Das Zwölfprophetenbuch (griech. Dodekapropheton, auch 12 kleine Propheten) ist eine Zusammenstellung von zwölf Prophetenbüchern im Tanach, der Hebräischen Bibel. Sie wurden im Judentum seit etwa 180 v. Chr. als ein gemeinsames Buch verstanden und oft auf einer einzigen Schriftrolle auf Papyrus, Leder oder Pergament überliefert.
Die zwölf Propheten sind im Tanach wie folgt angeordnet:
Diese Folge ergab sich zum einen aus den jeweiligen Eigenangaben der
Einzelschriften zu ihrer Wirkungszeit, zum anderen aus thematischen Bezügen. Demnach wirkten Hosea und Amos im frühen 8. Jahrhundert unter König Usija und seinen Nachfolgern im Südreich Judäa
bzw. unter Jerobeam I. im Nordreich Israel. Bei Joel und Obadja fehlen vergleichbare Angaben; tatsächlich traten sie erst viel später auf. Doch ihre Botschaft wurde als Fortsetzung der Kult- und
Sozialkritik des Hosea und Amos verstanden und daher dieser auch zeitlich zugeordnet. Der im Buch Jona dargestellte Prophet wurde wohl irrtümlich mit einem in 2 Kön 14,25 EU erwähnten Propheten
„Jona, Sohn Amittais“ gleichgesetzt, der dort mit Jerobeam II. in Verbindung gebracht wird.
Die Schriften Nahums, Habakuks und Zefanjas enthalten Hinweise, die
ihre Einordnung in das 7. Jahrhundert v. Chr. nahelegten. Haggai und Sacharja waren zeitnah auftretende nachexilische Kultpropheten des 6. Jahrhunderts v. Chr.; das später entstandene Buch
Maleachi wurde wiederum als inhaltliche Fortsetzung der Botschaft Sacharjas aufgefasst.
So entspricht vor allem die Einordnung der Bücher Joel, Obadja, Jona
und Maleachi nicht ihrer tatsächlichen historischen Entstehungszeit. Auch handelt es sich bei diesen jüngsten prophetischen Schriften des Tanach um literarische Kunstprodukte, hinter denen nicht
unbedingt historische Propheten stehen. Gleichwohl hat ihre Einordnung für das theologische Verständnis des ganzen Buchs im Tanach Bedeutung.
Die griechische Bibelübersetzung des Tanach, die Septuaginta, überliefert eine etwas andere Reihenfolge der Zwölf Propheten. Sie folgt einem „dreigliedrigen eschatologischen Schema“. Dabei sind die einzelnen Bücher thematisch in der Abfolge angeordnet:
Diese Anordnung entspricht der Septuagintafassung des Jeremiabuches, wo die Kapitel 46-51 des hebräischen Textes (Gericht gegen die Völker) zwischen den Kapiteln 25 (Gericht gegen Israel) und 26 (Heil für Israel) erscheinen.
Die zuerst entstandenen vorexilischen Prophetenschriften dieser
Sammlung (Hosea, Amos, Micha und Zefanja) wurden seit dem Babylonischen Exil der Judäer (586–539 v. Chr.) aufgereiht und gemeinsam überliefert. Nach dem Exil wurden zudem die Bücher Haggai und
Sacharja zu einem Buch vereint und dann mit den vier vereinten vorexilischen Schriften zusammengestellt. Diesem Sechserkorpus wurden nach und nach weitere neu entstandene Prophetenschriften
zugefügt, bis die Zwölferreihe um 200 v. Chr. abgeschlossen war. Ihr Umfang entspricht ungefähr dem ganzen, heute in 66 Kapitel eingeteilten Buch Jesaja.
Die Zwölfzahl spielt auf die Zwölf Stämme Israels als Nachkommen des
Stammvaters Jakob an, wie es das Buch Jesus Sirach in Sir 49,10 erkennen lässt:
„Sie [die zwölf Propheten] brachten Heilung für Jakobs Volk und halfen ihm durch zuverlässige Hoffnung.“
Zusammen mit den drei „klassischen“ Schriftpropheten der Exilszeit
folgen die zwölf Schriften im Tanach als „hintere“ den „vorderen“ Propheten: dem Buch Josua, Buch Richter, 1. Buch Samuel, 2. Buch Samuel, 1. Buch der Könige, 2. Buch der Könige. Diese 21
Einzelbücher bilden gemeinsam den zweiten Hauptteil des Tanach, die Nebi'im (Propheten).
In der Tradition der rabbinischen Theologie galten die zwölf Propheten
dabei als ein einzelnes Buch. Im babylonischen Talmud wurden sie im Traktat Baba Batra 14b/15a mit dem aramäischen Ausdruck „Trej Ašar“ (תרי עשר: „die Zwölf“) bezeichnet.
Diese bestehende Einheit nahm das werdende Christentum mit der
gesamten Septuaginta im 2. Jahrhundert in den Kanon des Alten Testaments auf. Dabei behielt sie deren andere Reihenfolge und ließ das Zwölfprophetenbuch den übrigen drei Schriftpropheten der
Exilszeit – Jesaja, Jeremia und Ezechiel – vorausgehen.
Seit der lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata, werden die zwölf Einzelbücher wegen des geringen Umfangs als „kleine“ den drei „großen“ Prophetenbüchern nachgeordnet. Dabei vermerkte der Autor und Herausgeber dieser Übersetzung, Kirchenvater Hieronymus, im Vorwort ausdrücklich:
„Unum libre esse duodecim prophetarum.“ - „Ein Buch sind die zwölf Propheten.“
Die zwölf Propheten sind wie alle Propheten Israels die Künder des
einzigartigen, richtenden und rettenden Willens JHWHs an sein Volk, daneben auch an die Fremdvölker, die dieses Volk bedrängen und/oder durch die Gott seinen Willen an Israel vollzieht. So
beginnen Hosea, Joel, Jona, Micha, Zefanja, Haggai und Sacharja mit einer Wortereignisformel, sei es als Überschrift, sei es als Aussage:
„[Dies ist das] Wort JHWHs, das erging an “ - „Und es erging das Wort
JHWHs an “
Es folgt der Name des jeweils berufenen Propheten. Eine Variante ist
der Ausdruck „Schauung des …“ Er weist auf den Empfang einer Vision hin, die die öffentlich ausgerichtete Wortbotschaft enthält: so bei Obadja und Nahum. Bei Amos und Habakuk werden beide Formeln
kombiniert:
„Die Worte des Amos, … die er schaute über Israel …“ - „Der Ausspruch,
den der Prophet Habakuk schaute …““
Als „Ausspruch über …“ oder einfach „Ausspruch“ präsentiert sich auch die Prophetie Nahums und Maleachis. Letztere wird erläutert als „Wort JHWHs an Israel durch Maleachi.“
In ihrer Zusammenstellung bilden die zwölf Prophetenbücher eine
fortlaufende Botschaft ein und desselben Gottes an Israel in dessen Geschichte. Dabei bilden Hosea und Maleachi den Anfangs- und Endpunkt dieses Kontinuums und geben die Grundmotive zu seinem
Verständnis vor.
Hosea stellt vor allem den Rückbezug auf den Auszug aus Ägypten und
die Wüstenwanderung der Israeliten her: Im Verhältnis Israels zu seiner ursprünglichen, durch keine Eigenmacht möglichen Erwählung zum Volk des befreienden Gottes liegt der Schlüssel für sein
gegenwärtiges und künftiges Geschick. Dabei ist der unerbittliche Zorn dieses Gottes über Abfall, Untreue und Verrat seines „Sohnes“ (Hos 11,1) getragen von seiner unendlichen Liebe zu diesem
Volk, die ihn zuletzt ohne menschliches Zutun sein Gericht bereuen und in Heil verwandeln lässt (Hos 11 und 14 als Schlusskapitel der vorausgehenden Gerichtspredigt). Der Schlussvers Hos 14,10 EU
fasst das Ziel dieser Liebe zusammen: Sie soll die Umkehr der Gerichteten und ihren Trennungsprozess von den Unbußfertigen bewirken und so die Rettung des ganzen Volkes ermöglichen.
Beide Motive – grundlose, erwählende Liebe Gottes zu ganz Israel,
notwendige Scheidung der Gerechten von den Ungerechten – greift das Buch Maleachi Jahrhunderte später erneut auf (Mal 1,2f EU):
„Ich habe euch geliebt … Habe ich nicht Jakob geliebt und Esau
gehasst?“
Demgemäß kündet der letzte Abschnitt Mal 3,13–21 den seit Am 5 angedrohten „Tag JHWHs“ – das Endgericht Gottes über Israel und die Völker – als Vernichtung der Frevler und Rettung der Gerechten an.
Die Schlussverse des Zwölfprophetenbuchs, Mal 3,22–24,
lauten:
„Denkt an das Gesetz meines Knechtes Mose; am Horeb habe ich ihm Satzung und Recht übergeben, die für ganz Israel gelten. Bevor aber der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende ich zu euch den Propheten Elija. Er wird das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern, damit ich nicht kommen und das Land dem Untergang weihen muss.“
Damit bindet eine vermutete Endredaktion das ganze Korpus an die Thora
und stellt es zugleich in eine endzeitliche Perspektive. Drei Motive sind miteinander verknüpft:
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