Unter Judentum versteht man die Gesamtheit aus Kultur, Geschichte, Religion und Tradition des sich selbst als Volk Israel (hebr. am jisrael, bnei jisrael) bezeichnenden jüdischen Volkes. Mit dem Begriff können auch gezielt die jüdische Religion oder, als Gruppe, die sowohl ein Volk als auch eine Glaubensgemeinschaft darstellenden Juden (hebr. jehudim) angesprochen werden.
Das Judentum wird aus historischen Gründen häufig zu den Weltreligionen gerechnet, wenngleich ihm nur circa 13,5 Millionen Menschen angehören (Vergleich: Christentum circa 2,3 Milliarden, Islam circa 1,4 Milliarden). Das Christentum und der Islam berufen sich vielfach auf die Überlieferungen des Judentums. Das Judentum war hinsichtlich seiner Verbreitung - je nach religionswissenschaftlicher Definition - die erste Weltreligion. Zum Ende der Antike fanden sich jüdische Gemeinden weit über den römisch-hellenistischen Raum hinaus verstreut bis nach China, Indien und Afrika.
Die deutsche Bezeichnung „Juden“ geht über den lateinischen Ausdruck judaeus, dann den griechischen Ausdruck ioudaios und aramäische und persische Entsprechungen zurück auf das hebräische Wort yehudi. Dieses bezeichnete zunächst die Angehörigen des Stammes Juda und die dessen Territorium Bewohnenden. Unter der Herrschaft Davids in Hebron wird dieses Gebiet "Königreich Juda" genannt (2 Sam 5,3). Unter Rehabeam wird dieses Königreich aufgespalten. Das südlichere Teilgebiet wird Juda genannt (das nördlichere Teilgebiet "Israel"). Der Ausdruck "Judäer" wird wiederum sowohl für Stammesangehörige wie auch sonstige Bewohner gebraucht, so etwa auch für die Angehörigen des Stammes Benjamin (1 Kön 12, 16-21). Das Nordreich besteht nur bis 722 v. Danach wird "yehudi" und dessen Entsprechungen insb. im Persischen unterschiedslos gebraucht, insb. auch als Bezeichnung für die Angehörigen einer spezifischen Religion (mityahadim, vgl. Esth 8,17); religiöse, politische und nationale Aspekte sind terminologisch nicht differenzierbar. Dieser Sprachgebrauch ist - manifest u.a. auch später in neutestamentlichen Texten - vorwiegend Fremdbezeichnung; als Selbstbezeichnung überwiegt yisrael, und zwar vermutlich, um die nationale Identität durch Erinnerung der Frühgeschichte zu stabilisieren.
Nach halachischem Recht gilt als Jude, wer Kind einer jüdischen Mutter ist oder regelgerecht zum Judentum konvertiert ist (Gijur). Insb. seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird diese Definition vielfach nicht mehr akzeptiert, unter anderem aus folgenden Gründen:
In Personalausweisen ist von le'om die Rede, was u.a. mit "Nationalität" wiedergegeben werden kann. 1958 spitzte sich
eine Kontroverse im israelischen Kabinett unter Premierminister David Ben-Gurion zu, wie dieser Terminus zu handhaben sei: im Sinne einer Identifikation mit dem Staat Israel oder im Sinne des
halachischen Rechts. Ben-Gurion ließ Gutachten von jüdischen Gelehrten einholen, deren Mehrheit sich dafür aussprach, der halachischen Definition zu folgen. Der oberste Gerichtshof Israels schlug
dann 1968 anlässlich einer Klage von Benjamin Shalit, Chefpsychologe der israelischen Armee, der Staatsregierung vor, das betreffende Gesetz zu ändern. Nachdem die Regierung dem nicht folgte,
entschied das Gericht am 23. Januar 1970 mit fünf von neun Stimmen, dass in den Pass aufzunehmen sei, was glaubwürdig vom Antragssteller angegeben werden. Einige der Richter notierten, dass
le'om nicht-religiös definierbar sei. Dieses Urteil hätte darüber hinaus keine weiteren Konsequenzen gehabt, z.B. für Eheschließungen vor rabbinischen Gerichten. Nach massiven Protesten
wurde das Gesetz allerdings wieder im Sinne der halachischen Definition verändert; es wurden aber auch Konversionen vor nicht orthodoxen Rabbinern zugelassen.
Ein Jude nach der vorerwähnten halachischen Definition könnte auch einer anderen Religion folgen. Derartige Fälle wurden
allerdings über Jahrhunderte hinweg kontrovers debattiert, auch im Zusammenhang mit "Apostaten".
Ein weiterer Problemfall ist die Konversion aus nicht-altruistischen Beweggründen, etwa zum Zwecke einer gültigen Eheschließung. Nach halachischem Recht sollte dies ungültig sein. Es wurde aber auch vorgeschlagen, Konversionen gelten zu lassen, bei welchen nur kein Wissen von den jüdischen Vorschriften bestand, diese aber nicht explizit abgelehnt wurden.
Nach der Thora, den fünf Büchern Mose, beginnt die Geschichte des jüdischen Volkes mit dem Bund, den Gott mit Abraham
schließt (Gen 12). Die jüdische Tradition sieht Abraham als den Begründer des Monotheismus, des Glaubens an einen einzigen, unsichtbaren Gott. Diesen Bund setzt Gott mit Abrahams Sohn Isaak und
dessen Sohn Jakob fort, der seit dem Ringkampf am östlichen Ufer des Flusses Jabbok (1. Mose 32) Jisrael genannt wurde.
Jakob hatte zwölf Söhne, die als Stammväter der Zwölf Stämme Israels (Israeliten) gelten. Diese ziehen von Kanaan, dem
heutigen Palästina bzw. Israel nach Ägypten, wo ihre Nachfahren vom Pharao versklavt werden. Aus dieser Sklaverei werden die von Mosche (Moses) angeführten Hebräer durch Gott befreit, der ihnen
am Berg Sinai die, schriftliche und mündliche, Thora offenbart. Obwohl das jüdische Volk an dieser Aufgabe häufig scheitert, was die späteren Propheten immer wieder beklagen, bleibt der Bund mit
Gott ungebrochen.
Bereits in hellenistischer Zeit fanden Auswanderungsbewegungen aus Palästina statt. Das so genannte Hellenistische Judentum
entstand. Spätestens seit der Zerstörung des jüdischen Staates im 1. Jahrhundert nach Christus und der Zerstörung Jerusalems unter Hadrian (der Jerusalem in Aelia Capitolina umbenannte)
zerstreuten sich die Juden als regional greifbares und geschlossenes Volk endgültig. Die große Mehrheit siedelte innerhalb des Römischen Reiches. In der Spätantike und dem frühen Mittelalter
verschob sich der Schwerpunkt nach Babylonien, damals Teil des Reiches der Sassaniden.
Die übrigen Anhänger des Judentums verteilten sich im Hochmittelalter auch in andere Teile Europas, im Spätmittelalter, im
Zuge der Pestpogrome und der Ausweisung beispielsweise aus Frankreich, besonders nach Osteuropa, ferner in die islamische Welt und im Anschluss, Vertreibung aus Spanien 1492, wieder ins heutige
Palästina sowie auch in die Neue Welt. Juden wurden oft verfolgt und gettoisiert, konnten sich stellenweise aber auch unter Beibehaltung von Glaube und Tradition als integraler Bestandteil der
lokalen Gesellschaften etablieren.
Die jüdische religiöse Tradition ist eine monotheistische Religion, deren Gott auch als der Gott Jisraels bezeichnet
wird. Dieser Gott wird im orthodoxen Verständnis als Schöpfer des Universums angesehen, der auch heute noch aktiv in der Welt handelt (Theismus), siehe: lebendiger Gott, als Begriff des
Christentums. Einige wenige jüdische Philosophen des Mittelalters (Gersonides, Abraham ibn Daud), beeinflusst durch die Kabbala und Neu-Aristotelismus, und der Neuzeit, Harold Kushner
(insbesondere nach dem Holocaust) tendieren allerdings zu einer eher distanzierten Positionierung dieses Gottes (Deismus), der sich von seiner Schöpfung entfernt habe.
Die jüdische Religion basiert auf den religiösen Überlieferungen des jüdischen Volkes. Diese Überlieferungen teilen sich auf in eine schriftliche Lehre, die in der Thora niedergelegt ist (schriftliche Thora), und eine mündliche Lehre, auch: mündliche Thora, die im Talmud diskutiert wird. Dieser ist historisch gesehen in Mischna und Gemara aufgeteilt. Auf beiden beruht die Halacha, das jüdische Gesetz. Die Halacha beruht aber auch auf rabbinischen Gesetzgebungen und Responsen, die im Laufe der Zeit gefällt wurden. Im Laufe der Jahrhunderte wurden zahlreiche Versuche unternommen, die Halacha zusammenzufassen; eines der bekanntesten Beispiele dafür ist der Schulchan Aruch.
Der Begriff Jüdischer Glaube bezieht sich auf die religiösen Traditionen des Judentums in der jüngsten Geschichte, in
der biblischen und vorbiblischen Zeit und in der Vielfalt seiner Strömungen. Das diese religiösen Traditionen tragende, bewahrende und lehrende Judentum der Gegenwart wird rabbinisch genannt.
Häufig wird im Sinne dieses Begriffs von den jüdischen Glaubensprinzipien gesprochen, die im angelsächsischen Raum Jewish principles of faith genannt werden. Diese sind jedoch im
Unterschied zum Christentum nicht allgemeingültig definiert und somit nicht dogmatisch. Auch der Glaube an die Existenz Gottes ist im Judentum, im Gegensatz zum Beispiel zum islamischen
Glaubensbekenntnis, nicht dogmatisch. Das Judentum kennt keinen Katechismus.
In der Geschichte des Judentums entstanden eine Reihe grundlegender Glaubensprinzipien, deren Einhaltung von Juden mehr oder
weniger erwartet wird, um in Einklang mit der jüdischen religiösen Gemeinschaft und ihrem Glauben zu sein, deren genaue Anzahl jedoch nicht feststeht und immer noch diskutiert wird. Die Strenge
und der Umfang dieser Forderungen variieren unter den verschiedenen jüdischen Gemeinden. Siehe Strömungen des Judentums, insbesondere Orthodoxes Judentum, Liberales Judentum und
Rekonstruktionismus. Rabbiner Josef Albo zählt im Sefer ha-Ikkarim drei Glaubensprinzipien.
Maimonides hat sowohl in halachischen wie in religionsphilosophischen Werken einige Grundprinzipien des jüdischen Glaubens
formuliert, darunter der Glaube an Gott als höchste und erste Ursache und Schöpfer von Allem, an Gottes Einheit, Unkörperlichkeit u.a. Diese Kodifikation wurde breit rezipiert. Ähnliche
Hervorhebungen treffen andere Autoren der jüdischen Scholastik vor und nach Maimonides.
Auch wird darauf verwiesen, dass ein ganzes, gerade gewordenes Volk, Zeuge Gottes bei der Schneidung des Bundes am
Berg Sinai war (im Christentum: etwa ein Dutzend, im Islam nur Mohammed, auch bei den Mormonen nur ein Mensch, deren Begründer).
Im Gegensatz zum Christentum und zum Islam hat das Judentum bis auf eine kurze Ausnahme in der antiken Geschichte auf Missionierung Andersgläubiger verzichtet. Das Judentum betrachtet es nicht als eine Sünde oder zum Beispiel als Ausschlusskriterium für die Empfängnis des Heils durch Gott , wenn Nicht-Juden und andere Völker ihre abweichenden Religionen bzw. Glaubensvorstellungen pflegen. Das Judentum ist der Ansicht, dass auch Angehörige anderer Religionen Anteil am Leben nach dem Tode haben können, wenn sie ein ethisches Leben geführt haben. Siehe hierzu Noachidische Gebote.
Jüdische Gemeinden werden geistlich und rechtlich von einem Rabbiner geleitet. Sephardische Juden sowie die Karäer bezeichnen ihren geistlichen Leiter auch als Chacham (Weiser). Bei jemenitischen Juden ist der Begriff Mori (mein Lehrer) gebräuchlich. Die Gottesdienste werden im Allgemeinen von einem Kantor (Chasan) oder allgemeiner gesagt von einem Vorbeter geleitet; zu ihrer Durchführung wird ein Quorum bzw. (hebräisch) Minjan, d.h. die Versammlung von zehn religiös volljährigen jüdischen Personen (in der Orthodoxie nur Männer), benötigt. Die allgemeine, weltliche Leitung einer jüdischen Gemeinde hingegen liegt bei einem von den Gemeindemitgliedern zu wählenden Gemeindevorstand.
In der Gegenwart gibt es verschiedene Strömungen innerhalb des religiösen Judentums. Die Gruppierungen unterscheiden sich
nicht in erster Linie, aber auch in Hinblick auf Gottesvorstellungen und Glauben. Es werden orthodoxe und nicht-orthodoxe jüdische Strömungen unterschieden. In einem weiteren Sinn können die
nicht-orthodox Strömungen auch als progressiv, reformiert oder liberal (wobei hier liberal nicht vom politischen Liberalismus abgeleitet ist) bezeichnet werden. Eine
Mittelstellung zwischen Orthodoxie und dem liberalen Judentum nimmt das im 19. Jahrhundert sich formierende konservative Judentum ein.
Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen orthodoxem Judentum und den nicht-orthodoxen Strömungen ist das Verständnis der
Offenbarung am Berg Sinai, wobei die Orthodoxie vom buchstäblichen Sinn der von Moses empfangenen Thora als unbedingt gültiger Weisung ausgeht. Das nicht-orthodoxe Judentum versteht diese
Offenbarung nicht als absolut, sondern als einen fortdauernden Prozess des Dialoges Gottes mit seinem Volk, in der Zeit und in den Kulturen. Im Kontext dieser historisch-kritischen Auslegung der
Offenbarung entstanden alle nicht-orthodoxen Strömungen des Judentums. Da sie alle die Entwicklung betonen, gehören sie zum progressiven Judentum im weitesten Sinne. Im engeren Sinne
gehören zum progressiven Judentum alle Gruppen des Reform-Judentums, die sich im Verband Weltunion für progressives Judentum zusammengeschlossen haben.
Alle religiösen jüdischen Strömungen der Gegenwart haben ihren Ausgang in den Impulsen der Geistesgeschichte vor allem
Deutschlands und Europas ab Ende des 18. Jahrhunderts. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich der Schwerpunkt der wissenschaftlichen und theologischen Entwicklung des Judentums in die USA
verlagert. Aus Deutschland sind die Beiträge zur Entwicklung jüdischen Denkens und Geistesleben nach der Shoa unbedeutend. Langsam entwickelt sich dieses aber zunehmend unter der Zuwanderung
jüdischer Menschen aus der ehemaligen UdSSR, aus der Diaspora Osteuropas und Asiens.
Hauptströmungen des Judentums der Gegenwart:
Andere, kleinere religiöse Strömungen des Judentums der Gegenwart:
Andere laizistische Strömungen des Judentums der Gegenwart:
Unter Einfluss einiger Freikirchen entstand in den USA die Gruppe der so genannten messianischen Juden (Eigenbezeichnung) oder modernen Judenchristen, die sich zum Christentum bekennt. Meist sind dies konvertierte Juden evangelikaler Prägung, die an ihrer jüdischen Identität festhalten sowie ein paar jüdische Traditionen pflegen und hauptsächlich in den USA zu finden sind. „Messianisches“ Judentum ist nach dem Verständnis aller anderen Strömungen des Judentums (orthodox, konservativ, liberal, reformiert) im religiösen Sinn kein Judentum, da seine Interpretation der Tradition christlich ist. Hier unterscheiden sich Selbstwahrnehmung und Außenwahrnehmung.
Das Judentum ist seit Jahrtausenden häufig religiösen, ideologischen und politischen Anfeindungen und dabei Pogromen und Verfolgungen ausgesetzt. Einmalig in der Geschichte ist dagegen die Shoa, der Versuch der planmäßigen und quasi-industriellen Ausrottung des jüdischen Volkes durch das nationalsozialistische Deutschland.
1934 wurden 17 Millionen jüdische Menschen auf der Welt gezählt. Sechs Millionen davon, mehr als ein Drittel, fielen der Shoa
zum Opfer. Dies beschleunigte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs die Umsetzung der zionistischen Bestrebungen und führte 1948 zur Gründung und internationalen Anerkennung des Staates
Israel als jüdische Heimstätte.
Der heutige Staat Israel ist von der Verfassung her eine säkulare Demokratie nach westlichem Vorbild, seine Innenpolitik ist
jedoch in einigen Bereichen weiterhin stark religiös geprägt. So ist eine bürgerliche Heirat in Israel nach wie vor nicht möglich, da das Familienrecht den jeweiligen Religionsgruppen unterstellt
ist. Dies kann zum Beispiel bei einer Scheidung zu Problemen für Frauen führen, wenn sich der Ehemann weigert, der Frau den Scheidebrief (Get) zu überreichen. Gegen einen Ehemann, der eine
Scheidung dauerhaft grundlos verhindert, kann zwar vom Rabbinatsgericht eine Erzwingungshaft angeordnet werden, doch ohne einen Get bleibt nach traditionellem jüdischen Recht die von ihrem Mann
getrennte Frau „gebunden“ und kann nicht erneut heiraten.
Aufgrund der besonderen Geschichte und Tradition des Judentums ist das Verständnis einer jüdischen Identität ausgeprägt, die sich auf ein gemeinsames Schicksal bezieht und nicht notwendigerweise religiös begründet wird. Viele Juden betrachten sich gleichzeitig zum Beispiel als Briten oder US-Amerikaner, bis 1933 auch als patriotische Deutsche, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben für ihre europäische Heimat riskierten oder opferten.
In der Geschichte wurden Juden in vier größere Gruppen eingeteilt:
Kleinere Gruppen sind
Umstritten ist die Stellung
Die jüdischen Gruppen in China (Kaifeng, Bagdad-Juden, russische Aschkenasim und Holocaust-Flüchtlinge) kamen zu
verschiedenen Zeiten und auf unterschiedlichen Wegen nach China.
Die Samaritaner sind eine frühzeitige Abspaltung von den Juden im engeren Sinne, die dennoch gewollt oder ungewollt lange deren Schicksal teilten: Aufstände der Juden zogen oft auch die Samaritaner in das Geschehen ein, da die Römer Probleme hatten, diese zu unterscheiden. Wie es in Rom jüdische Synagogen gab, so gab es auch samaritanische. Heute gibt es nur noch sehr wenige Samaritaner.
Fast alle Juden der Neuzeit folgen dem in Mischna und Talmud enthaltenen mündlich überlieferten Gesetz; sie werden als
Rabbinisches Judentum bezeichnet. Innerhalb des rabbinischen Judentums gibt es verschiedene Richtungen, wie etwa das Orthodoxe oder das Reformjudentum.
Die jüdische Kultur steht in starker Wechselwirkung zu den Kulturen, in denen die jeweilige jüdische Gemeinschaft ihr
kulturelles Leben entfaltet, so dass sie kaum isoliert betrachtet werden kann. Dabei spielt die Religion eine unterschiedlich große Rolle.
Durch die Aufsplittung des Europäischen Judentums in die Aschkenasim und Sephardim haben sich hier zwei auch durch die Sprache unterschiedene Kulturräume entwickelt.
Hebräisch ist die Sprache der ältesten jüdischen Schriften und war Umgangssprache der Juden in der antiken Periode ihrer
Unabhängigkeit. Es wurde als Umgangssprache nach Jahrhunderten vom Aramäischen verdrängt, blieb aber bis in unsere Tage hinein Gottesdienstsprache, zum Teil auch Gelehrtensprache. Das Aramäische
ist eine zum Hebräischen sehr ähnliche Sprache, die auch das schriftliche Hebräisch späterer jüdischer Schriftwerke beeinflusst hat. Einige Passagen in den Schriften des Tanach wurden schon auf
aramäisch verfasst, so wechselt beispielsweise das Buch Daniel vom Hebräischen ins Aramäische. Jesus und seine jüdischen Landsleute sprachen aramäisch. In der Diaspora nahmen die Juden die
Sprachen der Länder an, in denen sie lebten. Einige Sonderfälle sind Sprachen, die jüdische Gemeinschaften aus verschiedenen Gegenden der Welt übernommen haben und aufgrund der historischen
Umstände zu selbständigen Sprachen (wenn man will, zu Dialekten) weiterentwickelt haben. Jiddisch (die Sprache der Aschkenasim), Ladino (oder Sephardisch, die Sprache der Sephardim),
Judäo-Berberisch (die Sprache jüdischer Berber in Marokko), Tat (auch: Judäo-Tat, die Sprache der Bergjuden des Kaukasus (Dagestan, Aserbaidschan)). Im Alltag sprechen Juden die Sprache
des Landes, in dem sie leben.
Das Iwrith, welches heute in Israel gesprochen wird, stellt eine gelungene Wiederbelebung des antiken Hebräisch dar, das um einen modernen Wortschatz erweitert wurde und auch in der Grammatik einige Anpassungen erfuhr. Es entwickelt sich heute im lebendigen Gebrauch weiter wie andere Sprachen auch.
Das Christentum entwickelte sich auf der Basis der jüdischen Religionsgeschichte und teilt mit dem Judentum die Schriften des
Alten Testaments. Hier wird - für Juden wie Christen gleichermaßen verbindlich - vorhergesagt, dass Gott einen Heilsbringer in die Welt senden wird.
Nach jüdischem Verständnis ist dieser Messias bis heute noch nicht erschienen. Nach christlichem Verständnis dagegen ist der
Messias bereits in Gestalt Jesu Christi in die Welt gekommen, indem Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist und sich selbst geoffenbart und zur Sündenvergebung geopfert hat, die den Menschen
das ewige Leben eröffnet. Insofern besteht hier eine Quelle für einen Absolutheitsanspruch des Christentums gegenüber dem Judentum und umgekehrt.
Jesus verkündet, dass er allein der Schlüssel zum Heil (d.h. zum ewigen Leben) ist:
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich! “ – Johannes-Evangelium, (Kapitel 14, Vers 6)
Nach christlichem Glauben - wie er von vielen verstanden wird - muss jeder Mensch (also auch alle Nicht-Christen) nach seinem
Tod vor den Richterstuhl Christi treten. Dort entscheidet sich, ob er durch die Annahme des stellvertretenden Kreuzestodes von der Sündenschuld befreit in ewiger Gemeinschaft mit Gott leben oder
durch Verweigerung der Gnade Christi für immer von Gottes Gegenwart getrennt, also in der Hölle, sein wird.
Der Katholizismus sieht den Absolutheitsanspruch der Gegenwart Christi in der Welt überdies nur dann als gewährleistet an,
wenn die geistliche Autorität der sakramental verfassten Kirche anerkannt wird. Die katholische Kirche hat mit der Konzilserklärung Dignitatis humanae von 1965 die Konflikte, die mit ihren
früheren (auch weltlichen) Ansprüchen entstanden, entschärfen können, ohne aber sämtliche Probleme im Verhältnis von Kirche und Staat zu lösen. Protestanten und Anglikaner haben keinen
Absolutheitsanspruch.
Der islamische Absolutheitsanspruch basiert auf der Annahme, dass der Islam die Fortführung und Vervollständigung der zwei
älteren abrahamischen Religionen - Juden- und Christentum - und damit einhergehend die reine Form der ursprünglichen Religion Abrahams sei.
„Die Menschen, die Abraham am nächsten stehen, sind diejenigen, die ihm (und seiner Verkündigung seinerzeit) gefolgt sind,
und dieser Prophet (d.h. Mohammed) und die, die (mit ihm) gläubig sind. Gott ist der Freund der Gläubigen.“
Somit sei Mohammed der letzte aller Gottgesandten, das "Siegel der Propheten"...:
„Mohammed ist nicht der Vater von (irgend)einem eurer Männer (auch wenn dieser sein Nennsohn ist). Er ist vielmehr der
Gesandte Gottes und das Siegel der Propheten (d.h. der Beglaubiger der früheren Propheten, oder der letzte der Propheten). Gott weiß über alles Bescheid.“
...und der Islam die einzig wahre Religion:
„Als (einzig wahre) Religion gilt bei Gott der Islam. Und diejenigen, die die Schrift erhalten haben, wurden - in
gegenseitiger Auflehnung - erst uneins, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war. Wenn aber einer nicht an die Zeichen Gottes glaubt, ist Gott schnell im Abrechnen.“
Entsprechend betrachtet der Koran die Anhänger des Islam als die beste Gemeinschaft der Menschheit überhaupt. In Sure 3, Vers 110 heißt es:
„Ihr (Gläubigen) seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist. Ihr gebietet, was recht ist, verbietet,
was verwerflich ist, und glaubt an Gott. Und wenn die Leute der Schrift geglaubt hätten, wahrlich, es wäre gut für sie gewesen! Unter ihnen sind Gläubige, aber die Mehrzahl von ihnen sind
Frevler.“
Dieser Glaube basiert einerseits auf dem obigen Koranvers kuntum chaira ummatin كنتم خير أمة /
kuntum ḫaira ummatin /„Ihr (Gläubigen) seid die beste
Gemeinschaft“ und andererseits auf Koranversen, die den Herrschaftsanspruch des Islam untermauern. Genannt sei hier etwa Sure 9, Vers 29:
„Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären),
was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören - von denen, die die Schrift erhalten haben - (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut
entrichten!“
Der Absolutheitsanspruch des Islam erhält seine Legitimation ferner im islamrechtlichen Grundsatz, dessen Ausformulierung als
Prophetenspruch (hadith) auf das erste muslimische Jahrhundert (7. Jahrhundert n. Chr.) zu datieren ist und besagt (nach dem Sahih von al-Buchari, dschanâ'iz 79):
الاسلام يعلو ولا يعلى عليه / al-islāmu ya‘lū wa-lā yu‘lā ‚‚‘alayhi /„Der Islam ist überlegen, nichts ist ihm übergeordnet“
Als ein zentraler Grundsatz der klassisch-islamischen Lehre hatte er - und hat dies in einigen Teilen der islamischen Welt
nach wie vor - weitgehenden Einfluss auf die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, auf die Bestimmung des Stellenwerts von interreligiösen Ehen und auf den
interreligiösen Dialog.
So hat der muslimische Theologe und Hochschullehrer 'Abid ibn Muhammad al-Sufyani an der islamischen Universität Umm al-Qura
in Mekka in seiner Studie mit diesem islamischen Grundsatz mehrere rechtlich relevante Entscheidungen begründet:
Eine Ausnahme innerhalb der islamischen Tradition bilden die Lehren mancher Sufis (islamische Mystiker), wie beispielsweise die von Dschalal ad-Din Rumi (1207 - 1273) aus Konya, die auch andere Religion als "wahr" anerkannten.
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