Als SchUM (auch: SCHUM (hebräisch שו״מ)) wird der Verbund bezeichnet, den die jüdischen Gemeinden der oberrheinischen Städte Speyer, Worms und Mainz im Mittelalter bildeten. In hebräischen Quellen werden die drei Gemeinden seit dem 12. Jahrhundert als Kehillot (Gemeinden) Spira Warmaisa Magenza oder auch nur als „die Gemeinden“ bezeichnet.
SchUM, mit Mainz als Muttergemeinde, wurde zu einem besonderen Bund, der seine herausragende Stellung in Aschkenas (d.h. Deutschland) durchaus betonte. Der Verbund beeinflusste die Architektur von Synagogen und Mikwaot (Mikwen), prägte zutiefst Kultur, religiöse Strömungen und die halachische Rechtsprechung der mittel- und osteuropäischen jüdischen Diaspora. Bis heute zeugen Synagogen, jüdische Friedhöfe und Ritualbäder gemeinsam mit der religiösen Überlieferung von der immensen Bedeutung der SchUM-Städte. Das Ansehen der Gemeinden ist seit dem Mittelalter in der jüdischen Welt ungebrochen.
Die Bedeutung und Erhabenheit der mittelalterlichen Gemeinden in SchUM spiegelt sich wider in den archäologisch nachgewiesenen oder wiederaufgebauten Bauten sowie bis heute erhaltenen, religionspraktischen Überlieferungen. Vor allem dieses geistige Erbe bewog die UNESCO, die SchUM-Städte als Wiege jüdischen Kulturguts zum Welterbe hinzuzurechnen.
Das jüdische Erbe in diesen Städten am Rhein ist einzigartig, weltweit bekannt und lebendiger Bestandteil des aschkenasischen Judentums.
Baulich zählen zu diesem Erbe in Speyer das Ensemble Gemeindezentrum Judenhof mit Mikwe, Synagoge, Frauenschul, Synagogenhof und Jeschiwa, in Worms das Ensemble Gemeindezentrum Synagogenbezirk mit Synagoge, Frauenschul, Judenratsstube mit Vorhalle zur Frauenschul, „Raschi-Jeschiwa“, Synagogenhof, Mikwe und den mittelalterlichem Fundamenten des einstigen Gemeindehauses (heute Raschi-Haus mit Jüdischem Museum, Stadtarchiv sowie Unterer Denkmalpflege) sowie der alte jüdische Friedhof „Heiliger Sand“. In Mainz ist es der Denkmalfriedhof auf dem alten jüdischen Friedhof „auf dem Judensand“.
Um diesem Erbe weltweit Anerkennung zu verleihen, engagierte sich das Land Rheinland-Pfalz seit 2004 gemeinsam mit den drei Städten und den jüdischen Gemeinden in Mainz und Speyer sowie dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden Rheinland-Pfalz dafür, dass die SchUM-Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden. Am 27. Juli 2021 nahm die UNESCO den Antrag schließlich an.
Das Wort SchUM ist ein Akronym aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen, auf die lateinische Sprache zurückgehenden Namen der drei Städte:
Seit dem 10. Jahrhundert bildeten sich am Rhein jüdische Gemeinden: In Mainz Mitte des 10. Jahrhunderts, in Worms um 1000 und in Speyer spätestens 1084. Diese jüdischen Gemeinden (Kehillot)
entstanden vermutlich durch die Ansiedlung jüdischer Fernhändler aus Italien und Frankreich, die enge Verbindungen zueinander unterhielten. Zu ihnen gehörten u.a. Mitglieder der bedeutenden
italienischen Familie der Kalonymiden, die zu den Gründungsmitgliedern der Gemeinden in Mainz und Speyer und später zu den führenden jüdischen Familien entlang des Rheins zählten. Auch religiöse
Gelehrte ließen sich früh in den Rheinstädten nieder. Bereits Anfang des 11. Jahrhunderts stand der aus Metz stammende Gelehrte Gerschom ben Jehuda (geb. um 960 in Metz, gest. 1028 oder 1040 in
Mainz) einer Talmudakademie vor, die als religiöses und geistliches Zentrum in Aschkenas galt. Als Die Weisen von Speyer wird eine Gruppe der zehn berühmtesten Gelehrten der Talmudschule
in Speyer bezeichnet, die 1084 im Jahr der Ansiedlung der Jüdischen Gemeinde Speyer durch Bischof Rüdiger Huzmann mitbegründet wurde. Zu ihnen gehört Samuel ben Qalonymus he-Chasid.
Die engen Verbindungen der drei Gemeinden untereinander führten zu einem regen intellektuellen Austausch und so entwickelten sich die SchUM-Städte zur Wiege des aschkenasischen Judentums. Aus allen Teilen Europas kamen Studenten, um bei den Gelehrten aus SchUM zu lernen. Es wurden Religionsgesetze formuliert, die teilweise bis heute im Judentum verbindlich sind, etwa das Verbot der Polygamie.
Einer der berühmtesten Gelehrten, die in SchUM studierten, Schlomo ben Jizchak, genannt Raschi, kam aus Frankreich nach Worms und Mainz. Ruhm erlangte er vor allem mit seinen Kommentaren zur hebräischen Bibel (Tanach) und zum babylonischen Talmud. Raschis Kommentare sind in nahezu jeder gedruckten hebräischen Bibel zu finden. Der Ruhm vor allem des jüdischen Worms geht wesentlich auf Raschi und seinen Kommentar zurück, obgleich er dort nur wenige Jahre verbrachte.
„Aus Worms leuchtete einst ein hehres Licht Israels, der grosse Lehrer der Thora – Rasi, dessen Wort unvergänglich bleibt, solange sich das Judentum für Gottes Wort bekennt, solange Juden auf der Erde vor Gottes Antlitz stehen werden.“
Ein Mittel der Kommunikation der führenden Personen der SchUM waren Versammlungen, in denen gemeinsame Angelegenheiten besprochen wurden. Quellenmäßig belegt sind Versammlungen
Anzunehmen sind weitere Versammlungen, zu denen Quellen aber nicht mehr existieren.
Diese Versammlungen wurden auch dazu genutzt, eine gemeinsame Rechtsgrundlage zu schaffen. Ergebnis war in mehreren Redaktionsdurchgängen, die mit der Versammlung 1220 begannen, eine gemeinsame Sammlung von Taqqanot („Rechtssatzungen“), die die Gemeinden für sich für verbindlich erklärten.
Auf dem Gebiet des jüdischen Rechts übernahmen die Kehillot SchUM damit eine Vorreiterrolle im europäischen Judentum. Die Taqqanot Qehillot Šum sind die umfangreichste Sammlung jüdischer Gemeindesatzungen aus dem aschkenasischen Mittelalter. Jedes Gemeindemitglied musste die Rechtsgültigkeit unter Androhung des Banns anerkennen. Die Taqqanot Qehillot Šum trugen wegen der daran beteiligten großen Gelehrten dazu bei, dass das rheinische Judentum für seine Schriften zur Rechtsprechung berühmt wurde und bis heute mit jüdischer Gelehrsamkeit verknüpft wird. Bis heute findet sich auch auf jeder aschkenasischen Ketubba (Ehevertrag) ein Verweis auf die Taqqanot Qehillot Šum.
Die SchUM-Gemeinden am Rhein wurden wiederholt Ziele von Gewalt, Pogromen und völliger Zerstörung. Als Papst Urban II. 1095 zur „Befreiung des Heiligen Landes“ und damit zum ersten Kreuzzug aufrief, war dies für die jüdischen Gemeinden am Rhein verheerend.
Das Heer der Kreuzfahrer setzte sich aus mehreren Armeen des französischen und des deutschen Reiches zusammen, die auf ihrem Weg ins „Heilige Land“ den Rhein überqueren mussten. In ihrem Gefolge zogen Scharen fanatisierter Anhänger durch, deren von Predigern aufgeputschte Wut sich ebenfalls gegen die sogenannten Ungläubigen richtete. 1096 entlud sich die Gewalt am Rhein, und erste antijüdische Pogrome in den SchUM-Städten brachen über die Jüdischen Gemeinden hinein. Die Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten Kreuzzugs 1096 haben in der jüdischen Erinnerung als „Geserot Tatnu“ sowie in mittelalterlichen liturgischen Dichtungen tiefe Spuren hinterlassen.
Am 3. Mai 1096 zog der Mob durch Speyer und ermordete 10 Menschen. Während es dem Bischof in Speyer gelang, die Jüdische Gemeinde Speyer größtenteils zu schützen, war die Lage in Worms und Mainz geradezu aussichtslos. Am 18. Mai 1096 fielen die Kreuzfahrer über die Wormser Juden her. Ihre Häuser wurden geplündert und zerstört, Juden, die sich der Zwangstaufe widersetzten, ermordet. Diejenigen Juden, die sich in den Bischofshof in Worms geflüchtet hatten, wurden dennoch einige Tage später überfallen und fielen den Kreuzfahrern zum Opfer.
In Mainz erlitten die Juden am 27. Mai das gleiche Schicksal. Auch diese Gemeinde wurde völlig ausgelöscht. Zwar kehrten die ersten Juden bereits 1097 nach Mainz zurück, doch erreichte die Mainzer Gemeinde nie wieder den herausragenden Status wie vor den Massakern.
Mit den folgenden Kreuzzügen kam es erneut zu Pogromen und Zerstörungen in den SchUM-Städten, wenn auch in geringerem Umfang. Bekannt ist insbesondere der Überfall auf die Familie des Wormser Gelehrten Eleasar ben Juda ben Kalonymos („Rokeach“) im Jahr 1196, dem seine Frau und seine beiden Töchter zum Opfer fielen, worüber Eleasar selbst einen Bericht und ein poetisches Klagelied verfasste. Berühmt ist das darin enthaltene Lob auf seine Frau Dulza.
Im Zuge der Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes zwischen 1348 und 1351, angefeuert von der judenfeindlichen Beschuldigung der Brunnenvergiftung, kam es am 30. Januar 1349 in Worms zu gewaltsamen Ausschreitungen. Der Synagogenbezirk samt Judengasse wurde in Brand gesteckt und rund 400 Juden erschlagen. Bei den Pestpogromen in Mainz und Speyer wurden auch die dortigen jüdischen Gemeinden völlig zerstört. Somit endete Mitte des 14. Jahrhunderts die Blütezeit des SchUM-Verbundes.
Juden kehrten zwar zu unterschiedlichen Zeiten in alle drei Städte zurück und belebten die Gemeinden neu. Doch von Worms abgesehen war die Kontinuität von Lehren und Lernen sowie die Bedeutung für und in Aschkenas gebrochen.
In Speyer lebten bereits ab den 1350er Jahren wieder Juden. Wiederkehrende Vertreibungen führten jedoch zum Niedergang der Gemeinde, deren Lebensumstände sich stetig verschlechterten. Im 15. Jahrhundert war die Wirtschaftskraft der Juden in Speyer so weit gesunken, dass die Stadt zunehmend das Interesse an der Schutzherrschaft über sie verlor und sich der Juden entledigte. Im 16. Jahrhundert lebten nur noch vereinzelt Juden in Speyer. Der jüdische Friedhof war an Christen verpachtet worden, die Synagoge wurde zum Zeughaus und Grabsteine zum Teil für den Brücken- und Mauerbau verwendet.
Auch in Mainz siedelten sich nach den Pestpogromen bereits vor 1360 wieder Juden an. Im frühen 15. Jahrhundert erlangte die Talmudschule des Jakob ben Mose HaLevi Molin („MaHaRIL“) noch einmal großes überregionales Ansehen. Die bedeutende Zeit der Gemeinde war jedoch vorbei, und die geistige Führung in Aschkenas ging auf jüdische Gelehrte bspw. in Österreich über. Mit den Vertreibungen der Juden aus Mainz in den Jahren 1438 und 1471 war Magenza, die Muttergemeinde von SchUM, Geschichte. Mainzer Juden fanden mit anderen jüdischen Flüchtlingen aus anderen deutschen Orten Zuflucht in Polen-Litauen, in Oberitalien und in der Levante.
Im Gegensatz zu den meisten jüdischen Gemeinden deutscher Städte wurden die Juden von Worms bis zur Zeit des Nationalsozialismus nicht dauerhaft aus der Stadt vertrieben. Die größte Unterbrechung dieser Kontinuität war die Zerstörung von Worms im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch Truppen König Ludwig XIV. am 31. Mai 1689. Die Gemeinde musste, wie alle anderen Wormser auch, die Stadt verlassen und es dauerte bis 1699, bevor sie wieder in die Stadt zurückkehren konnte.
Mehrere „Reichsrabbiner“ des 15. und 16. Jahrhunderts lebten in der Stadt, und noch bis ins 17. Jahrhundert genoss die Gemeinde den Ruf als Zentrum der Gelehrsamkeit. Beispiele dafür sind Elia ben Mose Loanz genannt „Baal Schem“ (gest. 1636), der aus Fulda nach Worms zog, und Jair Chajim Bacharach (gest. 1702). Die in jiddischer Sprache erstmals 1696 gedruckten „Wundergeschichten“ (Maase Nissim) des Wormser Gemeindedieners Juspa Schammes (gest. 1678) zeugen davon, dass die Erinnerung an das „alte Aschkenas“ in Worms besonders lebendig blieb und tradiert wurde.
Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte der Anteil der Juden an der Wormser Bevölkerung einen zweistelligen Wert. In Speyer und Mainz blieben die prozentualen Bevölkerungsanteile stets einstellig, in Rheinhessen und der Pfalz im Durchschnitt ebenfalls.
Juden waren spätestens ab den 1860er Jahren rechtlich endgültig mit den anderen deutschen Bürgern gleichgestellt, bis zum Ersten Weltkrieg waren die meisten akkulturiert oder sogar assimiliert. Viele Juden gehörten dem Bürgertum an. „Aus einer Bevölkerungsgruppe, deren Mitglieder wegen jahrhundertealter vielfältiger Benachteiligungen noch anfangs des 19. Jahrhunderts überproportional den unteren sozialen Schichten angehörten, war innerhalb von zwei Generationen eine Bevölkerungsgruppe geworden, deren Mitglieder nun überproportional den gehobenen sozialen Schichten zuzuordnen waren.“ Ihre Verbundenheit mit dem deutschen Staat kam z.B. in der Mitgliedschaft im Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens zum Ausdruck.
Im jüdischen Gedächtnis auch der nachemanzipatorischen Ära blieb SchUM ein Begriff und stand exemplarisch für das Zentrum und die Blütezeit des aschkenasischen Judentums im Mittelalter. In der Erinnerung wurden aus den jüdischen Gemeinden in SchUM und den damit ikonografisch verbundenen Orten vor allem in Worms und Mainz ideale jüdische Orte. Die SchUM-Städte mit ihren Monumenten wurden als Anknüpfungspunkte an die jahrhundertelange Geschichte von Juden in Deutschland und die eigene Verortung als deutsche Juden wichtig. Die Wiederentdeckung der Monumente und ihre archäologische, kulturhistorische sowie architektonische Erkundung im Zuge der Wissenschaft des Judentums sowie der allgemeinen historischen Forschung u.a. zum Mittelalter machte die Bauwerke und ihre Geschichte weiter und breiter bekannt. Sie wurden zunehmend touristisch interessant und zogen Juden, aber auch interessierte Nichtjuden in ihren Bann.
Durch die NS-Diktatur wurden das jüdische Leben und die fast 1000-jährige jüdische Tradition am Rhein nahezu völlig zerstört. Ab 1933 wanderten viele Juden aus und verließen die SchUM-Städte. Diejenigen, die in ihrer als Heimat empfundenen Stadt blieben oder aufgrund von wirtschaftlicher Not keine Chance zur Flucht hatten, wurden ab 1942 deportiert und die meisten ermordet.
Entlang des Rheins wurden in den Novemberpogromen ab dem 9. November 1938 Synagogen, Geschäfte jüdischer Inhaber, Wohnhäuser, jüdische Schulen und weitere Gemeindeeinrichtungen angegriffen, viele der Bauten verwüstet oder gänzlich zerstört. In Speyer wurde am 10. November 1938 die 1837 erbaute Synagoge angezündet; sie brannte nieder.
In Worms brannte die aus dem Mittelalter stammende alte Synagoge samt Frauenschul am gleichen Tag. Das erste Feuer konnte von Gemeindemitgliedern noch gelöscht werden, die zweite Brandstiftung einige Stunden später jedoch zerstörte die Gebäude. Die Mikwe wurde schwer beschädigt; eine Säule wurde zerschlagen, zudem eine Wand im Inneren zerstört und Steine daraus in das Wasserbecken geworfen.
Auch in Mainz wurden Juden bzw. die Jüdische Gemeinde angegriffen. Die neue Hauptsynagoge, erst 1911/12 in der Mainzer Neustadt errichtet, wurde am 10. November 1938 durch Brandstiftung zerstört. Die damals 14-jährige Elsbeth Gaertner erinnerte sich 1996 an diesen Tag: „Mein Vater, eine Freundin, die nebenan wohnte, und ich gingen zu der Synagoge an der Hindenburgstraße. Feuerwehrleute standen da auch, schauten sich das Ganze an, schützten die Wohnhäuser nebenan. Mein Vater wusste, dass dies der Anfang des absoluten Endes sein musste. Der Mob tobte sich auf den Straßen aus, auch Schulkinder. Es wurde zerstört und geplündert.“
Das nationalsozialistische Deutschland wandte sich gegen Juden und jüdische Kultur, jüdische Bücher und jüdische Bauten. Nach den Büchern und den Synagogen fielen die Menschen dem Furor zum Opfer. Die jüdischen Gemeinden der drei SchUM-Städte wurden in der Shoah ausgelöscht. Zuerst durch Ausgrenzung und darauffolgende Vertreibung ins Exil, danach durch systematische Verfolgung und Ermordung. Die in Speyer verbliebenen Juden wurden im Oktober 1940 infolge der Wagner-Bürckel-Aktion, die Baden und die Saarpfalz betraf, in das französische Internierungslager Camp de Gurs deportiert. Viele starben dort an den katastrophalen Bedingungen, die bis dahin Überlebenden wurden ab Sommer 1942 in die deutschen Vernichtungslager in Polen deportiert. 1942 wurden die letzten in Worms lebenden Juden deportiert: Im Frühjahr in ein Lager nahe Piaski in Polen und im Herbst ins Ghetto Theresienstadt. Rund 460 Wormser Juden wurden ermordet – und mit ihnen die Präsenz der Jüdischen Gemeinde in Worms, die rund 1000 Jahre bestanden hatte, ausgelöscht. Die Mainzer Juden erlitten dasselbe Schicksal. Sie wurden im März und September 1942 sowie im Februar 1943 in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager nach Polen sowie ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Insgesamt wurden ca. 1300 bis 1400 Mainzer Juden während der NS-Zeit ermordet.
Nach 1945 lebten nur wenige Juden in den SchUM-Städten – vor allem jene Juden, die mit einem nichtjüdischen Ehepartner verheiratet waren, hatten sich retten können. Hinzu kamen Rückkehrer aus Lagern oder dem Ghetto Theresienstadt. Die Zahl der nach dem Holocaust in Mainz lebenden Juden war mit rund 80 Personen sehr klein. Die Neugründung der Jüdischen Gemeinde in Mainz war dementsprechend zögerlich und von Unsicherheit gegenüber Nachkriegsdeutschland geprägt. In Worms lebten keine zehn Juden mehr. Bis in die 1990er stieg die Zahl nur unwesentlich an. Nichtsdestoweniger gab es in Worms bereits ab Ende der 1940er Jahre eine Initiative, um die mittelalterliche Synagoge wiederaufzubauen.
Die erste Initiative dieses Wiederaufbaus geht auf Friedrich Maria Illert, 1934 bis 1958 Direktor der 1934 neu geschaffenen Einrichtung der städtischen Kulturinstitute Worms, zurück. Illert suchte sich gezielt einen jüdischen Fürsprecher dieses Vorhabens eines Wiederaufbaus der Synagoge und fand diesen bereits Ende 1945 in Isidor Kiefer (1871–1961). Kiefer, 1933 in die USA ausgewandert, war der letzte Gemeindevorsteher in Worms gewesen. Er hatte 1924 ein Museum in der Synagoge eingerichtet und betonte stets das große jüdische und internationale Interesse an der jüdischen Geschichte von Worms. So war er auch folgerichtig starker Verfechter des Wiederaufbaus der Synagoge und unterstrich, dass dies im Interesse der gesamten jüdischen Welt sei. Es war augenscheinlich für Kiefer wie auch für Illert unerheblich, dass in Worms nach dem Holocaust keine jüdische Gemeinde mehr existierte. Gegenstimmen des Wiederaufbaus wurden ignoriert.
Die in Worms geborene und nach 1933 emigrierte Jüdin Carola Kaufmann-Levy schrieb: „Eine Synagoge sollte nur da sein, wo sie ihrem ursprünglichen Zwecke dient und wo 10 Juden sich zum Gebete vereinigen.“ Der Wiederaufbau der Synagoge – auch die Form derselben – wurde kontrovers diskutiert. Prominente Befürworter des Vorhabens wie Bundeskanzler Konrad Adenauer und weitere positive Stimmen aus Denkmalpflege und Politik führten zu der Entscheidung, 1957 offiziell mit dem Wiederaufbau zu beginnen. So wurde die Synagoge mit Mitteln aus Land und Bund wiederaufgebaut und am 3. Dezember 1961 eröffnet. Unter den Gästen der Feier befand sich auch Vizekanzler Ludwig Erhard. Eigentümer des alt-neuen Gotteshauses wurde die Jüdische Gemeinde Mainz, verwaltet und unterhalten wird das Gebäude bis heute von der Stadt Worms.
Infolge der Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion etablierte sich Ende der 1990er in Worms eine neue jüdische Gemeinde, die organisatorisch zur Gemeinde in Mainz gehört. In der Synagoge finden wieder regelmäßig Gottesdienste statt.
Die Gemeinde in Speyer konnte sich ebenfalls erst nach der Zuwanderung von Juden aus den GUS-Staaten neu etablieren und gehört heute zur Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz. 2011 wurde die Synagoge Beith-Schalom eingeweiht. Sie besteht aus einem Neubau (Architekt: Alfred Jacoby) sowie Teilen der ehemaligen Stiftskirche St. Guido.
In Mainz konnte 2010 die Neue Synagoge eingeweiht werden. Sie wurde am gleichen Standort errichtet, wie die 1938 zerstörte Synagoge. Der Entwurf des Architekten Manuel Herz betont jedoch nicht die Zerstörung des Vorgängerbaus durch die Nationalsozialisten, sondern die Tradition des Judentums und von SchUM: „Für mich war ausschlaggebend, dass die Stadt Mainz eine signifikante Rolle für das Judentum gespielt hat, insbesondere während des Mittelalters. Von Mainz ausgehend wurde das Judentum erneuert. Der Ablauf des Gottesdienstes, wie er teilweise auch noch heute in der jüdischen Welt abgehalten wird, geht maßgeblich auf Erneuerungen durch Mainzer Rabbiner zurück. Ich fand es viel wichtiger, mich auf den Beitrag, den das jüdische Mainz für das Judentum geleistet hat, zu beziehen als die Vernichtung durch die Nazis als Ausgangspunkt des Entwurfs zu wählen.“ In Mainz lebten 1997 nur rund 200 Juden, heute ist es eine aktive jüdische Gemeinde von rund 1400 Mitgliedern, zu der auch die in Worms lebenden Juden zählen.
Das imposante und kunstvoll gearbeitete architektonische Erbe in SchUM verweist darauf, dass die SchUM-Gemeinden im Mittelalter ihre herausragende religiöse und kulturelle Stellung auch visuell-architektonisch zum Ausdruck bringen wollten. Die Tatsache, dass dieses erhabene Erbe bis heute erhalten geblieben ist, zeugt von dem Bewusstsein vieler Generationen über die Bedeutung von SchUM.
In Speyer bildet das Ensemble Gemeindezentrum Judenhof das architektonische Erbe des Mittelalters. Zu ihm gehört die älteste erhaltene Monumentalmikwe Europas – ein Bau, von dem 1920 gesagt wurde, es sei „ein Kulturdenkmal, wie es in seiner Art keine Stadt in Deutschland aufweisen kann.“] Sie war typbildend für andere Bauwerke dieser Art, etwa die Mikwe in Worms. Weiterhin finden sich auf dem Gelände aufragende Mauerreste der Synagoge und Frauenschul sowie unterirdische Reste des Synagogenhofes und einer Jeschiwa, die beide als Bodendenkmal anerkannt sind.
Der mittelalterliche Friedhof der jüdischen Gemeinde Speyer ist nicht erhalten geblieben. Er befand sich in Altspeyer nördlich des Stadtzentrums, wo das Gelände den Juden von Bischof Rüdiger übereignet worden war. Während des Pestpogroms 1349 wurde der Friedhof geplündert und (laut einer späteren Chronik) vier Jahre später umgepflügt. Heute sind einige der ca. 50 erhaltenen Grabsteine aus dem Zeitraum zwischen 1144/45 und 1407 im Museum Schpira ausgestellt. Weitere Grabsteine befinden sich im Depot des Historischen Museums der Pfalz.
Das einstige Wormser Judenviertel, in dem sich – vom Friedhof abgesehen – das architektonische Erbe aus der Blütezeit von SchUM befindet, weist seit dem Mittelalter eine wenig veränderte Topografie auf, v.a. mit Blick auf die Judengasse. Stadtmauerreste, Tore in dieser prächtigen Mauer und die Wiederbebauung der Judengasse entlang des Originalstraßenverlaufs ab den 1960er Jahren machen die ursprüngliche Bebauung und Topografie erfahrbar.
Die Wormser Synagoge war wiederholten Zerstörungen ausgesetzt, wurde jedoch von der jüdischen Gemeinde immer wieder aufgebaut. Dabei wurden architektonische Elemente modernisiert und dem herrschenden Zeitgeist angepasst.
Einige Schritte südwestlich der Synagoge befindet sich die Wormser Mikwe. Sie wurde 1185/86 erbaut. Ihr Vorbild ist die Monumentalmikwe in Speyer.
Ebenfalls zum Wormser Synagogengezirk gehört das Raschi-Haus, ein Neubau aus den 1980er Jahren, in dessen Keller und Erdgeschoss Mauerwerk des mittelalterlichen Gemeindehauses erhalten ist.
Vor der hochmittelalterlichen Stadtbefestigung, aber noch innerhalb des späteren, zweiten Mauerrings, liegt der historische jüdische Friedhof von Worms. Er ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof Europas. Die ältesten erhaltenen Inschriften stammen aus der Mitte des 11. Jahrhunderts.
Mainz gilt als Muttergemeinde von SchUM. In einer hebräischen Chronik des 12. Jahrhunderts heißt es: „Unsere Mutterstadt, der Ort unserer Väter. Die uralte Gemeinde, die hochgelobte unter allen Gemeinden des Reiches.“ Bereits im 11. Jahrhundert entwickelte sich Magenza zum Mittelpunkt jüdischen Lebens am Rhein und zum Ausgangspunkt jüdischer Gelehrsamkeit für einen großen Umkreis.[48] Zahlreiche Gelehrte wirkten in Mainz und trugen zum Ansehen von SchUM bei. Zu ihnen gehörten Rabbenu Gerschom ben Jehuda, genannt „Leuchte des Exils“ (geb. um 960, gest. 1028 oder 1040 in Mainz), Kalonymos ben Meschullam (gest. 1096), Elieser ben Nathan (geb. 1090, gest. 1170) oder der erwähnte Jakob ben Moses haLevi (gest. 1427).
In Mainz ist aus dieser Blütezeit der Gelehrten und des Lehrens das Gelände des mittelalterlichen jüdischen Friedhofs an der Mombacher Straße erhalten geblieben. Der Friedhof „auf dem Judensand“ wurde spätestens im 11. Jahrhundert angelegt und bis zur Vertreibung der Juden aus Mainz 1438 von der jüdischen Gemeinde der Stadt und auch des Umlandes genutzt.
SchUM gilt als die Wiege des aschkenasischen Judentums. Dies bezeugt bereits eine Überlieferung aus dem 13. Jahrhundert: „Wie sehr gehören unsere Lehrer in Mainz, in Worms und in Speyer zu den gelehrtesten der Gelehrten, zu den Heiligen des Höchsten … von dort geht die Lehre aus für ganz Israel … Seit dem Tage ihrer Gründung richteten sich alle Gemeinden nach ihnen, am Rhein und im ganzen Land Aschkenas.“ An den Schriften der Gelehrten aus SchUM orientierten sich Juden in ganz Mitteleuropa – bereits während des Mittelalters und teilweise noch heute. Im heutigen Judentum ist SchUM noch immer präsent: als Mythos, als Bezeichnung, als Ort der Gelehrsamkeit und Wirkungsstätte Raschis, als ideale jüdische Orte und in seiner nachhaltigen Präsenz im gelebten Judentum.
Die eindrucksvollen Monumente in den SchUM-Städten erinnern an die Blütezeit des aschkenasischen Judentums am Mittel- und Oberrhein. Bereits im Mittelalter wurde die Architektur in Speyer, Worms und Mainz zum Vorbild für andere europäische jüdische Gemeinden. Die in Worms erstmals bezeugte zweischiffige Einwölbung wurde zum Vorbild für den Synagogenbau in Regensburg (1210/1220), Prag (1260er), Wien (1294) und Nürnberg (1296).
Der jüdische Friedhof Heiliger Sand in Worms ist der älteste Friedhof Europas. Auf ihm liegen zahlreiche Gelehrte des aschkenasischen Judentums begraben, die bis heute hohe Bedeutung für die jüdische Lebenswelt besitzen.
Nicht nur das materielle Erbe der SchUM-Gemeinden ist von herausragender Bedeutung. Auch das immaterielle Erbe von SchUM hat einen großen Stellenwert in der jüdischen Tradition. So wurde der hohe Rang der SchUM-Gemeinden im Mittelalter sogar von christlichen Zeitgenossen anerkannt. Die Takkanot-SchUM gelten bis heute als Ergebnis eines besonderen Zusammenschlusses, das weit über die Einflusssphäre der SchUM-Städte hinausging. Dass die Leitlinien der Rechtsprechung in anderen jüdischen Gemeinden Beachtung fanden und rezitiert wurden, ist insofern bedeutend, da seit dem 11. Jahrhundert die „allgemeine Regel“ galt, dass alle jüdischen Gemeinden souverän handeln und keine der anderen ihre Vorschriften aufzwingen kann. Doch immer wieder wandten sich Mitglieder anderer Gemeinden in schwierigen Streitfragen an die Rabbiner der SchUM-Gemeinden, um Rat zu erbitten.
Der mittelalterliche aschkenasische Chassidismus hatte in den Angehörigen der Kalonymiden-Familie in Speyer, Regensburg und Worms seine wichtigsten Vertreter. Dieser war keine philosophische oder
theologische Lehre, sondern eine mystische Strömung, deren religiöse Praxis sich insbesondere im Gebet als spiritueller Praxis äußerte. Der aschkenasische Chassidismus entstand vor dem
Hintergrund der Kreuzzüge und der Verfolgung von Juden im 12. und 13. Jahrhundert. Die Chassiden versuchten unter dem Eindruck der Gräueltaten der christlichen Umwelt an jüdischen Gemeinden dem
Erlebten spirituell zu begegnen und entwickelten beispielsweise besondere Formen von Askese und Verzicht. Als moralisierende Gruppe versuchten diese Chassiden zudem häufig geistige Anführer im
Sinne ihrer Ziele zu sein und gerieten dadurch vielfach in Konflikt mit örtlichen Rabbinern.
Die Pijjut-Literatur (Feiertags-Dichtungen) ist weiterer Bestandteil des immateriellen Erbes in SchUM. Vor allem Dichter der Gemeinden Mainz (Mose ben Kalonymus, Meschullam ben Kalonymus, Simon ben Isaak) und Worms (Meir ben Isaak, Eleasar ben Jehuda) schufen bedeutende Beiträge zu dieser in Palästina und Süditalien entstandenen Tradition. Von SchUM ausgehend, sind diese aschkenasischen liturgischen Dichtungen vor allem bekannt für ihre Klagelieder und Festtagsdichtungen zu den hohen Feiertagen. Die Sprache der Pijutim war zunächst streng biblisch und talmudisch, später entwickelten sich jedoch Sprach- und Stileigenheiten, in deren Folge sogar Kommentare zu den Pijutim verfasst wurden.
In der Synagoge in Mogilev (heute: Weißrussland) gab es inmitten prächtiger Ausmalungen der aus Holz errichteten Synagoge einst eine Darstellung der Wormser Synagoge. Die Deckenmalerei wurde, als Mogilev zu Polen gehörte, um 1700 von Chajim ben Isaak Eisik Segal geschaffen und soll an das mittelalterliche Worms erinnern. Dies bezeugt, bis wohin der Ruf von SchUM ausstrahlte, welches Ansehen das jüdische Worms und damit SchUM auch nach dem Mittelalter im europäischen Judentum besaß. Die Synagoge wurde 1941 durch die deutschen Besatzer zerstört. Die Deckenmalereien überlieferten sich in einem Film und in Kopien aus dem frühen 20. Jahrhundert.
In allen drei Städten liegen die Areale, auf denen die SchUM-Monumente stehen, in Denkmalschutzzonen und werden beispielsweise durch weitere Instrumentarien des Baurechts geschützt.
In Speyer ist der Judenhof mit den Überresten der Synagoge und der intakten, musealisierten Mikwe für Touristen zugänglich. Eigentümerin ist die Stadt, getragen wird das Gelände vom Verkehrsverein Speyer. Im Eingangsbereich liegt das 2010 eröffnete Museum SchPIRA, in dem Exponate zum jüdischen Speyer des Mittelalters gezeigt werden. Hierzu zählen beispielsweise originale Fenster, Kapitelle und andere architektonische Überreste der Synagoge sowie Grabsteine und auch der 1969 aufgefundene Silberschatz von Lingenfeld. Die Mikwe wurde im Jahr 1999 mit einer Glaskonstruktion überdacht, damit sie vor Witterungseinflüssen geschützt ist. 1965 bis 1968, 1997/98 und 2000/01 wurden auf dem Gelände Judenhof archäologische Grabungen durchgeführt, die stets neue Funde sowie Informationen zu Bauphasen hervorbrachten. Der vom Verkehrsverein Speyer betreute Judenhof ist Ziel zahlreicher Besucher. Es werden spezielle Führungen zum Thema „Jüdisches Speyer“ angeboten. Im Jahr 2017 waren dies 58, jedoch verlaufen auch fast alle regulären Stadtführungen über den Judenhof. Im gleichen Jahr besichtigten 18.513 Individual-Touristen sowie weitere rund 40.000 Touristen als Teil einer Stadtführung den Judenhof.
In Worms liegen die SchUM zugehörigen Monumente, deren Inhaber die Jüdische Gemeinde Mainz ist, an zwei unterschiedlichen Orten der Stadt: im Synagogenbezirk südlich der Judengasse innerhalb des Innenstadtkerns und auf dem Areal des jüdischen Friedhofs, ca. 1000 Meter von der Judengasse entfernt.
Der Synagogenbezirk mit Mikwe erhielt bei der Wiedergewinnung in den 1950er und 1960er Jahren sein heutiges Aussehen. 1982 wurde ein Neubau auf der Kubatur des ehemaligen jüdischen Versammlungshauses im Bereich der Hinteren Judengasse eröffnet. Das Versammlungshaus aus dem Mittelalter war ein multifunktionales Gemeindegebäude gewesen: es wurde für Hochzeiten, als Tanzhaus, Altersheim, Nebensynagoge und Unterkunft für Auswärtige vom 13. bis ins 20. Jahrhundert genutzt, Kellermauern und Putzreste aus dem 13. und 14. Jh. sind erhalten. Nach den Deportationen in der NS-Zeit verfiel das Gebäude langsam, wurde als Obdachlosenheim benutzt und schließlich Ende der 1970er abgerissen.
Unter dem Namen Raschi-Haus beherbergt der Neubau heute das Stadtarchiv Worms sowie das Jüdische Museum. Im Keller des Raschi-Hauses hat sich eine der oben erwähnten Mauern aus dem Mittelalter erhalten, die in die Zeit der einstigen SchUM-Gemeinden zu datieren ist. Die erhaltenen Reste dieses Gebäudes wurden unter Schutz gestellt und in den Antrag auf Aufnahme als UNESCO-Welterbe integriert.
Die Mikwe in Worms ist seit November 2016 für Besucher gesperrt, da Bauforschungen sowie Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen notwendig geworden sind. Die Synagoge wurde 2017 von 28.171 Personen besucht.
Der Friedhof Heiliger Sand liegt außerhalb der ehemaligen Stadtmauern, ist von der Synagoge aus in rund 15 Minuten Fußweg zu erreichen und wurde 2017 von etwa 40.000 Personen besucht. Darunter befinden sich sowohl Kulturtouristen, die Worms als Stadt mitsamt den SchUM-Monumenten entdecken, als auch jüdische Besucher, die gezielt zum Heiligen Sand kommen. Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen an Grabsteinen auf dem Heiligen Sand werden mit Unterstützung von Warmaisa e.V. und dem Altertumsverein Worms durchgeführt. Die Arbeiten geschehen jedoch nur nach jeweiliger Zustimmung der Denkmalpflege und in Absprache mit der zuständigen Inhaberin des Friedhofs, der Jüdischen Gemeinde in Mainz.
In Mainz liegt das Areal des Denkmalfriedhofs auf dem Judensand, dessen Eigentümerin die Jüdische Gemeinde Mainz ist, nordwestlich des Hauptbahnhofes an der Mombacherstraße. Für Besucher ist der Friedhof nicht öffentlich zugänglich. Da der Denkmalfriedhof in seiner jetzigen Form erst 1926 auf einem Teil des mittelalterlichen Begräbnisareals angelegt wurde, befinden sich auf dem gesamten Gelände Gräber, auch wenn sie nicht sichtbar sind. Um zu vermeiden, dass Personen über diese Gräber laufen, kann halachisch keine allgemeine Zugänglichkeit erlaubt werden. Im Zuge des UNESCO-Weltkulturerbe-Antrages wird es in den nächsten Jahren einen Gestaltungswettbewerb geben, zu dem auch die Planung eines Besucherzentrums gehört, das den Denkmalfriedhof virtuell für Besucher zugänglich machen soll.
Zur Förderung der Bekanntheit der SchUM-Städte wird seit 2018 schulische und außerschulische pädagogische Arbeit unterstützt. Dazu gibt es Vortragsreihen, Filmaufführungen und Lesungen, Informationstafeln und -stelen, es werden Apps zum Thema SchUM entwickelt. Weiterhin wurde im Jahr 2017 ein Imagefilm in deutscher und englischer Sprache vorgestellt.
Das kulturelle Erbe der SchUM-Städte ist durch das rheinland-pfälzische Denkmalschutzgesetz (DSchG) geschützt.
In Speyer ist der Judenhof mit den Überresten der Synagoge als Denkmalzone „Judenbad und Judenhof“ als bauliche Gesamtanlage, §5, Abs. 2 DSchG geschützt und im nachrichtlichen Verzeichnis wie folgt eingetragen: „Männersynagoge um 1100, Teile der Ost- und Westwand, Kleinquadermauerwerk; Frauensynagoge 1354, Ost- und Westwand, Ziegelmauerwerk; 1689 zerstört, 1965–1968 umfangreiche Grabungen; unterirdisches Ritualbad, um oder bald nach 1100“. Zudem ist die Mikwe als Einzeldenkmal/Kulturdenkmal nach §3 DSchG geschützt.
Die Wormser Synagoge, die Mikwe sowie das Raschi-Haus sind ebenfalls Teil einer Denkmalzone: „größter Teil des ehem. Wormser Judenviertels; mittelalterliche Keller, weitgehend ab 2. Hälfte 14. Jh; nach Pfalzverwüstung 1689 weitgehender barocker Wiederaufbau, 18. Jh., tlw. ältere Substanz, nach Zerstörungen 1945, tlw. Wiederaufbau im Stil der 1950er Jahre, seit 1970er Jahren Ergänzungen durch angepasste Neubauten; bauliche Gesamtanlage“. Innerhalb der Denkmalzone sind sowohl die Synagoge mit Mikwe als auch das Raschi-Haus als Einzeldenkmal/ Kulturdenkmal nach §3 DSchG geschützt.
Der jüdische Friedhof „Heiliger Sand“ in Worms ist als Denkmalzone „Alter jüdischer Friedhof“ (historische Park-, Garten- und Friedhofsanlage §5, Abs. 5 DSchG) geschützt und im nachrichtlichen Verzeichnis wie folgt eingetragen: „ältester erhaltener jüdischer Friedhof in Europa mit über 2.000 in situ aufrecht stehenden Grabsteinen; das 16.127 m² große Areal wohl schon in der 1. Hälfte des 11. Jh. angelegt, um 1260 erweitert, Grabsteine ab 1076, spätmittelalterlich, frühneuzeitlich, 18., 19. Jh. bis 1930er Jahre.“
Der alte jüdische Friedhof in Mainz einschließlich des Denkmalfriedhofs ist als Denkmalzone „Mombacher Straße Alter Judenfriedhof“ (historische Park-, Garten- und Friedhofsanlage, §5, Abs. 5 DSchG) geschützt: „am Platz eines vom 1.-4. Jh. belegten römischen Friedhofs, jüdische Gemeinde in Mainz seit dem 10. Jh. belegt, der Friedhof seit dem 13. Jh., dieser nach Vertreibungen und Zerstörungen seit 1583 wieder im Besitz der jüdischen Gemeinde, 1880 geschlossen; weit über 1000 Grabsteine, 1700–1880, überwiegend Rot- oder Gelbsandstein, im 19. Jh. aufwendiger, meist klassizistisch; ‚Denkmalfriedhof‘, 1926 angelegt auf der Erweiterung von 1862 mit 187 mittelalterlichen Grabsteinen, meist Muschelkalk, 1049–1420“.
2004 kamen der Wormser Oberbürgermeister gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Mainz und dem Verein Warmaisa überein, dem Land Rheinland-Pfalz vorzuschlagen, die mittelalterlichen Monumente der SchUM-Städte als UNESCO-Welterbe zu bewerben. 2006 war dieses Ziel bereits Bestandteil der Regierungserklärung des damaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, und wird seitdem in jedem weiteren Regierungsprogramm wiederholt. 2012 stellte das Land Rheinland-Pfalz bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister (KMK) den ersten Antrag zur Aufnahme in die deutsche Tentativliste. 2014 wurde dem Antrag entsprochen, worauf die KMK die Liste an die UNESCO übermittelte. Im selben Jahr wurde zur Koordinationsarbeit der SchUM-Städte e.V. gegründet, der einen Managementplan für das Welterbe entwickelt. Am 23. Januar 2020 wurden die Antragsunterlagen der UNESCO überreicht.
Federführend bei dieser UNESCO-Bewerbung ist das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MWWK), sowie in zweiter Linie die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) und die mit dem Ministerium kooperierenden Wissenschaftler der Universitäten Trier, Heidelberg, Mainz und Essen, die Städte Speyer, Worms und Mainz mit ihren obersten Repräsentanten, Fachämtern und Verwaltungen, die Jüdische Gemeinde Mainz als Inhaberin der Monumente in Worms und Mainz, die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz sowie der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz. Weitere universitäre und außeruniversitäre Institute werden zu Unterstützung und wissenschaftlicher Beratung herangezogen.
All diese Akteure organisieren sich in fachspezifischen Arbeitsgruppen und erarbeiten Themen wie die Überwachung des Erhaltungszustandes durch ein Monitoring-System, gemeinsame Vermarktung durch ein städteübergreifendes Tourismuskonzept oder eine Besucherlenkung, die Einplanung der von der UNESCO geforderten Besucherzentren an den Welterbestätten oder sicherheitstechnische Anforderungen.
Am 27. Juli 2021 entschied die zuständige Kommission der UNESCO, die SchUM-Städte auf die Liste der Welterbestätten zu setzen. Sie sind die 50. Welterbestätte in Deutschland. Zum ersten Mal zeichnete die UNESCO damit jüdisches Kulturgut in Deutschland als Welterbe aus.
Von Sven Felix Kellerhoff, 27. Juli 2021
»SchUM«-Gemeinden sind die Anfangsbuchstaben der hebräischen Städtenamen von Speyer (Schpira), Worms (Warmaisa) und Mainz (Magenza).
Die Unesco hat entschieden: Die archäologischen Reste der mittelalterlichen jüdischen Gemeinden entlang des Rheins gehören ab sofort zu den rund 1150 wichtigsten Hinterlassenschaften der Menschheit. Worum genau geht es?
Einst lagen Herz und Hirn des mitteleuropäischen Judentums am Rhein, vor allem in Speyer, Worms und Mainz. Fast ein Vierteljahrtausend lang dominierten diese drei Gemeinden, nach den Anfangsbuchstaben ihrer hebräischen Namen Schpira, Urmaisia und Magenza als „SchUM-Städte“ zusammengefasst, die jüdische Kultur im deutschsprachigen Raum.
Also Aschkenas, wie Rabbiner sagten. Jetzt hat die Unesco die Überreste dieser hochmittelalterlichen Blüte auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt, das jetzt rund 1150 Einträge umfasst.
Der Aufstieg begann nach den ersten großen Pogromen während der Kreuzzugsbewegung 1096, die das jüdische Leben in Worms und Mainz praktisch ausgelöscht hatten – nur in Speyer schützte der Bischofs die Juden der Stadt, so dass „nur“ etwa ein Dutzend massakriert wurde. Trotz dieser einschneidenden Erfahrung wurden neuen Gemeinden aufgebaut, die sich bald entlang des Rheins vernetzten – auch wenn die Distanz von rund 80 Kilometer Luftlinie zwischen Mainz und Speyer im Mittelalter eine mehrtägige Reise bedeutete
Um 1200 prägte der Gemeindeverbund mit seinen Erlassen und Schulen das aschkenasischen Judentum. Der Gelehrte Isaak ben Mose, nach seinem wichtigsten Werk „Or Sarua“ auch als Issak Or Sarua bekannt, beschrieb im angehenden 13. Jahrhundert die Bedeutung der SchUM-Städte: „Wie sehr gehören unsere Lehrer in Mainz, in Worms und in Speyer zu den gelehrtesten der Gelehrten, zu den Heiligen des Höchsten.“ Von dort, so ben Mose weiter, gehe „die Lehre aus für ganz Israel“, also die ganze damalige jüdische Welt.
Trotz zahlreicher weiterer Pogrome am Rhein seit Mitte des 14. Jahrhunderts und des antisemitischen Wahns der NS-Zeit gibt es in allen drei Städten archäologische Überreste, an denen man die Bedeutung dieser drei Gemeinden in ihrer goldenen Zeit ablesen kann. Sie zählen zu den wichtigsten Zeugnissen des mittelalterlichen Judentums.
In Speyer handelt es sich vor allem um den Judenhof, das einstige Zentrum der dortigen Gemeinde mit Männer- und Frauensynagoge, Schulhaus (Jeschiwa) und der ältesten in Europa erhaltenen Mikwe, einem rituellen Tauchbad. Da die Gemeindetradition in Speyer bald nach dem Jahr 1500 abbrach, wurde der Judenhof spätestens 1534 aufgegeben, anders genutzt und vergessen. Die Mikwe wurde Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt, aber erst 1998 archäologisch gesichert und für Besucher zugänglich gemacht.
In Worms hat die Synagoge am gleichnamigen Platz im nördlichsten Teil der mittelalterlichen Stadt die größte Bedeutung. Sie bildete den Mittelpunkt des jüdischen Viertels mit Lehrhaus, Mikwe und Garten. Zurück geht sie auf ein spätestens 1034 errichtetes Gebetshaus, wurde aber im Laufe ihres Bestehens mehrfach zerstört und nach der Brandschatzung beim Novemberpogrom 1938 bis Anfang 1941 mit großem Aufwand nahezu vollständig abgerissen. Da ein Wormser Bürger einige Architekturreste gerettet hatte, entschied man sich für einen weitgehend genauen Wiederaufbau, der 1957 bis 1961 erfolgte. Lediglich das Dach wurde neu konzipiert. Zunächst aber bleib die Wormser Synagoge ein Gebetshaus ohne Gemeinde; erst seit den 1990er-Jahren gibt es wieder regulären Gottesdienstbetrieb.
Der zweite wichtige Ort der mittelalterlichen Gemeinde von Urmaisia ist der Friedhof Heiliger Sand, der im Südwesten der mittelalterlichen Stadtmauer vis-à-vis des Andreasviertels entstand. Auf der anderthalb Hektar großen, dreieckigen Fläche sind rund 2500 Grabsteine erhalten, die mehr als 850 Jahre Nutzung belegen, von 1058/59 bis 1911. Beim Novemberpogrom der Nazis brannte das Haus für die rituelle Leichenwaschung aus, ansonsten aber zerstörten die Randalierer wenig. Daher ist der Heilige Sand wie ein Tor in die deutsch-jüdische Vergangenheit.
In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz sind keine Überreste des mittelalterlichen Judenquartiers mehr zu sehen – jahrhundertelange Verfolgung sowie die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg mit dem anschließenden Wiederaufbau haben alles zerstört, was nach der Austreibung der Mainzer Gemeinde 1438 noch bestanden hatte. Die damalige Synagoge nutzte die Stadt als Kohlelager und später als Allerheiligen-Kapelle. Auch die beiden folgenden Hauptsynagogen, errichtet 1853 und 1912, wurden 1938 zerstört (seit 2010 gibt es eine Neue Synagoge).
Der wesentliche archäologische Überrest der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde ist deshalb der alte Friedhof, der Judensand. Er liegt westlich der Zufahrtsgleise zum Mainzer Hauptbahnhof, befand sich möglicherweise seit 1012 im Besitz der jüdischen Gemeinde und war 1286 unter seinem Namen bekannt. Als 1438 die Juden aus Mainz ausgewiesen wurden, pflügte die Stadt den Friedhof und missbrauchte die Grabsteine als Baumaterial. Als 1445 wieder Juden in der Stadt aufgenommen wurden, erhielten sie einen Teil des früheren Friedhofes zurück. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden gut 200 alte Grabsteine geborgen und ein Denkmalfriedhof angelegt, auf dem sich heute auch die Gedenksteine einiger Gelehrte aus der Hochzeit von Magenza finden, zum Beispiel von Jakob ben Jakar.
Von Till Briegleb, 27. Juli 2021
Die SchUM-Gemeinden Speyer, Worms und Mainz werden Unesco-Kulturerbe. Auch der Niedergermanische Limes wird aufgenommen.
Die Welt des Judentums drehte sich einmal längs der hundert Kilometer langen Rheinachse zwischen Mainz und Speyer. Ein berühmtes Zitat beschreibt die Bedeutung der so genannten SchUM-Städte, zu denen als drittes Worms gehörte: Die Lehrer dort würden "zu den gelehrtesten der Gelehrten, zu den Heiligen des Höchsten" zählen. Von dort gehe "die Lehre aus für ganz Israel. Seit dem Tage ihrer Gründung richteten sich alle Gemeinden nach ihnen, am Rhein und im ganzen Land Aschkenas." Aschkenas, das hebräische Wort für Deutschland, wurde später zur Unterscheidung von den sephardischen Juden, die in Spanien und Portugal unter Moslems lebten, der Sammelbegriff für jenen Teil des Judentums, der sich in Nord- und Osteuropa ausbreitete - und zu dem sich heute 70 Prozent aller gläubigen Juden zählen.
Die herausragende Bedeutung der drei Rheinstädte für die religiöse und kulturelle Entwicklung des Judentums in der Diaspora, deren Basis an Wissen, Sitten und Weltsicht hier gelegt wurde, ehrte die UNESCO am Dienstag mit dem Titel des Weltkulturerbes. Wobei die Auszeichnung in diesem Fall weniger großen und prächtigen Bauzeugnissen gilt, als der geistigen Kraft einer Weltreligion, die in vielen Aspekten in jenen drei Städten ausformuliert wurde, deren hebräische Anfangsbuchstaben das Akronym SchUM bilden, das damals jedem Juden bekannt war. Viele noch heute gültige Gesetze und Vorstellungen des Judentums lassen sich direkt hierher zurückverfolgen: vom Verbot der Polygamie über ein gleichberechtigtes Scheidungsrecht zu vielen der bedeutendsten Talmud-Kommentaren.
Dass die baulichen Zeugnisse so rar sind, dafür haben die Brüder und Schwestern der anderen abrahamitischen Religion in Deutschland gesorgt. Bereits mit dem ersten großen Kreuzzug gen Jerusalem, den Papst Urban II. 1095 ausrief, marodierten plündernde Fanatiker durch die jüdischen Viertel der Städte, in denen diese sich seit Mitte des 10. Jahrhunderts niedergelassen hatten. Sie mordeten, plünderten und brandschatzen in einem Massaker, das nur wenige Menschen überlebten, und die weltlichen wie religiösen Bauwerke gar nicht. Um das Jahr 1350 wurden in den sogenannten Pestpogromen dann erneut die angeblichen "Brunnenvergifter" so vollständig und grausam getötet, dass die goldene Ära der SchUM-Städte endete.
Deswegen lässt sich außer den Friedhöfen in Speyer und Mainz, die wie durch ein Wunder die wiederkehrenden Gewalttaten der Deutschen gegen die Juden überdauerten, fast keine originale Substanz des frühen deutschen Judentums mehr finden. In Speyer bildet der Judenhof noch ein architektonisches Erbe des Mittelalters, mit dem großen Taufbecken, der Mikwe, das ein echtes Original der frühen Entwicklung der jüdischen Riten am Rhein darstellt. In Worms finden sich nur noch Steinmauerreste, die Synagoge wurde nach den Wellen der Zerstörungswut immer wieder aufgebaut. Und in der Urstadt des aschkenasischen Judentums, in Mainz oder Magenza, wo ab 917 die Luccaer Juden sich ansiedeln durften, befindet sich noch der älteste jüdische Friedhof nördlich der Alpen. Die auch dort im Dritten Reich zerstörte Synagoge ist durch einen spektakulären Neubau von Manuel Herz 2010 ersetzt worden, dessen Gebäude den jüdisch-liturgischen Begriff "Keduscha" für Heiligkeit nachbildet.
Es ist also ein stark ideeller Zusammenhang, der hier ausgezeichnet wird, für den sich Rheinland-Pfalz seit 2004 bemüht, das Weltkulturerbe-Zeichen zu erhalten. Die Würdigung kann deshalb vornehmlich Einfluss auf das heutige Wissen über die Urzeit des europäischen Judentums nehmen, die in diesen drei Städten zu einer Epoche größter Gelehrsamkeit und friedfertiger Debatte über den richtigen Glauben führte. Und im Gegensatz zu den ersten zwei am Wochenende im chinesischen Fuzhou bestätigten deutschen Nominierungen, die Bäderstädte Baden-Baden, Bad Kissingen und Bad Ems sowie die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt, ist auch der vierte Titel eher Bestätigungen einer bedeutenden Geschichte, die kaum prägnante Spuren hinterließ.
Die beiden Einreichungen für römische Grenzwälle an der Donau und am Niederrhein, die das volle deutsche Erfolgspaket bei der 44. Konferenz der UNESCO zum Weltkulturerbe für die Jahre 2020 und 2021 geschnürt hätte, wurden zwar nur zur Hälfte bestätigt. Da Ungarn wie schon vor zwei Jahren aus der gemeinsamen Nominierung für den sogenannten "nassen Limes" an der Donau wieder ausgestiegen ist, wurde diese Wahl erneut verschoben. Aber auch die Reste der Wälle und Befestigungsanlagen am Niederrhein, die Deutschland und Holland gemeinsam vorgeschlagen haben, sind ein guter Anlass, sich mit den großen Umwälzungen zu beschäftigen, die von der ersten europäischen Weltmacht in Germanien verursacht wurden.
Von Anna Fries, 28. Juli 2021
Mauern und Grabsteine zeugen vom früheren Glanz der mittelalterlichen SchUM-Gemeinden und laden ein zu einer Spurensuche ins "Jerusalem am Rhein". Nun sind die SchUM-Gemeinden das erste jüdische Welterbe in Deutschland.
Als SchUM-Städte sind die mittelalterlichen jüdischen Gemeinden Mainz, Worms und Speyer weltweit bekannt. SchUM, das Wort erschließt Juden auf der ganzen Welt einen Kosmos an Geschichten, Regeln und Traditionen. Die drei Gemeinden schlossen sich um 1200 zusammen und prägten das west- und mitteleuropäische Judentum. Heute erinnern Teile mittelalterlicher Synagogen, Ritualbäder, Gemeindehäuser, Grabsteine sowie unzählige Geschichten an die frühere Blütezeit und laden ein zu einer Zeitreise ins „Jerusalem am Rhein“.
Die Unesco erkannte nun den „außergewöhnlichen universellen Wert“ der Stätten an und erklärte die SchUM-Gemeinden zu Welterbe. Gründe dafür gibt es viele. Der Speyerer SchUM-Koordinator Matthias Nowack betont: „Die Gemeinden waren im Mittelalter so etwas wie das Silicon Valley für die religiöse Entwicklung des aschkenasischen Judentums.“ Manche Gesetze oder Lehren berühmter Rabbiner von damals spielen noch heute eine Rolle.
Ein Besuch offenbart drei Orte mit unterschiedlichem Zauber. Während der Synagogenkomplex in Speyer einem Freilichtmuseum ähnelt, wirkt der Gedenkfriedhof in Mainz wie ein verwunschener Ort aus anderer Zeit, verbindet Worms am stärksten Tradition und gelebtes Judentum. Dazu warten je eigene Superlative auf: Worms mit dem ältesten jüdischen Friedhof Europas „Heiliger Sand“, Speyer mit der am besten erhaltenen mittelalterlichen Mikwe, Synagoge und „Frauenschul“ – der Frauensynagoge, und Mainz mit einem einzigartigen Gedenkfriedhof.
In Mainz lassen sich Spuren einer jüdischen Gemeinde bis ins 10. Jahrhundert rekonstruieren. In Speyer siedelte Bischof Huzmann 1084 eine jüdische Gemeinde an, auch um das Ansehen seiner Stadt zu mehren. „Juden waren europaweit vernetzt, gebildet und lockten Baumeister und Gelehrte in die Stadt“, sagt Nowack. Die enge Verbindung zwischen Bischof und jüdischer Gemeinde zeigt sich auch in der Architektur. So ähneln Kapitelle an der Mikwe Verzierungen am Speyerer Dom, da wohl an beiden Gebäuden die gleichen Handwerker arbeiteten.
Worms verbindet Vergangenheit und Gegenwart. „Worms ist bis heute ein Ort, an dem sich Jüdinnen und Juden immer wieder neu verorten“, betont die Geschäftsführerin des SchUM-Vereins, Susanne Urban. Dort stand ab 1034 nachweislich eine Synagoge, die mehrfach zerstört – zuletzt 1938 von den Nationalsozialisten – und wieder aufgebaut wurde. Rund ein Drittel der Steine ist original aus dem Schutt geborgen. Worms verstehe sich daher auch als ein „Ort jüdischer Resilienz, des Ankommens und der Verwurzelung, der zeigt, dass nicht immer alles auf ewig zerstört bleibt“, sagt Urban.
Davon zeugen zahlreiche Geschichten rund um das jüdische Worms, die von Wundern und Überlebenden erzählen, von zurückweichenden Mauern, schnatternden Gänsen oder Lindwürmern, die Juden in wichtigen Momenten beistanden, sagt Urban. Viele Erzählungen ranken sich um Rabbi Salomo ben Isaak, genannt „Raschi“, dessen Bibelkommentar im Judentum als ein Standardwerk gilt.
Als „offenes Geschichtsbuch“ zeugen rund 2.500 sichtbare Grabsteine auf dem „Heiliger Sand“ vom Leben der Gemeinde. Die Gräber sind mit Ausnahme eines Steins nicht, wie im Judentum üblich, nach Jerusalem ausgerichtet, sondern zum Synagogenbezirk und Italien – Richtung „Jerusalem am Rhein und dem Land der Gründerväter“, sagt Urban. Papierzettel oder Blechkästen für Kerzen an manchen Grabsteinen weisen auf die Gräber berühmter Gelehrter hin, etwa des Rabbi Meir von Rothenburg.
Ebenso lässt der einzigartige Denkmalfriedhof, den die jüdische Gemeinde Mainz 1926 anlegte, die wechselvolle Geschichte der Juden in der Region erahnen. Dort ruhen rund 200 Steine, die verbaut in Brücken, Türmen oder Mauern gefunden wurden – darunter Grabsteine berühmter Rabbiner und der wohl älteste jüdische Grabstein nördlich der Alpen, datiert auf das Jahr 1049. Die Zeugnisse der SchUM-Gemeinden erinnern nicht nur an die mittelalterlichen Gemeinden, sondern zeugen von Brüchen und Traditionen und werfen einen Blick auf die Geschichte des Judentums in Deutschland. Die Orte, nun mit Welterbe-Status, sollen künftig in ihrer Einzigartigkeit erhalten und zugleich für Touristen erschlossen werden.
SchUM meint das Bündnis der drei mittelalterlichen jüdischen Gemeinden Speyer, Worms und Mainz am Rhein. Der Name leitet sich aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der Städte her: Schin (Sch) für Schpira, Waw (U) für Warmaisa und Mem (M) für Magenza. Die Gemeinden erlebten ihre Blütezeit zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert. Sie galten auch als "Jerusalem am Rhein".
Bis heute spielen die SchUM-Gemeinden und deren Gelehrte in der jüdischen Welt eine Rolle. Von den Gemeinden gingen Impulse und Regeln für das Judentum weltweit aus. Sie prägten Liturgie, Rechtsprechung, Architektur und Gemeindeleben des Judentums. Zahlreiche Legenden und Geschichten erzählen von damals. Berühmte und noch heute verehrte Gelehrte sind etwa die Rabbiner Gerschom ben Jehuda oder Salomo ben Isaak, genannt "Raschi".
Mit der Unesco-Entscheidung gehören die historischen Gebäude der SchUM-Gemeinden nun zum Weltkulturerbe. Die Auszeichnung umfasst den "Judenhof" in Speyer mit Synagoge, Mikwe und Frauensynagoge. In Worms zählen der Synagogenkomplex sowie der älteste jüdische Friedhof Europas, der "Heilige Sand", dazu. Mainz ist mit dem Denkmalfriedhof "Judensand" vertreten.
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