des Staates Israel wie in die internationale Medienwelt gekommen. Diese führte zu einer stärkeren Thematisierung der Judenvernichtung in internationalen Medien und Filmproduktionen und wurde ebenso bei den filmischen Wiedergaben der Operation Entebbe thematisiert. In allen Verfilmungen wurde Böse jeweils von einem deutschen Schauspieler mit entsprechendem Akzent dargestellt, die Selektion der jüdischen (nicht der israelischen) Geiseln, darunter eine Holocaustüberlebende durch deutsche Terroristen als Schlüsselszene interpretiert. Bei der israelischen Verfilmung Mivtsa Yonathan spielten die Akteure Shimon Peres, Jigal Allon und Jitzchak Rabin sich selbst als Darsteller, was den Anspruch an den dokumentarischen Charakter unterstrich.
In den 1970er Jahren wurden Flugreisen zunehmend breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich, gleichzeitig stieg die Anzahl der Flugzeugentführungen. Während sie anfangs zumeist durch Geiselaustausch beendet wurden, zeichnete sich mit Entebbe eine Tendenz zur Intervention ab, deren Stattfinden wie Erfolg in der westlichen Welt zunehmend begrüßt wurde. In Westdeutschland geriet Entebbe gegenüber dem Geiseldrama der Landshut und dem Deutschen Herbst etwas in den Hintergrund. Eine deutsche filmische oder literarische Verarbeitung fand erst später statt. Thomas Ammann drehte 2010 eine ARTE-Dokumentation zum Thema und die WDR-Dokumentation: Operation „Donnerschlag“. Israel gegen deutsche Terroristen, die am 10. Januar 2012 auf ARTE gezeigt wurde.
Gedenkstein zur Operation Entebbe in Tel Aviv
Am Flughafen Entebbe erinnert seit 2005 eine israelisch-ugandische Gedenktafel an der Außenwand des ehemaligen Terminalgebäudes an die Geschehnisse und den getöteten israelischen Leiter der Operation.
In Israel kam es ab 1986 zu langwierigen öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Moshe Betser und den Brüdern Iddo und Benjamin Netanjahu. Betser warf dem inzwischen als Helden verehrten Jonathan Netanjahu im Nachhinein vor, die beiden Wachsoldaten, die seiner Afrikaerfahrung nach die Kolonne nicht ernsthaft gestoppt, sondern schlicht in Erwartung eines Offiziellen durchgewinkt hätten, im Eingangsbereich unnötigerweise erschossen zu haben. Er habe damit seinen eigenen Tod verursacht wie den Überraschungseffekt der Aktion unnötigerweise riskiert. Netanyahu war nur teilweise bei den Vorbereitungen anwesend gewesen, Betser sah Netanjahu daher auf übertriebene Weise glorifiziert. Iddo Netanyahu verteidigte das Bild seines Bruders mit Buchveröffentlichungen, die der Darstellung Betsers, der historischen Kommission der israelischen Streitkräfte und anderer Historiker widersprachen.
Hans-Joachim Klein, der 1975 als Terrorist der Revolutionären Zellen (RZ) an der OPEC-Geiselnahme teilnahm, während der er an der Ermordung dreier Menschen beteiligt war, tauchte kurz darauf unter. Er distanzierte sich 1977 von den RZ und warnte vor geplanten RZ-Anschlägen gegen die prominenten jüdischen Vertreter Heinz Galinski und Ignaz Lipinski (Leiter der Jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main).
Weitere Angehörige der Organisation begannen erst 1991 öffentlich Selbstkritik zu üben und im Rahmen des gewaltsamen Todes eines Mitglieds ihr Verhältnis zu den Palästinensern zu hinterfragen:
„[…] Anstatt wahrzunehmen, was uns vorgehalten wurde, nämlich dass wir als Organisation an einer Operation teilhatten, in deren Verlauf israelische Staatsbürger und jüdische Passagiere anderer Nationalität ausgesondert und als Geisel genommen worden waren, beschäftigten wir uns vor allem mit dem militärischen Aspekt der Aktion und ihrer gewaltsamen Beendigung.“
Das ehemalige RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock äußerte als Erklärung, dass RZ wie RAF ohne Hilfe der Palästinenser „von Mitte der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre nicht mehr oder nur sehr bedingt aktionsfähig gewesen“ wären.
Kein anderer von Deutschen verübter Terrorakt hat für solche Irritationen gesorgt wie die „Selektion von Entebbe“. Der Publizist Henryk M. Broder bezeichnete die Operation Entebbe später als sein
„privates Erweckungserlebnis,“ das zu seinem Bruch mit der radikalen Linken geführt habe. Auch Joschka Fischer bezeichnete die „Selektion“ von Entebbe als entscheidenden Faktor seiner Abkehr von
Gewalt und Militanz. Diese erste Selektion von Juden und Nichtjuden seit dem Zweiten Weltkrieg erinnerte weltweit an Auschwitz, ein Aufschrei innerhalb der radikalen Linken blieb aber aus.
Deutsche Linke blieben bis in die Gegenwart teilweise antizionistisch und antiisraelisch eingestellt. 2004 wurde dies einschließlich der unterschiedlichen Reaktionen zu Entebbe bei einer
Konferenz zum „Antisemitismus der Linken“ in der Hans-Böckler-Stiftung thematisiert.
Es hat nichts mit der Befreiungsaktion zu tun, aber ich möchte bemerken, dass Yoni Netanjahu ein Jahr jünger war als ich. Wir dienten in der gleichen Einheit bei Zahal. Ich war sein Ausbilder während seiner Rekrutenzeit bei den Fallschirmspringern. Nach der Grundausbildung von 6 Monaten trennten sich unsere Wege. Er hatte vor bei Zahal eine Militiärkarriere anzutreten, was er ja auch tat. Ich begnügte mich mit der damals regulären Militärzeit von 2 Jahren.
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