Die Juden

 

Als Juden (hebr. יְהוּדִים, transliteriert Jehudim) bezeichnet man sowohl die Angehörigen des jüdischen Volkes als auch der jüdischen Religion.

 

Unter dem „jüdischen Volk“ werden sowohl das historische Volk der Israeliten als auch dem jüdischen Selbstverständnis gemäß alle Juden verstanden, die nach der Thora von den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob abstammen. Deren Verheißungsgeschichte hat nach dem ersten Buch Mose alle Völker segnenden, sie einbeziehenden Charakter: Wer von einer jüdischen Mutter geboren ist, gilt im Talmud daher ebenso als Jude wie der, der zu diesem Glauben übergetreten ist, unabhängig von seiner Herkunft. Der Begriff des jüdischen Volkes im zweiten Sinne bezeichnet nicht ein ethnisch einheitliches Nationalvolk mit geschlossenem Siedlungsraum, einer gemeinsamen Geschichte, Sprache und Kultur, sondern eines, das zur jüdischen Diaspora zerfiel.

 

Der Bezug auf diese gemeinsame Herkunft verbindet auch religiöse und säkulare Juden: „Von Zugehörigkeit zum Volk Israel … kann man jedoch auch sprechen, wenn ein Individuum kulturell oder religiös von der religiös-kulturellen Wirklichkeit der Geschichte Israels in wesentlichen Bereichen seiner Persönlichkeit als geschichtliches Wesen faktisch geprägt ist und das auch positiv akzeptiert.“

 

Das deutsche Wort „Jude“ kommt vom hebräischen jehudi יְהוּדִי, was so viel wie Bewohner des Landes Jehūdāh bedeutet. Dem Wortsinn nach bezeichnet der Begriff also nur die Angehörigen der Provinz Jehūdāh.

 

Entstehung des Judentums

 

Als Urväter der Juden gelten Abraham, Isaak und Jakob, die westsemitische Nomadenstämme anführten, die irgendwo zwischen dem Mittelmeer und Mesopotamien lebten. Historische Belege für ihre Existenz gibt es keine. Wenn, dann lebten sie wahrscheinlich während der Zeit der Sesshaftwerdung der Nomaden zu Beginn der Bronzezeit, also zwischen 1900 und 1500 v.Chr.

 

Als Stifter der jüdischen Religion gilt Mose. Daher wird die jüdische Religion auch als „mosaische Religion“ bezeichnet. Moses ist im Judentum der höchste Prophet aller Zeiten, der Gott so nah kam, wie sonst kein Mensch vorher oder seitdem. Historische Belege für die Existenz Mose fehlen jedoch. In der Bibel führt Mose den Auszug des hebräischen Volkes aus Ägypten an. Wann und ob dieser historisch stattgefunden hat, ist jedoch ebenfalls unklar. Traditionell gilt Mose zudem als Verfasser der nach ihm benannten „Fünf Bücher Mose“ (in der jüdischen Religion umgangssprachlich „Thora“ genannt), die die Basis des jüdischen Glaubens bilden. Diese Auffassung wird heute jedoch außerhalb des Orthodoxen Judentums (sofern dort überhaupt mit der Historizität des Mose gerechnet wird) kaum mehr vertreten.

 

Als eigentlicher Begründer des heutigen Judentums gilt Esra (um 440 v.Chr.). Esra war in der Zeit des Babylonischen Exil Hohepriester und durfte mit seinem verschleppten israelischen Volk, das aus vermutlich etwa 20.000 Menschen bestand, auf Erlass des Perserkönigs Artaxerxes zurück nach Jerusalem. Dort ordnete er Tempeldienst und Priestertum neu und ließ Ehen von Juden mit heidnischen Frauen scheiden. Die religiöse Identität ist seitdem für das Judentum von ähnlicher Bedeutung wie die der Herkunft.

 

Begriff in der jüdischen Tradition

 

Nach der orthodoxen Auslegung der Halacha, den jüdischen Religionsvorschriften, gilt jeder Mensch als Jude, der eine jüdische Mutter hat, unabhängig davon, ob, oder wie sehr er die jüdischen Glaubensvorschriften befolgt oder nicht. Dabei ist es Bedingung, dass die Mutter bei der Empfängnis Jüdin nach der Halacha sein muss. Wenn also eine nichtjüdische Frau nach der Empfängnis, aber noch vor der Geburt des Kindes zum Judentum konvertiert ist, sind die Kinder keine Juden. Wenn sie jedoch kurz vor der Empfängnis zum Judentum konvertiert, ist das Kind jüdisch. Außerdem gilt als Jude, wer formell die Konversion zum Judentum (Gijur genannt) vollzogen hat. Einfacher Glaube an die jüdische Religion reicht nicht aus.

 

Das Prinzip der Halacha wird im Talmud auf die Thora zurückgeführt. Dadurch entwickelte sich eine Kultur, die über lange Zeit stabil blieb und den Juden eine eigene Identität bewahrte, obwohl sie über fast zwei Jahrtausende hinweg keinen eigenen Staat, vor allem kein eigenes Staatsgebiet, hatten. Ihre Heimat war und ist der ewige Bund Gottes mit Abraham und das an Moses und die anderen Propheten verkündete ewige Gesetz Gottes. Eine gleiche Phase der Diaspora (Zerstreuung) hatte das Volk Israel bereits in der babylonischen Verbannung überstanden. Heimgekehrt nach Jerusalem, begrenzten die Kinder Israels ihr Volk erneut auf die leiblichen Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs (Israels). Damals erreichte der Prophet Esra, dass Juden, die sich mit nichtjüdischen Frauen verbunden hatten, diese und die mit ihnen gezeugten Mischlingskinder verstoßen mussten.

 

Neubewertungen

 

Im Zeitalter der Aufklärung kam es auch innerhalb des Judentums zur Diskussion über den Sinn mancher Gesetze der Thora. So genannte Reformjuden oder liberale Juden begannen, ältere Bräuche, unter anderem auch die Frage, wer Jude ist und wer nicht, in Frage zu stellen. So kam es, vor allem in West- und Mitteleuropa, wo die Assimilationsbestrebungen weitaus stärker waren als im Osten, zu einer allmählichen Lockerung der bislang so engen Definition von „Jude“. Die meisten modernen jüdischen Gemeinden – z. B. in den USA oder Großbritannien – vertreten heute eine andere, weniger strenge Fassung des Begriffs „Jude“.

 

Innerhalb jüdischer Religionsgemeinschaften

 

Der orthodoxen Interpretation der Halacha entsprechend, ist nur das leibliche Kind einer jüdischen Mutter als jüdisch zu bestimmen. Ein Kind mit einem jüdischem Vater und einer nicht-jüdischen Mutter wird als nicht-jüdisch betrachtet. Obwohl die Konversion eines Säuglings unter bestimmten Umständen wie etwa bei Adoptivkindern oder bei Kindern konvertierender Eltern in Betracht gezogen werden kann, werden konvertierte Kinder beim Eintritt in den religiösen Erwachsenenstatus, der bei Mädchen im Alter von 12 Jahren, bei Jungen im Alter von 13 Jahren erreicht wird, typischerweise befragt, ob sie jüdisch bleiben wollen. Dieser Standard gilt sowohl im Konservativen als auch im Orthodoxen Judentum.

 

Jüdische Glaubensgemeinschaften, die die orthodoxen Auslegungen des jüdischen Gesetzes nicht als bindend anerkennen, haben andere Standards. Das amerikanische Reformjudentum und das Liberale Judentum in Großbritannien erkennen ein Kind mit nur einem jüdischen Elternteil – Mutter oder Vater – als jüdisch an, wenn dieses Kind den Standards dieser Gemeinschaft entsprechend als Jude aufgezogen wird. Für ernsthaft gemeinte Konversion sind alle heute weitverbreiteten Formen des Judentums offen. Obwohl es um die Konversion zum Judentum auch eine Kontroverse gibt, akzeptieren alle religiösen Bewegungen Konvertiten, die sie selbst aufgenommen haben, ohne Einschränkung.

 

Diese Abweichung von der traditionellen Sichtweise hat zu starken Spannungen mit traditionellen konservativen und orthodoxen Juden geführt.

 

Die Frage, ob eine Person Jude ist oder nicht, hat weitreichende religiöse Bedeutung. Einige orthodoxe Autoritäten erklären eine jüdische Ehe nur dann für gültig, wenn sie zwischen zwei Juden geschlossen wird. Ein öffentlicher Gemeindegottesdienst kann nur dann abgehalten werden, wenn mindestens zehn jüdische Beter (Minjan) teilnehmen.

 

In liberalen weltlichen Gemeinschaften

 

Die Mitglieder der meisten weltlichen jüdischen Gemeinschaften akzeptieren jeden Menschen als Juden, der sich als solcher erklärt, es sei denn, es gibt Grund zur Annahme, dass diese Person damit eine Täuschung begeht. Manche Mitglieder des Reformjudentums teilen diesen Standpunkt.

 

Im Staat Israel

 

Das Parlament des Staates Israel, die Knesset, hat in einer ersten Fassung des Rückkehrgesetzes (engl.: „Law of return“) 1950 zwar bestimmt: „Jeder Jude ist berechtigt, in das Land einzuwandern.“ Damit war aber nicht geregelt, wer als Jude gilt. Behördliche und gerichtliche Auseinandersetzungen zwangen die Knesset im Jahre 1970 jedoch dazu, das Rückkehrgesetz neu zu formulieren. Als Jude gilt seither in Israel derjenige, dessen Mutter oder Großmutter, Urgroßmutter oder Ururgroßmutter, jeweils mütterlicherseits, religiöse Jüdinnen waren, oder der, der nach den orthodoxen religiösen Regeln zum Judentum konvertiert ist. Diese Definition folgt der des Talmud, fügt aber das Ausschlussmerkmal „nicht einer anderen Religion angehörend“ hinzu. Jude ist nach offiziellem israelischem Verständnis eine Bezeichnung einer Nationalität, weil alle Juden der Welt unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft zum jüdischen Volk gehörten. Israel ist nach zionistischem Verständnis der „Staat des jüdischen Volkes“.

 

Zu diesem Thema fand das Schlagwort „Mihu Jehudi“ innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit starke Verbreitung.

 

Antijudaistische und antisemitische Definitionen

 

Die Frage, ob jemand als Jude eingestuft wird, konnte je nach Gesellschaft darüber entscheiden, ob diese Person einen bestimmten Beruf ausüben, eine Ausbildung erhalten, an einem bestimmten Ort leben, in Haft gehalten werden, verbannt oder mit behördlicher Billigung ermordet werden konnte. Die Einordnung als Jude folgt dabei keineswegs immer einer scharfen Begrifflichkeit, sondern konnte auch an diffuse Annahmen oder Vorurteile anknüpfen.

 

So konnte die mittelalterliche Beschränkung der Juden auf wenige erlaubte Berufe dazu führen, dass der Begriff des Juden („Jew“) noch in der 4. Auflage des Concise Oxford Dictionary von 1950 in seiner übertragenen.

 

Der Antisemitismus (bis 1945) definierte „Jude sein“ ethnisch und rassistisch, um auch konvertierte Juden weiterhin als Juden mit angeblich unveränderlichen, ererbten negativen Charaktereigenschaften ausgrenzen zu können. So konnten diese im Deutschen Kaiserreich trotz rechtlicher Gleichstellung weder durch Verzicht auf ihre Religionsausübung noch durch Heirat mit Andersgläubigen oder Konversion zum Christentum volle gesellschaftliche Anerkennung, Bildungs- und Aufstiegschancen erreichen. In der Völkischen Bewegung wurde diese Ablehnung verschärft und die Vertreibung oder Ausweisung aller von Juden abstammenden Personen gefordert. Der Nationalsozialismus übernahm die Vertreibung aller Judenstämmigen und mit Juden verheirateter „Mischlinge“ als politisches Ziel und führte 1935 eine entsprechende Gesetzgebung ein: die Nürnberger Gesetze. Diese wurden, ungeachtet des Glaubensbekenntnisses, auf alle Personen angewandt, die mindestens einen jüdischen Großelternteil (männlich oder weiblich) hatten; wobei diejenigen mit väterlicher/großväterlicher Abstammung wesentlich härter ausgegrenzt wurden und das Jahr 1800 willkürlich festgelegt wurde für den Zeitpunkt der Konversion. Den betroffenen Juden in Deutschland wurden damit ihre deutsche Nationalität und Bürgerrechte aberkannt (siehe dort). Das NS-Regime benutzte diese rassistische Definition von „Jude sein“ seit Beginn des Zweiten Weltkriegs auch in den von Deutschland besetzten Gebieten zur Deportation, Ghettoisierung und Vernichtung der Juden im Holocaust.

 

Geografische Verteilung

 

Heute gibt es etwa 13,3 Millionen Juden auf der Welt, das sind rund 0,2% der Weltbevölkerung, von denen die meisten in den Vereinigten Staaten und in Israel leben. Andere Schätzungen sprechen von etwa 15 Millionen Menschen weltweit.

 

Durch verschiedene Emigrations- und Immigrationswellen hat sich die Verteilung der Juden in der Welt in den letzten Jahren sehr verändert. Anfang der 1990er-Jahre lebte noch ein Großteil der Juden in der ehemaligen Sowjetunion. Nach ihrer Auflösung wanderten viele Menschen nach Israel, in die Vereinigten Staaten und nach Deutschland aus.

 

Folgende Tabelle basiert auf Angaben der Jewish Agency for Israel aus dem Jahr 2002, sofern nicht anders angegeben.

 

 

Land                     Juden                   % aller Juden                % der Bev.

 

 

 

USA                       5.700.000              43,56                               1,9    

 

Israel                     5.025.000              38,41                               76,7

 

Frankreich              519.000                 3,97                                 0,9    

 

Kanada                  364.000                 2,78                                 1,1    

 

Großbritannien       273.500                 2,09                                 0,5    

 

Russland                265.000                 2,03                                 0,2    

 

Argentinien            195.000                 1,49                                 0,5    

 

Deutschland           103.000                 0,79                                 0,1    

 

Ukraine                  100.000                 0,76                                 0,2    

 

Australien               99.000                   0,76                                 0,5    

 

Brasilien                 97.300                   0,74                                 0,1    

 

Südafrika               78.000                   0,60                                 0,2    

 

Ungarn                   51.300                   0,39                                 0,5    

 

Mexiko                   40.400                   0,31                                 0,04

 

Belgien                   31.400                   0,24                                 0,3    

 

Italien                    29.400         -                                                0,05

 

Niederlande           28.000         -                                                0,18

 

Weißrussland          24.300         -                                                0,24

 

Türkei                    17.000         -                                                0,03

 

Iran                       25.000                   0,19                                 0,04

 

Schweiz                  17.700         -                                                0,25

 

Österreich              9.000 -                                                          0,11

 

Welt                      13.083.900                    100,0                                       0,2  

 

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