Die Suezkrise (auch: Sueskrise oder Sinai-Krieg und Sinai-Feldzug) im Jahr 1956 war eine in einen bewaffneten Konflikt mündende Krise zwischen Ägypten auf der einen und einer Allianz aus
Großbritannien, Frankreich und Israel auf der anderen Seite. Hauptstreitpunkt war die Kontrolle über den strategisch bedeutsamen Suezkanal. Das
Resultat war trotz militärischer Erfolge eine Blamage und Schwächung der europäischen Mächte und eine Stärkung der ägyptischen Position im Nahen Osten. Aufgrund ihrer zeitlichen und politischen
Überschneidung mit dem Ungarischen Volksaufstand gilt sie als Teil einer Doppelkrise.
Die Ursachen der Krise liegen in der Struktur der Nutzung des
Suezkanals begründet. Die Erteilung einer Konzession zum Bau an eine ausländische Gesellschaft schloss die wirtschaftliche Nutzung des Kanals bis 1953 durch dieselbe Gesellschaft mit ein. Zudem
stieg mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung des Erdöls die Abhängigkeit der europäischen Mächte von der Nutzung des Kanals. Die freie Durchfahrt versuchte vor allem Großbritannien durch
starke Einflussnahme auf die Innenpolitik Ägyptens und durch militärische Präsenz am Kanal zu erreichen. 1953 waren am Suezkanal etwa 80.000 britische Soldaten stationiert.
Die Anfänge der Krise reichen bis ins Jahr 1952. Nach dem Sturz König
Faruks durch Offiziere der ägyptischen Armee nahm die neue Regierung von der bis dahin auf Kooperation mit den westlichen Mächten abzielenden Politik Abstand und schlug einen nationalistischen,
panarabischen und antiisraelischen Kurs ein. Dieser Kurs heizte sowohl den Konflikt mit Israel an als auch den mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich, die an der Kontrolle über den
Suezkanal festhielten. 1954 verpflichtete sich das Vereinigte Königreich, im Suez-Abkommen, seine Truppen binnen 20 Monaten aus dem Gebiet abzuziehen. Alles deutete auf eine friedliche Lösung
hin.
Im Laufe des Jahres 1956 verschärfte sich der Konflikt zwischen
Ägypten und Israel, das sich zunehmend Angriffen durch Fedajin von ägyptischem Territorium und vom ägyptisch besetzten Gaza-Streifen aus erwehren musste. Ägypten, nun unter der Führung von
Präsident Gamal Abdel Nasser, blockierte den Golf von Akaba und sperrte den Suezkanal für israelische Schiffe und verletzte somit Internationales Recht. Zugleich bildete Ägypten gemeinsam mit
Jordanien und Syrien ein „Vereinigtes Arabisches Oberkommando“, das aber faktisch nur wenig Befugnisse hatte.
Nasser plante vor dem Hintergrund seines sozialistisch inspirierten
Programms zur Beseitigung des Massenelends den Bau des Assuan-Staudamms und versuchte die USA und die Sowjetunion mit deren Zusagen für Finanzierungshilfe gegeneinander auszuspielen. 1955 schien
es, Ägypten würde sich dem Sowjetblock anschließen, als es Waffenlieferungsabkommen mit der Tschechoslowakei abschloss und eine Finanzierung des Staudamms durch Moskau wahrscheinlich wurde.
Daraufhin zogen die USA nach und offerierten ihrerseits eine Finanzierung des Staudamms, die Präsident Eisenhower am 19. Juli 1956 durch Außenminister Dulles aber wieder zurückzog. Ob hierfür die
Politik Nassers verantwortlich war oder die Vermutung, auch Moskau sei in Wahrheit nicht zur Finanzierung des ägyptischen Prestige-Projekts bereit, bleibt ungewiss. Resultat war, dass Nasser sich
nun scharf gegen den Westen und Israel wandte und schließlich am 26. Juli den Suezkanal verstaatlichte, an dem britische Banken und Unternehmen 44 Prozent der Anteile hielten. Zwar entschädigte
er die Anteilseigner, trotzdem wurden sie um den Besitz einer sehr wichtigen Handelsroute gebracht. Die UdSSR und Indien billigten auf drei ergebnislosen internationalen Konferenzen letztlich die
Nationalisierung, aber Großbritannien war sowohl ökonomisch als auch machtstrategisch beunruhigt.
Frankreich wiederum kämpfte um seine Kolonien im Maghreb. 1954 war in
Algerien der Aufstand losgebrochen, der durch Waffennachschub aus Ägypten unterstützt wurde.
Israel hoffte, sowohl die Ägypter militärisch zu schwächen, als auch
den Gazastreifen und Scharm El-Scheich zu erobern. Ein Fallschirmjägerüberfall auf das westliche Ende des Mitla-Passes sollte mit einer Vergeltung palästinensischer Angriffe begründet
werden.
Großbritannien und Frankreich sahen sich nun in ihren Einflussspähren
gefährdet und riefen den UNO-Sicherheitsrat an, um Nasser per Resolution zur Rückgabe des Kanals zu veranlassen. Zuvor hatten von Washington initiierte Konferenzen stattgefunden, um eine
kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden, die aber scheiterten. Washington schlug sich bewusst nicht auf die Seite der europäischen Mächte, um eine Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu
vermeiden, die dann Ägypten unterstützt hätte. Die UN-Resolution wie sie Frankreich und Großbritannien anstrebten, war gar nicht auf Erfolg ausgelegt. Ein Veto der Sowjetunion wurde erwartet und
war sogar erwünscht, da Großbritannien und Frankreich damit einen Vorwand hätten, Ägypten anzugreifen und das totalitäre Regime des Panarabisten Nasser zu stürzen.
Um die öffentliche Meinung auf die Notwendigkeit eines Krieges
einzustimmen, forderte der britische Premierminister Anthony Eden, dass man der Bedrohung durch den „Mussolini vom Nil“ entschlossen entgegentreten müsse. Dies verfehlte seine Wirkung nicht, denn
Eden galt als entschiedener Gegner der Appeasement-Politik gegenüber Hitler und Mussolini. Eden erhielt vom Air Marshal Barnett die Versicherung, dass Luftangriffe bereits reichen würden, um
einen Sturz der Regierung Nasser zu erreichen. Am 27. Juli 1956 wurde in den britischen Streitkräften ein Planungsstab gebildet, der den Angriff auf Ägypten unter der Bezeichnung "Operation
Musketeer" entwerfen sollte. Der Plan sah massive Luftangriffe auf die Flugplätze der ägyptischen Luftwaffe und danach auf Bodentruppen vor. Danach sollte die Luft- und Seelandung erfolgen.
Hierzu sammelte sich eine große Armada vor Malta und Algier, noch während der De-Eskalationsbemühungen Washingtons. Allerdings gab es erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, wie weit eine
Schwächung der Bodentruppen durch eine reine Luftvorbereitung überhaupt möglich sei und wo genau die anschließende Landung stattfinden sollte. Zwischenzeitig fassten die Militärplaner Alexandria
als Ort des Angriffs ins Auge. Damit wäre zwar keine unmittelbare Eroberung der Kanalzone möglich gewesen, aber Alexandria war für die britischen und französischen Streitkräfte leichter zu
erreichen und eine größere politische Wirkung für einen Sturz Nassers war abzusehen. Im September lehnte der Ägypten-Ausschuss diesen Plan jedoch ab. Vermutlich erschien es der Politik zu
schwierig, einen Angriff auf Alexandria mit der Eroberung der Kanalzone zu rechtfertigen. Zudem wollten einzelne Vertreter des französischen Militärs die Operation auf die Kanalzone begrenzen.
Darauf wies der Ägypten-Ausschuss das Militär an, einen Angriff auf Port Said zu planen. Zugleich begannen die Franzosen mit der parallelen Planung eines Angriffs auf Port Said. Auch ein Angriff
auf das südliche Kanalende war kurzzeitig im Gespräch, wurde aber wieder verworfen. Am 19. September wurde dem britischen Kabinett der überarbeitete Plan "Musketeer Revise" vorgelegt. Er sah
neben der weitgehenden Vernichtung der ägyptischen Kampfkraft durch Luftschläge auch eine umfassende psychologische Wirkung der Luftangriffe vor, die den Kampfeswillen von Militär, Bevölkerung
und Politik brechen sollte.
Bei mehreren Treffen in Sèvres nahe Paris wurde die Zusammenarbeit
zwischen dem französischen und dem israelischen Geheimdienst verstärkt. Am 29. September trafen sich Frankreichs Außenminister Christian Pineau und Verteidigungsminister Maurice Bourgès-Maunoury
mit Israels Vertretern Golda Meir, Schimon Peres und Mosche Dajan. Im Oktober folgten Zusicherungen Frankreichs und Großbritanniens über Waffenlieferungen. Frankreich sagte außerdem den Schutz
des israelischen Luftraums und der Küste zu. Zudem wollte Frankreich mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat einer gegen Israel gerichteten Entscheidung entgegenwirken. Israel sollte eine Invasion
starten, so dass Großbritannien und Frankreich als vermeintliche Friedensmächte intervenieren könnten. Die Europäer würden dann die israelischen und ägyptischen Armeen zum Rückzug auf die
jeweilige Seite des Kanals bewegen und eine britisch-französische Interventionsstreitkraft am Kanal um Port Said stationieren. Am 24. Oktober unterzeichneten die drei Staaten ein Abkommen über
ihr Vorgehen.
Am 29. Oktober 1956 begann Israel mit der Invasion des Gazastreifens
und der Sinai-Halbinsel und stieß schnell in Richtung des Kanals vor. Am folgenden Nachmittag wurde der ägyptische Botschafter in London ins Foreign Office gerufen und erhielt vom Vertreter des
britischen Außenministers Selwyn Lloyd, Sir Ivone Kirkpatrick sowie vom französischen Außenminister Christian Pineau einen Forderungskatalog überreicht. In dem auf zwölf Stunden befristeten
britisch-französischen Ultimatum wurde von den ägyptischen Truppen verlangt, zehn Meilen hinter den Suez-Kanal zurückzuweichen und damit die ganze Sinai-Halbinsel zu räumen. Den Israelis wurde
ihrerseits aufgetragen, nicht näher als zehn Meilen an den Suez-Kanal heranzurücken. So weit waren sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht vorgedrungen.
Zudem wurde von Ägypten das Einverständnis mit der vorübergehenden Besetzung von Suez, Ismailia und Port Said gefordert. Präsident Nasser wies die Forderung und das Ultimatum wie erwartet zurück. Durch seine Ablehnung lieferte er Großbritannien und Frankreich den erwünschten Vorwand, die Kontrolle über den Kanal militärisch zu gewinnen und das Regime Nassers zu stürzen.
Am 31. Oktober begannen Großbritannien und Frankreich mit der
Bombardierung ägyptischer Flughäfen. Einen Tag zuvor waren die Ziele psychologischer Kriegsführung fallen gelassen worden. Die Luftwaffe sollte sich nun auf militärische Ziele konzentrieren.
Anfang November kam es zu diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Frankreich, da die britische Regierung nur teilweise über die Unterstützung der französischen Luftwaffe
für Israel informiert worden war. Die Briten wollten den Anschein aufrecht erhalten, dass die Europäer neutral seien und keineswegs Israel unterstützten.
Das israelische Fallschirmjäger-Bataillon 890 hatte inzwischen nach
einer Luftlandung den Ostausgang des strategisch wichtigen Mitla-Passes gesichert. Der Rest der Fallschirmjäger-Brigade 202 unter Ariel Scharon kämpfte sich in zwei Tagen auf dem Landweg die
200 km durch feindliches Gebiet zum Mitla-Pass vor. Ein israelischer Spähtrupp geriet im Pass unter schweres ägyptisches Feuer und wurde vom Rückweg abgeschnitten. Scharon ließ seine Männer
den Pass einnehmen, um den Spähtrupp zu retten und gleichzeitig die einzig mögliche Stelle für einen größeren ägyptischen Gegenangriff im südlichen Sinai nachhaltig zu sichern.
Am 5. November landeten alliierte Fallschirmjäger am Flughafen Gamil,
sicherten das Gelände und errichteten eine Basis zur Luftunterstützung. In den frühen Morgenstunden des 6. November landeten die Kommandos 40 und 42 der Royal Marines mit amphibischen Fahrzeugen
und Feuerunterstützung von Schlachtschiffen an den Stränden Ägyptens. Port Said wurde durch verheerende Brände fast vollständig zerstört.
Beim weiteren Vorstoß trafen die Landekommandos auf harten Widerstand.
Kommando 45 der Marines griff per Hubschrauber an (die erste Operation dieser Art in der Kriegsgeschichte) und begann mit dem Häuserkampf in einer Region, wo der Besitz von Schusswaffen für
Männer nichts Ungewöhnliches ist. Ägyptische Scharfschützen und eigenes Feuer fügten den Marineinfanteristen zwar schmerzhafte Verluste zu, trotzdem konnten diese das Gefecht für sich
entscheiden.
Das eilig verbreitete Gerücht, die sowjetische Armee käme Ägypten zur
Hilfe, konnte Nassers demoralisierte Truppen nicht mehr stabilisieren: Die ägyptische Armee und ihre sieben gepanzerten Divisionen mussten wegen des schnellen Vorstoßes der Angreifer und deren
Luftüberlegenheit zurückweichen.
Die Kommandos erreichten den Kanal und wandten sich nach Südwesten in
Richtung Kairo. Jetzt, da der Kanal in den Händen der Europäer war, sicherten sie vor einem
weiteren Vorstoß nach Süden und Westen ihre Positionen.
Wider erwarten erhielten die europäischen Mächte keine Rückendeckung
von Seiten der Vereinigten Staaten für ihr Vorgehen. Der britische Premier Eden rechnete damit, Dwight D. Eisenhower würde sich trotz Vorbehalte im Kriegsfall auf die Seite seiner zentralen
europäischen Alliierten schlagen. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges verfolgte Washington jedoch eine Containment-Politik und hielt gute Beziehungen zu Staaten der Dritten Welt für wichtiger
als britisch-französische Macht- und Wirtschaftsinteressen. Zudem wollten sie ein Ausufern des Konflikts zu einem größeren Krieg verhindern, nachdem die UdSSR gedroht hatte, Ägypten militärisch
zu unterstützen. Die Rote Armee war jedoch mit der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes beschäftigt.
Die Vereinigten Staaten brachten daher eine Resolution im
UNO-Sicherheitsrat ein, die den Rückzug Israels aus Ägypten forderte. Da Frankreich und Großbritannien selbst Veto-Mächte im Sicherheitsrat sind, konnten sie die Resolution erfolgreich
verhindern. Daraufhin kam es zu einer ungewöhnlichen Kooperation zwischen den Kalten Kriegern: Um eine weitere Eskalation des Konfliktes zu vermeiden, sah sich Washington gezwungen, mit seinem
Antagonisten Moskau eine "Uniting-for-peace"-Resolution anzustreben, die die Entscheidung über die Resolution der Generalversammlung der UN überträgt ohne Veto-Möglichkeit der ständigen
Mitglieder.
Mit Beginn der Bodenoperationen wuchs der diplomatische Druck auf
Großbritannien und Frankreich sprunghaft an. Die USA drohten Großbritannien auch mit der Veräußerung von Reserven an britischer Währung, was deren Kurs hätte einbrechen lassen können. Des
Weiteren wäre im Falle einer sowjetischen Intervention die Aufrechterhaltung des im Zuge des NATO-Bündnisses errichteten nuklearen Abwehrschirms durch die USA gefährdet gewesen. Am 6. November um
Mitternacht verkündete Premierminister Eden deshalb einen Waffenstillstand.
Die Vereinten Nationen stationierten nach dem Rückzug die
Friedenstruppe UNEF I (United Nations Emergency Force).
Der Kriegsschauplatz wurde am 22. Dezember 1956 wieder geräumt.
Versenkte Schiffe versperrten die Durchfahrt jedoch noch bis 1957. Am 10. April 1957 passierte das italienische Schiff Oceania als erstes den, für den Schiffsverkehr wieder zugänglichen
Suezkanal, auf ihrer Fahrt nach Australien.
Das Engagement am Kanal, obwohl militärisch erfolgreich, entwickelte
sich so gerade für Großbritannien zu einer Demütigung ersten Ranges. Zudem war nur das Ziel einer Besetzung der Kanalzone vorübergehend erreicht worden. Der Sturz Nassers durch die Intervention
misslang. In der Folge musste Premierminister Anthony Eden zurücktreten, die britische Wirtschaft und Währung kamen unter Druck. Zugleich verfestigte sich Großbritanniens Verlust seiner
Weltmachtstellung – es war der letzte Versuch der alten Weltmacht, ohne Zusammenarbeit mit der neuen Weltmacht USA, ihre Interessen durchzusetzen. Zudem wuchs der Widerstand der Staaten der
Dritten Welt: Die Niederlage der Briten beschleunigte die Entwicklung, mit der in den nächsten Jahren auch die restlichen britischen und französischen Kolonien auf dem Weg über die Dekolonisation
ihre Unabhängigkeit anstrebten.
Die UdSSR schaltete sich
in der Folge in den Nahostkonflikt ein und unterstützte Ägypten militärisch und wirtschaftlich. Zudem konnte sie den Ungarn-Aufstand ungehindert niederschlagen, da Washington für die
"Uniting-for-peace"-Resolution auf die Unterstützung der UdSSR angewiesen war.
Auf ägyptischer Seite stärkte die Krise trotz militärischer Niederlage massiv die Position Nassers in der arabischen Welt und seinen Panarabismus.
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