Begrifflich unterscheiden muss man zwischen Propheten im Sinne von Prophetenbüchern und einzelnen Personen, die als Propheten bezeichnet werden. Diese Liste biblischer Propheten umfasst:
Jesaja (hebr. ישעיהו, Jeschajahu) ist neben Jeremia, Ezechiel und anderen einer der großen
Schriftpropheten des Tanach, der hebräischen Bibel. Im Kanon des Alten Testaments steht sein Buch an erster Stelle der Prophetenbücher. Jesaja wirkte im damaligen Südreich Juda zwischen 740 und
701 v. Chr. in der Zeit der Bedrohung durch die antike Großmacht Assyrien.
Er verkündete Juda, Israel und Assur Gottes Gericht, aber auch eine endzeitliche Wende zu universalem Frieden, Gerechtigkeit
und Heil. Als erster Prophet Israels verhieß er den Israeliten einen zukünftigen Messias als gerechten Richter und Retter der Armen.
Das gleichnamige biblische Buch wurde im Mittelalter in 66 Kapitel unterteilt. Davon weist historisch-kritische Bibelforschung die ersten 39 Kapitel dem Propheten Jesaja zu, Kapitel 40 bis 55 führt sie auf einen spätexilischen Propheten zurück, den sie Deuterojesaja nennt, die restlichen Kapitel auf den nachexilischen Tritojesaja.
Seit dem 19. Jahrhundert wird das Jesaja-Buch verschiedenen, teilweise unbekannten Autoren zugeschrieben, deren Verkündigung
später in einem Entwicklungsprozess zu einem Buch Jesaja zusammengefasst wurden. Auf die Autorschaft des Propheten Jesaja im 8. Jahrhundert v. Chr. führt man weitgehend die Kapitel 1 bis 39 des
Jesajabuchs zurück. Spätere Zusätze enthalten darin nach heutiger historisch-kritischer Sicht vor allem die Kapitel 24-27 und 33-39.
Die Kapitel 40-55 werden dem spätexilischen „Deuterojesaja“ (zweiter Jesaja) zugeschrieben, Kapitel 56-66 des Buches entweder
einem einzigen Autor „Tritojesaja“ (dritter Jesaja) oder noch weiteren verschiedenen Autoren. Diese späteren Autoren könnten Teil einer von dem ursprünglichen Jesaja begründeten Denkschule oder
Traditionslinie von Propheten gewesen sein.
Historisch-kritische Theologen nehmen an, dass diese Schriften schon in vorchristlicher Zeit in einem Buch zusammengefasst
wurden und das Wissen um dessen komplizierte Entstehung danach verloren ging. Denn schon die berühmte Jesajarolle der Schriftfunde aus Qumran (1947), die nach Radiokarbon-Untersuchungen von 1991
und 1994 um 200 v. Chr. niedergeschrieben wurde, war eine Einheit. Auch die Septuaginta, entstanden seit dem 3. Jahrhundert v. Chr., unterteilte das Buch nicht.
Im 12. Jahrhundert n. Chr. stellte der jüdische Kommentator Abraham Ibn Esra zum ersten Mal die einheitliche Autorenschaft
des Buches Jesaja in Frage. In seinem Jesajakommentar erklärte er, die zweite Hälfte (ab Kapitel 40) sei das Werk eines Propheten, der während des Babylonischen Exils lebte, bis kurz nach der
Rückkehr nach Zion. Diese Auffassung setzte sich im 18. und 19. Jahrhundert in der historisch-kritischen Theologie durch:
„Alle, mit Ausnahme der konservativen Gelehrten, übernehmen heute die Hypothese Döderleins, dass die in Kapitel 40 bis 66 des
Buches Jesaja enthaltenen Prophezeiungen nicht Worte des Propheten Jesaja aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. sind, sondern aus späterer Zeit stammen.“
Aufgrund weiterer Beobachtungen von literarischen Spannungen und Widersprüchen stellte man auch die Einheit des ersten
Buchteils zunehmend in Frage: So wurden beispielsweise Kapitel 15 und 16 einem unbekannten Propheten zugewiesen; Kapitel 23 bis 27, 34-35 wurden Jesaja abgesprochen, da deren Stoffe und Sprache
bereits stark den Kapiteln 40 bis 66 ähnelt.
Der Exeget Charles C. Torrey fasste die Forschungslage wie folgt zusammen:
„Der einst große ‚Prophet des Exils‘ ist zu einer völlig unscheinbaren Figur zusammengeschrumpft und wird unter dem Wirrwarr
von Bruchstücken fast begraben.“
Viele konservative Theologen sowie Evangelikale gehen von der Einheit des Jesajabuchs aus. Sie erklären die sprachlichen und
inhaltlichen Unterschiede zwischen den angenommenen Autoren als prophetische Zukunftsschau des ersten Jesaja. Diese vorkritische Sicht sehen historisch-kritisch ausgerichtete Theologen in der
Regel als unhaltbar an. Denn ab Kapitel 40 redet der Autor von Babylon als herrschender Macht und setzt das Babylonische Exil der Israeliten, die er trösten will, voraus. Diese fand erst über 120
Jahre nach den Ereignissen statt, die im ersten Buchteil eine Rolle spielen. Als Argumente für mehrere Autoren des Buches werden insbesondere genannt:
Dagegen wird eingewandt:
Das Buch ist in folgende Abschnitte unterteilt:
Die ersten 39 Kapitel bestehen überwiegend aus Prophezeiungen, in denen Jesaja den Nationen droht, die Juda verfolgen. Zu den
Nationen gehören unter anderem Assyrien, Ägypten, Babylonien, Syrien und Moab. Generell besagen die Prophezeiungen, dass Gott der Herr der Welt sei und alle ungläubigen Völker bestraft, die sich
sicher genug fühlen. Jesaja erwähnt hier auch einen Messias, eine geweihte Person, die Macht von Gott bekommen hat, und dessen Königreich, in dem Gerechtigkeit vorherrschen werde. Interessant an
dieser Prophezeiung ist, dass Jesaja konkret darüber schreibt, von wem dieser Messias abstammen wird. Bei Jesaja 11,1 heißt es nämlich, dass der Messias ein Nachkomme von König David sein
wird.
Ab Kapitel 40 wird die Befreiung der nach Babylonien verschleppten Juden vorhergesagt. Dabei beteuert der Autor, dass die Juden
das auserwählte Volk des Herrn seien und dass JHWH ihr einziger Gott sei.
Die letzten Abschnitte enthalten poetisch formulierte Prophezeiungen über die prächtige Zukunft Zions. Obwohl das Buch die
Verdammung von falschen Götzendienern erwähnt, endet es mit einer Nachricht der Hoffnung auf einen rechtschaffenen Herrscher. Die Wirkungszeit des Propheten in Jerusalem beträgt etwa 40
Jahre.
Im Buch Jesaja werden die Seraphim dargestellt und Immanuel und die Verheißung des Friedefürsten erwähnt.
Als Deuterojesaja wird von der Bibelwissenschaft ein angenommener, anonymer Prophet des Alten Testaments bezeichnet, der
zwischen ca. 550 v. Chr. und ca. 539 v. Chr. auftrat. Der Ausdruck Deuterojesaja ist griechisch und bedeutet zweiter Jesaja.
Umstritten ist heute vor allem die Frage, ob es sich um die einheitliche Verkündigung eines Propheten oder um die schriftliche
gewachsene Sammlung einer Art von Prophetenschule handelt.
Der deuterojesajanische Textkomplex beginnt in Kap. 40 mit dem programmatischen Ruf: „Tröstet mein Volk!“ Mit dem als Strafe
bzw. Folge begangenen Unrechts verstandenen Exil hat das Volk seine Schuld abgebüßt. Nun wird Gott kommen und es durch die Wüste ins Land Israel zurückführen. Diese Botschaft wird mit großer
Kraft und Bildhaftigkeit verkündet.
Eine besonders eigentümliche Schicht der deuterojesajanischen Texte sind die „Lieder vom Knecht JHWHs“ oder
„Gottesknechtslieder“ (Jes 42,1-4.(7); 49,1-6; 50,4-9; 52,13 bis 53,12). Dieser Beauftragte Gottes, gelegentlich als sein Sohn bezeichnet, gesalbt mit dem Geist, wird Licht und Recht zu allen
Völkern bringen. Dafür wird er selbst stellvertretend Schmach und Schande tragen bis zum Opfer des eigenen Lebens - und dennoch „auf Dauer leben“ (Kap. 53). Passagenweise scheint mit diesem
Gottesknecht das ganze Volk Israel gemeint zu sein. Dann wieder lässt sich der Text nur auf eine Einzelperson deuten. Die ganze Konzeption des stellvertretenden, sündentilgenden Leidens ist im
Alten Testament einmalig und wurde im Christentum auf Jesus bezogen (vgl. Apg 8,30-35 EU).
Ein weitere auffällige Sorte von Texten enthalten Heilsverheißungen an die „Tochter Zion“ Jerusalem, das als Gottesstadt
durchgängig als Frau personifiziert wird. Zu ihrem Herzen soll der Prophet sprechen (Jes 40,9-11 EU), sie trösten, ihr die Heimkehr ihrer verlorenen Kinder ansagen (Jes 49,14-26 EU) und die
Wiederherstellung ihrer Beziehung zu ihrem Gott, das Ende ihrer Schande und ihre Restauration (Jes 51,17 EU bis 52,12; 54). Hier spiegelt das Buch schon deutlich die zeitgeschichtlichen Umstände
einer Zeit der Restauration nach dem Ende der Exilszeit.
Wessen Verkündigung in den abschließenden Kapiteln 56 bis 66 zusammengefasst ist, weiß man nicht sicher. Seit Bernhard Duhm (1892) schrieb man diese zusätzlichen Kapitel einem einzigen Autor, Tritojesaja (griech. „dritter Jesaja“) zu. Heute neigen viele dazu, hier mehrere Autoren am Werk zu sehen.
Mit Tritojesaja (griech: „dritter Jesaja“) bezeichnet die bibelwissenschaftliche Forschung einen vermuteten eigenständigen
Autor der Kapitel 56 bis 66 des Jesajabuches des Tanach.
Die heutige historisch-kritische Forschung geht davon aus, dass das Buch Jesaja literarisch nicht einheitlich ist, sondern im
Lauf der Jahrhunderte gewachsen ist. Die Kapitel 56 bis 66 wurden dabei seit Bernhard Duhm 1892 als Werk eines anonymen Propheten in frühnachexilicher, persischer Zeit angesehen, der dann
ein Zeitgenosse des Propheten Maleachi gewesen wäre. Heute nimmt man eher an, es handle sich um eine Sammlung von Worten verschiedener Propheten.
Zentral für die Botschaft Tritojesajas ist die Frage nach der Zukunft Jerusalems, auffällig die Personifikation der Stadt als Tochter Zion in den Heilsverheißungen. Zeitlich ist seine Prophetie nach der Heimkehr des Volkes Israel aus dem Babylonischen Exil und dem Neubau des Tempels in Jerusalem anzusetzen, also etwa zwischen 521 und 510 v. Chr.
Jeremia (hebr. ירמיהו Yirməyāhū, Jirmejahu oder ירמיה Yirməyā(h), Jirmeja; dt. "Gott erhöht") ist neben Jesaja und Ezechiel einer der drei großen Schriftpropheten des Tanach, der hebräischen Bibel. Im Kanon des Alten Testaments steht sein Buch nach Jesaja an zweiter Stelle der Prophetenbücher. Im hebräischen Kanon gehört es zu den hinteren der Nevi'im. Seit dem Mittelalter wird das Buch in 52 Kapitel unterteilt.
Jeremia wirkte etwa 627 bis 587 v. Chr. in Jerusalem. Er predigte dem Volk Israel Bekehrung und Umkehr zu JHWH und prophezeite
jahrelang den Untergang der Tempelstadt, der im Jahr 586 v. Chr. tatsächlich eintrat.
Das Buch ist eine wichtige Quelle für die Geschichte des ausgehenden Königtums im Südreich Juda. Viele der darin
erwähnten Völker des Nordens finden sich auch in assyrischen und griechischen Quellen (Aschkenas, Gomer, Minni, Ararat (Urarṭu), Meder und Perser). Piotrovski versuchte Jeremia auch für die Geschichte von
Urarṭu heranzuziehen und setzte auf Grund von Jer 51,27 LUT (Feldzug von Ararat,
Minni und Aschkenas - gewöhnlich als Skythen gedeutet - gegen Babel) das Ende von Urarṭu 590 oder 585 an. Seine Interpretation wird jedoch überwiegend abgelehnt, die meisten Forscher gehen davon aus, dass das Reich bereits im 6. Jh. sein Ende
fand. Jeremia projizierte damit Ereignisse bzw. Völkerschaften aus der Vergangenheit in die nahe Zukunft.
Der Autor bezeichnet Jeremia (in Jer 1,1.11) als Sohn des Priesters Hilkija, der möglicherweise von Abjatar, dem von David nach
Anatot verbannten Priester (1 Kön 2,26), abstammt. Ob dieser mit dem 2 Kön 22 genannten Priester Hilkija identisch ist, ist höchst zweifelhaft. Eine priesterliche Prägung der Botschaft Jeremias,
wie etwa beim Propheten Ezechiel, ist trotz seiner priesterlichen Herkunft jedenfalls nicht erkennbar. Auch seine Stellung gegenüber der Josianischen Reform (622 v. Chr.) bleibt völlig unklar, da
Jeremiaworte aus den Jahren zwischen der Reform und dem Tod des Josia nicht überliefert sind.
Jeremia stammt aus Anatot (Jer 1,1), dessen Bewohner ihm das Auftreten als Prophet ausreden wollen (Jer 11,18-23).
Im biblischen Jeremiabuch ist die letzte Nachricht seine Verschleppung nach Ägypten. Spätere nicht-kanonische Schriften erzählen von seinem Leben dort und seiner Steinigung ca. 580 v. Chr. durch Juda.
1-10 Berufung Jeremias als Prophet und Gerichtsworte
Besonders beachtenswert ist die Tempelrede in Kap. 7 und die Götzenpolemik in Kap. 10 (vgl. Jes
44).
11-20 Klagen und Gerichtsworte
Die Konfessionen Jeremias thematisieren die Einsamkeit des Propheten, der darum Gott anklagt. Einprägsam sind
auch die zahlreichen Zeichenhandlungen Jeremias: Der verdorbene Gürtel (13), der zerschmetterte Krug (19), u.a..
21-24 Worte an die Führenden: Jerusalem wird
zerstört werden!
25 Ansage des 70-jährigen Exils
26-29 1. Schülerbericht: Das Schicksal Jeremias
Hier wird Jeremia im Konflikt mit anderen Propheten gezeigt, v.a. dem Hofpropheten Hananja.
30-35 Heilsworte
Die Rede vom Neuen Bund (31) wird verdeutlicht durch den Ackerkauf in Anatot (32). Dies soll zeigen, dass
Israel jenseits der bevorstehenden Zerstörung Jerusalems eine Zukunft hat.
36-45 2. Schülerbericht: Das Schicksal Jeremias im belagerten Jerusalem
Hier steht Jeremia im Konflikt mit dem letzten König Judas Zidkija. Nach der Eroberung Jerusalems (39) und der
Ermordung des babylonischen Statthalters Gedalja (41) flieht er nach Ägypten (43). Seine letzte Zeichenhandlung dort (43) kündigt die Eroberung Ägyptens durch die Babylonier
an.
46-51 Worte gegen fremde Völker
52 Bericht über die Zerstörung Jerusalems und die Begnadigung Jojachins (vgl. 2 Kön 24f)
Jeremia 1 kann als Programmtext des gesamten Buches gelesen werden. Dieses Kapitel legt
vielfältige Spuren ins Buch hinein:
Theologische und ethische Analysen gehen ineinander über, ebenso die Kritik. Ein Grundgedanke ist, dass - wenn Israel anderen
Göttern folgt - JHWH gegen sein auserwähltes Volk prozessiert und mit dem Verlust des Landes droht. Šaeqaer (Hebr. = Lug, Trug, Verlogenheit) gilt als Schlüsselwort: Nicht mehr das Recht
JHWHs bestimmt eine auf Solidarität gründende Gemeinschaft, sondern Täuschung, Betrug und Gewinn prägen die Gesellschaft. Daher trifft die Kritik v.a. die Propheten, Priester und
Könige.
In manchen Texten scheint das Gericht als unausweichlich, dann wieder gibt es doch konkrete Heilserwartungen - vermutlich verstärkt durch spätere Zusätze. Heil und Unheil lassen sich nicht immer säuberlich scheiden. Heil liegt darin, dass die Zeit des Unheils begrenzt ist, dass Gott auf Bestrafung verzichtet und Jerusalem zurückkehren darf zu JHWH.
Die Konfessionen Jeremias in den Kap. 11-20 thematisieren die inneren und äußeren Konflikte des
Propheten, sie sind im Stil von Klagepsalmen gehalten.
Im Gesamtkontext des Buches wendet sich jedoch das Geschick Jeremias: In Kap. 37ff gehört Jeremia zu den Geretteten, während seine Gegner ihre Strafe erfahren. Deren Überlegenheit und Erfolg waren also nur vorläufig. Man könnte sagen, die Person und das Geschick Jeremias boten sich als „Folie“ für die Spannung zwischen realen Verhältnissen und Gerechtigkeit Gottes, die zwar noch aussteht, sich aber letztendlich durchsetzen wird. In späteren Schriften war es dann kein großer Schritt mehr in Richtung Apokalyptik. Die Verbindung von Gefährdung und Bewahrung eines Propheten gibt es in der Form nur bei Jeremia.
Die griechische Version des Jeremiabuches weicht von masoretischen Text in vielerlei Hinsicht ab. In den übereinstimmenden
Passagen stellt die griechische Version offensichtlich eine getreue Übersetzung der hebräischen Vorlage dar. Insgesamt ist aber der hebräische Text ca. ein Siebtel länger. Außerdem unterscheiden
sich beide Version im Aufbau erheblich. So folgt der griechische Text dem "dreigliedrigen eschatologischen Schema" (Unheilssprüche gegen Israel - Unheilssprüche gegen die Völker - Heilsansagen
für Israel), während in der hebräischen Fassung die Völkersprüche nach den Heilsansagen für Israel, die zudem in die Erzählungen über Jeremia eingebettet sind, folgen.
Wie die Funde von Qumran nahelegen, geht die griechische Fassung auf eine vom masoretischen Text unterschiedene hebräische Vorlage zurück. Welche der beiden Fassungen die ältere ist, ist umstritten. Jedenfalls kann man von einer längeren parallelen Überlieferungsgeschichte ausgehen.
Als Verfasser gilt in der biblischen Tradition der gleichnamige Prophet, der etwa von 627 bis 587 v. Chr. in Jerusalem
wirkte.
Die wissenschaftliche Diskussion des 20. Jahrhunderts war lange bestimmt vom Kommentar Bernhard Dohms (1901). Er sah den
ältesten Bestandteil des Buches in den "Gedichten Jeremias" in c. 1-25. Ein zweiter Block bestand seiner Meinung nach im "Buch Baruchs" (c. 26-45). Spätere Ergänzungen fänden sich in allen
Buchteilen. Auf den historischen Jeremia seien nach Duhm nur etwa 280 Verse zurückzuführen, d.h. weniger als ein Viertel des Buches.
Einen anderen Weg schlug Sigmund Mowinckel (1914) ein. Er unterschied bei der Buchentstehung vier Quellen: Worte Jeremias,
Erzählungen über Jeremia, stilistisch deuteronomistische Reden (z.B. c. 7 und 25) sowie die Heilsworte in Jer 30f. Allerdings ist der Charakter der Prosareden nicht quellenhaft sondern
redaktionell, d.h. sie setzen ihren Kontext bereits voraus, wie Winfried Thiel nachweisen konnte. Thiel unterschied daher lediglich zwischen jeremianischen Texten, einer deuteronomistischen
Redaktion und nachdeuteronomistischen Ergänzungen.
Allerdings ist in den so genannten deuteronomistischen Texten zu unterscheiden zwischen sprachlichen und sachlichen Deuteronomismen. Die Entstehung des Jeremiabuches ist daher vermutlich weit komplexer vorzustellen, als es sich in diesen vereinfachenden Modellen darstellen lässt. Zudem müsste ein Entstehungsmodell auch die sehr unterschiedlichen Fassungen von hebräischer und griechischer Bibel berücksichtigen.
Interessanterweise ist das Buch Jeremia durchzogen von Hinweisen auf eine entstehende Schriftkultur: Nicht nur Baruch trägt den Titel ‚Schreiber’ (36,26), sondern
der Titel ist auch sonst Funktionsbezeichnung (36,12; 37,15.20; 52,25). Von Tafel (17,3), Tinte (36,18) und Schreibermesser (36,23) ist die Rede. Die wörtlich zitierte Unheilsdrohung Michas
(26,17f) und Anspielungen auf zahlreiche frühere Propheten setzen schriftliche Dokumentation dieser früher entstandenen Prophetenbücher voraus.
Das Buch Ezechiel (Hesekiel) ist eine im Zeitraum von ca. 600-560 v. Chr. in Babylonien entstandene Schrift des Alten
Testaments der Bibel, die seit dem Mittelalter in 48 Kapitel unterteilt wird. Es schildert die Visionen und symbolischen Handlungen des Propheten Ezechiel, der zur ersten Gruppe der im Rahmen des
Babylonischen Exils verschleppten Israeliten gehörte. Ezechiel war ein israelitischer Priester.
Das Buch gliedert sich in vier Teile.
Das erste Kapitel beschreibt, wie "der Herr", wie Ezechiel ihn bezeichnet, auf seinem Thronwagen, der Merkaba, mit den
Cherubim, Ezechiel erscheint; dies ist bei weitem die ausführlichste derartige Beschreibung in der Bibel. Dieser Text spielt eine herausragende Rolle in der jüdischen Kabbala, in der mündlichen
jüdischen Überlieferung und in der christlichen Mystik.
„4 Ich sah: Ein Sturmwind kam von Norden, eine große Wolke mit flackerndem Feuer, umgeben von einem hellen Schein.
Aus dem Feuer strahlte es wie glänzendes Gold. 5 Mitten darin erschien etwas wie vier Lebewesen. Und das war ihre Gestalt: Sie sahen aus wie Menschen. [...] 15 Ich schaute
auf die Lebewesen: Neben jedem der vier sah ich ein Rad auf dem Boden. 16 Die Räder sahen aus, als seien sie aus Chrysolith gemacht. Alle vier Räder hatten die gleiche Gestalt. Sie
waren so gemacht, dass es aussah, als laufe ein Rad mitten im andern. 17 Sie konnten nach allen vier Seiten laufen und änderten beim Laufen ihre Richtung nicht. 18 Ihre
Felgen waren so hoch, dass ich erschrak; sie waren voll Augen, ringsum bei allen vier Rädern. [...] 22 Über den Köpfen der Lebewesen war etwas wie eine gehämmerte Platte befestigt,
furchtbar anzusehen, wie ein strahlender Kristall, oben über ihren Köpfen. [...] 26 Oberhalb der Platte über ihren Köpfen war etwas, das wie Saphir aussah und einem Thron glich. Auf
dem, was einem Thron glich, saß eine Gestalt, die wie ein Mensch aussah.[...]“
– Ezechiel 1,4 EU
Dieser visionäre, bildreiche Text ermöglicht vielfältige Deutungen, beispielsweise fasst ihn der Autor Erich von Däniken als
Bericht von einer Begegnung mit einem außerirdischen Weltraum-Gefährt auf. Der ehemalige NASA-Ingenieur Josef F. Blumrich bestätigte von Däniken's Eindrücke in seinem Buch Da tat sich der
Himmel auf.
Gemäß der Mischna (Chagiga 2, 1) ist es nach jüdischer Überlieferung verboten, auch nur eine Person in der Einleitung des
Buches Ezechiel zu unterrichten, sofern dieser Schüler nicht weise ist und fähig ist, den Stoff selbst zu verstehen.
Der Kirchenvater Hieronymus vergleicht in seinem Kommentar die augenbesetzten Räder aus Vers 18 mit der Figur des Argus Panoptes aus den griechischen Mythen (vgl. Hier. in Ezechiel. 1,1,15-18).
Während des Babylonischen Exils wurde die Religion weiterentwickelt und reformiert. Neu ist beispielsweise der ins Säkulare
weisende Gedanke, dass Palast und Tempel, Politik und Religion nicht mehr eine strikte Einheit bilden sollen. Bemerkenswert ist auch, dass Ezechiel als Beispiel für Rechtschaffene allein auf
Ijob, Jona und Daniel verweist.
Da der Tempelkult des Jerusalemer Tempels im Exil nicht mehr auszuüben ist, wird nunmehr gesagt, dass Gott seinem Volk in allen
Ländern dient (34:11-16) und es heim führen wird:
„Denn so spricht Gott der Herr: Siehe, ich, ich selbst will nach meinen Schafen fragen, will nach ihnen sehen. [...] sie
erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut worden sind [...] ich hole sie aus den Ländern zusammen und bringe sie in ihr Land.“
– (Hes 34,11-14 EU)
Die Sippenhaftung wird endgültig abgeschafft:
„Ein Sohn soll nicht die Schuld des Vaters, noch ein Vater die Schuld des Sohnes mittragen. Nur dem Gerechtem kommt seine
Gerechtigkeit zugute, und nur über den Gottlosen kommt seine Gottlosigkeit.“
– Ezechiel 18,20
Die Heilsverkündung bekommt ein humanistisches Ziel:
„Habe ich etwa Wohlgefallen am Tode des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich von seinem
Wandel bekehre und am Leben bleibe?“
– Ezechiel 18,23 EU
Aus diesem Grunde werden bestimmte Satzungen der Thora als Fehler kritisiert:
„So habe denn auch ich ihnen Satzungen gegeben, die nicht gut waren, und Gebote, durch die sie nicht am Leben bleiben konnten.
Ich ließ sie unrein werden durch ihre Opfergaben, indem sie alle Erstgeburt durchs Feuer gehen ließen; ich wollte ihnen Entsetzen einjagen, auf dass sie erkennen, dass ich der Herr
bin.“
– (Hes 20,25-26 EU)
Engen Vorstellungen kultischer Abstammungsreinheit der Israeliten hält Ezechiel entgegen:
„So spricht Gott zu Jerusalem: Nach Herkunft und Geburt stammst du aus dem Lande der Kaaniter, dein Vater war ein Amoriter,
deine Mutter eine Hethiterin.“
– Ezechiel 16,3 EU
Er warnt vor Arroganz und Selbstzufriedenheit:
„Du aber verließest dich auf deine Schönheit [...] Und du nahmst deine Söhne und Töchter, die du mir geboren hattest, und
schlachtest sie ihnen zum Fraße. [...] Siehe, das war die Schuld deiner Schwester Sodom: Pracht und Überfluss und sorglose Ruhe wurden ihr und ihren Töchtern zuteil, aber sie taten dem Elenden
und Armen nicht Handreichung, sondern sie wurden übermütig und verübten Gräuel vor mir. [...] Samaria hat nicht halb so viel gesündigt wie du. [...] du sollst erkennen, dass ich der Herr bin,
damit du daran denkest und dich schämest und vor Scham den Mund nicht mehr auftust, wenn ich dir alles vergebe, was du getan hast, spricht Gott der Herr.“
– Ezechiel 16, 15–62
Der Schwerpunkt der Gebote und Verbote verschob sich bei Ezechiel weg von den Tempelsatzungen und Reinheitsvorschriften hin zu
gelebter Mitmenschlichkeit. Die Gebote der Mitmenschlichkeit sind bei Ezechiel:
Die Taten der Gottlosigkeit, vor denen Ezechiel warnt, sind:
Modern wirkt Ezechiel darin, dass er die Priesterkaste im Kapitel 34:1-5 deutlich zu kritisieren wagt:
„So spricht Gott der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Sollten die Hirten nicht die Schafe weiden?
(...) Das Schwache habt ihr nicht gestärkt, das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden; ihr habt das Versprengte nicht heim geholt und das Verirrte nicht gesucht, und das
Kräftige habt ihr gewalttätig niedergetreten. So zerstreuen sich denn meine Schafe, weil kein Hirte da war.“
Damit erklärt Ezechiel die Ursachen der Diaspora.
Die Kritik Jesu an den religiösen Führern seiner Zeit, wie sie etwa in Matthäus 23 LUT wiedergegeben wird, wirkt von Ezechiel beeinflusst.
Bemerkenswert am Buch Ezechiel ist neben den Gerechtigkeitsvorstellungen auch die von ihm aus den Satzungen Moses abgeleiteten
Vorstellungen zur Landverheißung. Im Kapitel 47 steht:
„Dieses Land sollt ihr nach den Stämmen Israels unter euch verteilen. Ihr sollt es als Erbbesitz verlosen unter euch und unter
die Fremden, die unter euch weilen und unter euch Söhne gezeugt haben. Sie sollen euch gelten wie eingeborne Israeliten; mit euch sollen sie inmitten der Stämme Israels ihren Erbbesitz durchs Los
erhalten. In dem Stamme, bei dem der Fremdling weilt, dort sollt ihr ihm seinen Erbbesitz geben, spricht Gott der Herr.“
Mit dem „Fremden“ ist hier der sogenannte Beisasse gemeint, ein nicht-jüdischer Einwohner, der sich im Herrschaftsbereich israelischer Stämme befindet und die sieben noachidischen Gebote beachtet. Das Losverfahren soll sicherstellen, dass niemand bevorzugt oder benachteiligt wird.
Ezechiel zeigt viele Parallelen mit dem Pentateuch bzw. Tanach (z.B. Kap. 27; 28:13; 31:8; 36:11, 34; 47:13, usw.). Es besteht
eine große Nähe zu den Büchern von Hosea (Kap. 37:22), Jesaja (Kap. 8:12; 29:6), mit Amos (u.a. Priesterkritik) und Jeremia (Kap. 24:7, 9; 48:37).
Die bilderreichen Prophezeiungen Ezechiels sind reich an Symbolen, Metaphern und Allegorien. Sie bieten viel Raum für fantastische Deutungen und Interpretationen
bis hin zur Mystik. Da hier die Gefahr von Missinterpretation hoch ist, dürfen im Judentum nur Menschen über 30 Jahre dieses Buch lesen. Vielleicht, soweit eine etwas randständige theologische
Deutung, erklärt sich damit der Umstand, dass Jesus seine Verkündung erst nach seinem 30ten Lebensjahr begann, mit Kenntnis und Deutung der letzten Propheten.
zu Propheten Israels - Pentateuch
zu Propheten Israels - Vordere Propheten
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