Die Thora (auch Tora, hebr. תּוֹרָה, Weisung, Belehrung, Gebot, von jarah = unterweisen) ist der erste Teil des Tanach, der Hebräischen Bibel. Sie besteht aus fünf Büchern (griechisch: Pentateuch), weshalb sie im Judentum auch "chamischa chumsche thora" (die fünf Fünftel der Thora) genannt wird.
Thorarolle mit Zeigestab
Die Thora macht einen großen erzählerischen Bogen von der Schöpfung
und der Urzeit über die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob, weiter über den Auszug aus Ägypten und dem Bundesschluss am Berg Sinai mit der Bekanntgabe der Gesetze bis hin zur Wanderung durch die
Wüste. Von der Landnahme selbst berichtet die Thora nicht mehr. In diese Erzählung werden die vielen Bestimmungen, die nach der Thora Gott den Israeliten am Berg Sinai gegeben hat, ausführlich
behandelt. Weil die Thora über weite Strecken ein reines Gesetzeskorpus darstellt, wurde sie denn auch zur Grundlage der religionsgesetzlichen Ausformung des rabbinischen Judentums und erhält von
dorther ihre Bedeutung im Judentum bis heute. Nach traditioneller jüdischer Auffassung beinhaltet die Thora 613 Vorschriften, 248 Ge- und 365 Verbote.
Die Verschriftung der Thora erfolgte in einem langen
Überlieferungsprozess, in dem unterschiedliche Quellen und verschiedene redaktionelle Bearbeitungen Eingang gefunden haben. Die Thora war der erste Teil des Tanach, dem eine besondere Bedeutung
als Heilige Schrift zuerkannt wurde und somit zuerst kanonisiert war. Trotz der frühen Kanonisierung der Thora wurde das religionsgesetzliche Material der Thora im Frühjudentum weiterdiskutiert
und -entwickelt und in einem langen, meist mündlichen Auslegungsprozess fortgeführt. Diese Auseinandersetzung der Rabbinen mit der Thora fanden ihren Niederschlag in der Mischna und später im
Talmud und bildete das auf dem Religionsgesetz (der Halacha) gründende Judentum, das im Mittelalter selbstverständlich war, in der Neuzeit kritisiert wurde und bis heute im Orthodoxen Judentum
seinen Ausdruck findet.
Demgegenüber ist die christliche Auseinandersetzung mit der Thora
durch das spezifische Verständnis der Bibel als "Altes Testament" relativiert und auf die Person Jesus von Nazareth hin ausgerichtet.
Die Thora besteht aus fünf Büchern (im Christentum die „fünf Bücher Mose“, griech: Pentateuch), die im Hebräischen nach einem der ersten Worte im Buch benannt sind:
Bereschit ('בְּרֵשִׁית) |
(Im Anfang schuf ...) |
Genesis (1. Buch Mose) |
Schemot (שְמוֹת) |
(Dies sind die Namen ...) |
Exodus (2. Buch Mose) |
Wajikra (וַיִּקְרָא) |
(Und es rief JHWH ...) |
Levitikus (3. Buch Mose) |
Bemidbar (בְּמִּדְבַּר) |
(Und es redete JHWH in der Wüste ...) |
Numeri (4. Buch Mose) |
Devarim (דְּבָרִים) |
(Dies sind die Worte ...) |
Deuteronomium (5. Buch Mose) |
Das hebräische Wort hat mehrere Bedeutungen. Die engste bezeichnet die fünf Bücher Mose, die das Volk Israel nach der Darstellung der Thora am Berg Sinai erhalten hat.
Die „Thora“ kann aber auch die Thorarolle meinen. Dies ist eine Rolle
aus Pergament, auf der die fünf Bücher Mose in hebräischen Buchstaben (ohne Vokale) von Hand aufgeschrieben sind. Aus einer Thorarolle wird in jüdischen Gottesdiensten "gelesen", wobei dieses
Lesen eher ein Singen nach einer bestimmten Notation ist.
Eine für den öffentlichen Gottesdienstgebrauch vorgesehene Thorarolle
wird grundsätzlich per Hand von einem Sofer, einem speziell dafür ausgebildeten Schreiber, geschrieben. Bei guter Aufbewahrung kann eine Thorarolle mehrere hundert Jahre rituell brauchbar
bleiben. Die älteste existierende Thorarolle stammt von etwa 900 n. Chr. Jene Thorarollen, die mechanisch, durch Abnutzung oder hohes Alter (Materialermüdung) beschädigt und somit unbrauchbar
geworden sind, werden aus Respekt nicht weggeworfen, sondern in einer Genisa aufbewahrt oder auf einem jüdischen Friedhof begraben. Zum Thoraschmuck gehören Thorawimpel, Thoramantel, Thoraschild,
Zeigestab und Thorakrone oder zwei kleine Krönchen (Rimmonim).
Laut traditioneller jüdischer Überlieferung erhielt Israel über Mose jedoch nicht nur die (schriftliche) Thora, sondern auch deren mündlich überlieferte Auslegung, die die schriftliche Thora jeweils aktualisiert. Unter Rabbi Jehuda ha-Nassi wurde das in einzelnen Sammlungen erhaltene, aber kaum überschaubare Material in ein System von 6 Ordnungen gebracht. Diese erste schriftliche Fixierung der Mündlichen Thora wurde zum Standardkanon, der in seinem Bestand nicht ergänzt, wohl aber kommentiert wurde. Die Mischna wird ausführlich im Talmud diskutiert und erklärt. Talmud ist die Bezeichnung für das gesamte Werk, das aus Mischna und deren Diskussion Gemara besteht. Die Mischna wurde um das Jahr 200 n. Chr. in schriftlicher Form fixiert, die Gemara bis zum 6. Jahrhundert. Während in der Thora neben den erzählenden Teilen 613 Ge- und Verbote aufgelistet werden, werden in der Mischna und der Gemara diese Vorschriften konkretisiert und teilweise faktisch verändert.
In einer weiteren Bedeutung bezeichnet Thora pars pro toto die gesamte
jüdische Bibel (Tanach), also die Thora im engeren Sinne, die Neviim (Prophetenbücher) und die Ketuvim (Schriften).
Innerhalb des Judentums ist die herausragende Bedeutung der Thora
unstrittig, da sie, wie oben erwähnt, zur Grundlage für die religionsgesetzliche (halachische) Auslegung des rabbinischen Judentums wurde. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass im weiteren
Verlauf der jüdischen Geschichte nicht die Thora im Mittelpunkt des rabbinischen Interesses lag, sondern die religionsgesetzliche Diskussion, wie sie im Talmud zum Prinzip geworden ist. Zwar
entstanden zum Text der Thora Midraschim, die im weitesten Sinn eine Auslegung der Thora darstellen, doch waren die rabbinischen Autoritäten an der halachischen Diskussion und später an der
Festlegung halachischer Standards interessiert. Erst Raschi (1040-1105) schuf mit seinem Kommentar zur Thora (und weitgehend zu den anderen biblischen Büchern) eine Art wegweisende Auslegung und
ermöglichte damit eine ernsthafte Beschäftigung mit der Thora.
Da die christliche Kirche das Alte Testament (und damit auch die
Thora) in ihren Kanon aufgenommen hatte, wurden einige inhaltliche Schwerpunkte der Thora, wie z.B. Schöpfung, Nächstenliebe zum Allgemeingut der westlich-christlichen Kultur. Allerdings konnte
das Christentum, aufgrund der selbstgesetzten Dichotomie von Gesetz und Evangelium, nicht das Verständnis der Thora als Gesetzbuch in die westliche Kultur implantieren, sondern überlieferte oft
ein Zerrbild der "alttestamentlichen" Gesetzlichkeit. Berühmtestes Beispiel für ein solches Zerrbild ist nach wie vor das vielmals zitierte "Auge-um-Auge-Prinzip", das nach allgemeiner Auffassung
den Rachegedanke bediene, während eine genauere Analyse (auch mithilfe rabbinischer Klärungen) die Begrenzung von Schadenersatzforderungen beinhaltet.
Im orthodoxen Verständnis hat die Thora zwei Dimensionen – eine
offenbarte und eine verborgene. Die offenbarte Dimension enthält die Gesetze der Thora, die ein Ausdruck des Willens Gottes sind. Im Hebräischen heißt dieser Aspekt Gufej Thora („Körper der
Thora“) oder Nigleh, die „offenbarte Dimension“. Neben dem „Körper“ der Thora gibt es auch die „Seele“ der Thora – die mystische Dimension. Sie birgt Einsichten über die göttliche Existenz und
ihre Offenbarung, den Schöpfungsprozess und das Wesen der menschlichen Seele. Im Hebräischen wird dieser Aspekt auch Sitrej Thora genannt, die „Geheimnisse der Thora“, oder Nistar, die
„verborgene Dimension“.
Die unterschiedlichen Bedeutungsebenen der Thora werden in der
orthodoxen Auffassung in 4 allgemeine Kategorien geteilt:
Aber auch innerhalb dieser vier Ebenen gibt es verschiedene Interpretationen der Thora. Auf der Ebene des Peschat etwa kennt das Judentum nicht eine, sondern mehrere Autoritäten (Raschi, Ibn Esra, Raschbam u.v.m.). Und trotz einheitlicher Grundausrichtung auf die wörtliche Interpretation kommen sie oft zu unterschiedlichen Lehrmeinungen über die einzelnen Verse und Ereignisse.
Der grundlegende Unterschied zwischen orthodoxem Judentum und
progressivem Judentum ist das Verständnis der Offenbarung. Die orthodoxe Tradition innerhalb des Judentums betrachtet die Thora als Gotteswort, das Mosche am Berg Sinai von Gott selbst gegeben
wurde. Es wird in einigen orthodoxen Kreisen durchaus eingeräumt, dass sich in der Tradierung des Gotteswortes hier und da einige Schreibfehler eingeschlichen haben könnten, das fechte die
Tatsache, dass die Thora das Wort Gottes sei, jedoch nicht an. So ist dem orthodoxen Standpunkt ein Satz wie „Da erschuf Gott den Menschen in seinem Ebenbilde ...“ (Gen 1,28) eine Tatsache, da
das Wort Gottes per definitionem die Wahrheit selbst ist. Dies impliziert auch, dass jedes Wort der Thora einen Sinn haben muss, da kein Buchstabe Gottes Wortes überflüssig sein könne. Wo die
modernen Wissenschaften mit dem Tanach in Widerspruch stünden, würde sich einmal zeigen, dass sie sich irrten.
Das nicht-orthodoxe Judentum sieht die Offenbarung als einen
fortschreitenden („progressiven”) Dialog des Volkes Gottes mit seinem Gott. Im nicht-orthodoxen Judentum wird die Thora heute mit Hilfe erkenntnistheoretischer Kriterien gedeutet. Das Gewissen,
die Vernunft, ethische Überlegungen, Erkenntnisse der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften beschränken die Bedeutung und die Auswirkung der Gebote und Verbote der Thora.
Die jüdische progressive Zivilisation ist in der Zeit von
Menschenrechten, demokratischen Entscheidungen und Naturwissenschaften vor allem um die Einhaltung der Moralgesetze bemüht. Sie glaubt nicht, dass der Tanach, die Thora das unabänderliche Wort
Gottes ist, aber dass diese im Kern göttlich inspiriert sind. Die Offenbarung ist ein fortschreitender Prozess. Gott offenbart die Inhalte seines Willens und seiner Gebote jeder Generation neu.
Diese Haltung macht es möglich, die tradierte jüdische Rechtspraxis dort zu ändern, wo sie nach progressiver Auffassung den ethischen Normen des Judentums nicht mehr entspricht. Dazu zählen
bestimmte Regeln in Bezug auf Scheidung, Mamser (d.h. ein aus einer inzestuösen oder ehebrecherischen Beziehung stammendes Kind), Kohanim (Priester), Homosexuelle etc. und vor allem die volle
religiöse Gleichberechtigung von Frauen. Die Ausführung der Mitzwot wird in die verantwortliche Entscheidung des Einzelnen gestellt.
Das progressive Judentum bestimmt für sich Teile der Tradition, die immerwährende Bedeutung haben, getrennt von solchen, die zeitbedingt und relativ sind. Wertelemente der jüdischen Tradition und des Judentums von Dauer sind der Schabbat, das Streben nach Gerechtigkeit und die Heiligkeit des Lebens. Zeitbezügliche, relative Wertelemente sind zum Beispiel das Tempelopfer und die unbedingte Macht des Mannes über seine Frau (als juristische Sache).
Das Alte Testament (AT) ist dreigegliedert, wie der Tanach. Der Pentateuch eröffnet die christliche Bibel, wie den Tanach. Dabei bildet die Thora jedoch keine
eigene Einheit, sondern ist meist mit den vorderen Propheten (Josua, Richter, Samuel, Könige) und den Büchern Ruth, Chronik, Esra, Nehemia und Ester als Gruppe der Geschichtsbücher
sortiert. Die katholische Kirche zählt zu den Geschichtsbüchern noch die Bücher Tobit und Judith, die nicht Teil der hebräischen Bibel sind. In anderer Reihenfolge bezüglich des
Tanach folgen im AT die Schriften (Ketubim) und dann nur die hinteren Propheten (Neviim). Mit der abweichenden Sortierung gehen im Christentum Abweichungen des Verständnisses des
Pentateuchs einher. Die fünf Bücher Mose werden nicht mehr als Lehre, Gesetz gelesen, sondern als Geschichtsbücher. Es stehen im Christentum nicht mehr die Lehren und Gesetze im
Vordergrund, sondern die Verheißungen – besonders die Abraham-Verheißung – und die Erzählungen von Gottes geschichtlichem Handeln.
In seiner Grundhaltung und Weltanschauung verweist der Islam auf das Erbe
der Propheten und auf den klaren Monotheismus Abrahams (Ibrahim). Judentum und Christentum gelten dem Islam als Religionen, die auch einen Anteil an der göttlichen Offenbarung haben. Aus
verschiedenen Suren des Korans (3:3; 3:50; 3:65: 5:43 ff.; 5:66 ff.; 5:110; 7:157; 9:111; 48:29; 61:6; 62:5) ist den gläubigen Muslimen geläufig, dass der Qur`an (Koran) Wurzeln in der Thora
(arabisch‘توراة‘tauraa) hat.
Einige Bestimmungen der Thora werden im Qur'an zitiert, so das Prinzip „Auge um Auge“, welches aber relativiert
wird:
„Wir hatten ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr und Zahn um Zahn; und für
Verwundungen gerechte Vergeltung. Wer aber darauf verzichtet, dem soll das eine Sühne sein; und wer nicht nach dem richtet, was Allah herab gesandt hat – das sind die Ungerechten.“
Gemäß dem Koran wird auch das Auftreten des Propheten Mohammed (Muhammad) in der Thora prophezeit:
„Dies sind jene, die dem Gesandten, dem Propheten folgen, der des Lesens und Schreibens unkundig ist; dort in der Thora und im
Evangelium werden sie über ihn (geschrieben) finden: er gebietet ihnen das Gute und verbietet ihnen das Böse, und er erlaubt ihnen die guten Dinge und verwehrt ihnen die schlechten, und er nimmt
ihnen ihre Last hinweg und die Fesseln, die auf ihnen lagen. Diejenigen also, die an ihn glauben und ihn stärken und ihm helfen und dem Licht folgen, das mit ihm her abgesandt wurde, die sollen
erfolgreich sein.“
Nach geläufiger muslimischer Auffassung bezieht sich das auf 5 Mos 18,18 EU.
Obwohl die Thora wie auch das Evangelium im Koran oft positiv erwähnt werden, werden sie von Muslimen jedoch kaum studiert. Nach islamischer Auffassung sind die Originale von Thora und Evangelium (Indschil) verloren gegangen, die heutigen Versionen gelten als verfälscht.
Aus muslimischer Sicht ist der Grund für die Ähnlichkeiten zwischen Qur'an und Thora, dass in der Thora trotz Veränderungen im Laufe der Zeit durch menschlichen Einfluss immer noch Elemente der ursprünglichen göttlichen Offenbarung enthalten und somit in der letzten Offenbarung Gottes (Allah), dem Qur'an, wiederzufinden sind.
Diese Webseite wurde mit Jimdo erstellt! Jetzt kostenlos registrieren auf https://de.jimdo.com