Jiddisch

 

Jiddisch (aus ostjidd. jidisch [ייִדיש] für „jüdisch“; im 19. Jahrhundert als yiddish ins Englische entlehnt und daraus Anfang des 20. Jahrhundert als jiddisch ins Deutsche zurück übernommen) ist eine westgermanische Sprache mit hebräischen und slawischen Elementen, die als jüdische Sprache üblicherweise in hebräischen Schriftzeichen geschrieben wird. Jiddisch ging zur Zeit des Hochmittelalters aus dem Mittelhochdeutschen hervor und ist allgemein auch heute noch der deutschen Sprache und deren Mundarten sehr nahe. Es wird von etwa drei Millionen Menschen, größtenteils Juden, auf der ganzen Welt gesprochen. Vor dem Holocaust gab es etwa 12 Millionen Sprecher, die meisten davon in Ostmittel- und Osteuropa. Heutzutage sprechen neben älteren Menschen aller jüdischen Glaubensrichtungen vor allem chassidische Juden Jiddisch als Umgangssprache.

 

Der Erforschung der jiddischen Sprache, Literatur und Kultur widmet sich die Jiddistik, die auch in Deutschland und Österreich an mehreren Universitäten vertreten ist.

Geschichte

 

In der mittelhochdeutschen Periode entwickelten sich im deutschen Sprachgebiet spezifisch jüdische Ausprägungen des Deutschen, die von Juden untereinander gesprochen und in der Regel mit einem dafür angepassten hebräischen Alphabet geschrieben wurden. Charakteristisch sind eine Vielzahl von Entlehnungen aus dem meist nachbiblischen Hebräischen und dem Aramäischen sowie in geringem Maße auch einige Entlehnungen aus dem Romanischen (Französisch, Italienisch und Spanisch), während syntaktische Einflüsse des Hebräischen fraglich sind.

 

Bedingt durch die Judenverfolgungen im 13. Jahrhundert und besonders nach der großen Pest von 1348 kam es zur massenhaften Migration von Juden aus dem deutschen Sprachgebiet nach Osteuropa, besonders ins Königreich Polen und ins Großfürstentum Litauen, und in der Folge zu einer sprachlich getrennten Entwicklung: Das Jiddische im Westen entwickelte sich im Kontakt mit dem Deutschen weiter und glich sich ihm besonders im Zuge der Säkularisierung und Assimilation deutscher Juden seit dem 18. Jahrhundert weitgehend an, während das Jiddische im Osten den mittelalterlichen Stand des jüdischen Deutschen stärker bewahrte und sich hauptsächlich im Kontakt mit slawischen Sprachen durch Entlehnungen und durch Übernahme morphologischer und syntaktischer Elemente aus dem Slawischen weiterentwickelte. Man unterteilt das Jiddische deshalb in Westjiddisch und Ostjiddisch, wobei aber in der Forschung unterschiedliche Einschätzungen bestehen, ob auch das Westjiddische als eine gegenüber dem Deutschen eigenständige Sprache oder eher als eine Variante des Deutschen zu betrachten ist.

 

Mit der Massenauswanderung in die USA im 19. Jahrhundert expandierte das Jiddische verstärkt in den englischen Sprachraum und wurde dementsprechend zunehmend durch Englisch als Kontaktsprache beeinflusst. Heute gibt es in einigen traditionellen jüdischen Gemeinden (zum Beispiel in New York, Montreal, London und Antwerpen) größere Sprechergruppen, die Jiddisch als hauptsächliche Alltagssprache verwenden und an die nächste Generation weitergeben. Zudem wird Jiddisch auch von ultraorthodoxen Juden in Jerusalem, hauptsächlich im Stadtteil Me'a Sche'arim, noch als Alltagssprache gesprochen. Im ultraorthodoxen Antizionismus gilt die jiddische Sprache als besonderes Merkmal und wird auch bewusst in Abgrenzung zum israelischen Staat und zum Zionismus beibehalten.

 

Das 19. Jahrhundert wird oft als goldenes Zeitalter der jiddischen Literatur gewertet. Diese Periode trifft mit der Wiederbelebung des Hebräischen als gesprochene Sprache und der Wiedergeburt der hebräischen Literatur zusammen. Größtenteils durch jüdische Kulturschaffende haben jiddische Wörter Eingang in den Wortschatz des US-amerikanischen Englisch gefunden.

 

Jiddisch war eine der offiziellen Sprachen in der unabhängigen Volksrepublik Ukraine zwischen 1917-1920. In den 1920ern und 1930ern war Jiddisch einige Jahre lang neben dem Russischen, Weißrussischen und Polnischen Staatssprache im sowjetischen Weißrussland. Einerseits betrieb die Sowjetunion zu Stalins Zeiten eine aktiv judenfeindliche Politik und verfolgte die jüdische Religion, das Bibelstudium, die zionistische Bewegung und die hebräische Sprache. Andererseits wurden jiddische Sprache und Literatur zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg offiziell gefördert. Zwischen 1918 und 1923 wurden unter der Führung des Kriegsveteranen Simon Dimantstein innerhalb der KPdSU jüdische Sektionen („Jewsekzija“) errichtet. Ihre Aufgabe war der Aufbau einer „jüdischen proletarischen Kultur“, die nach den Worten von Stalin „national in der Form und sozialistisch im Inhalt“ sein sollte. Es gab drei bedeutende jiddische Zeitungen: Emes („Wahrheit“, 1920–39 in Moskau), Shtern (1925–41 in der Ukraine) und Oktjabr („Oktober“, 1925–1941 in Weißrussland). Auch der Aufbau eines jiddischen Schulsystems wurde gefördert. 1932 besuchten 160.000 jüdische Kinder in der Sowjetunion eine jiddischsprachige Schule. Doch wegen des Mangels an höheren Ausbildungsmöglichkeiten in Jiddisch und des allgemein tiefen Ausbildungsniveaus wurden in den folgenden Jahren im ganzen Land diese Schulen geschlossen, meistens mit ihrem Einverständnis.

 

1925 wurde in Berlin und im damals polnischen Vilnius das Yidisher visnshaftlekher institut (YIVO) als akademische Einrichtung zum Studium jiddischer und ostjüdischer Kultur gegründet. Seit 1940 ist der Hauptsitz in New York City; 1941 plünderten die Nazis den Vilniuser Sitz.

 

1928 wurde das Jüdische Autonome Gebiet in der östlichen Sowjetunion gegründet. Hier sollte Jiddisch als Amtssprache eingeführt werden, jedoch erreichte die jiddischsprachige Bevölkerung nie die Mehrheit. Seit dem Zerfall der Sowjetunion sind die meisten Juden des jüdischen autonomen Gebietes nach Israel, Deutschland und in die USA ausgewandert. Jiddisch wird nur noch von einem Bruchteil der Einwohner gesprochen.

 

Bis heute ist trotz der starken verändernden Einflüsse, die das Jiddische geformt haben, die phonetische Verwandtschaft zum Deutschen unüberhörbar. Deutschsprechende sind häufig sehr überrascht, wie gut sie dem Jiddischen folgen können. Jiddisch ist für Hochdeutschsprecher wesentlich besser zu verstehen als Niederländisch. 

 

Die Sprachbezeichnung jiddisch

 

Jiddisch ist ein verhältnismäßig neues Kunstwort und hat im Deutschen seit den 1920er Jahren die älteren Bezeichnungen „Judendeutsch“, „Jüdisch-Deutsch“ und „Jargon“ (für Ostjiddisch) verdrängt, die in der älteren Literatur oft abwertend für die deutsch basierten Sprachen der Juden in Mittel- und Osteuropa gebraucht wurden. Das deutsche Wort jiddisch ist eine Entlehnung aus dem englischen Yiddish, das seinerseits auf das von ostjüdischen Emigranten nach England mitgebrachte jiddische Wort jidisch zurückgeht. Jidisch (oder idisch) bedeutet im Jiddischen sowohl „jüdisch“ (dem jüdischen Volk und seiner Religion zugehörig) als auch „jiddisch“ (dessen deutschbasierter Sprache zugehörig). Im Englischen ist das Wort Yiddish seit 1886 belegt, so zuerst in dem Roman Children of Gibeon von Walter Besant mit der Erklärung, dass es sich um eine aus Polnisch, Deutsch und Hebräisch gemischte Sprache handele, bald darauf dann aber auch durch gelegentliche Verwendung in sprachwissenschaftlichen Publikationen wie Alexander Harkavys Dictionary of the Yiddish Language (New York 1898) und Leo Wieners History of Yiddish Literature in the Nineteenth Century (London & New York 1899), wobei auch in solchen Fachpublikationen allerdings bis ins 20. Jahrhundert ältere Bezeichnungen wie Judaeo-German zunächst noch vorherrschend blieben.

 

Bei der Anglisierung des jiddischen Wortes jidisch war der Konsonant „d“ verdoppelt und damit die Anfangssilbe ji- verkürzt worden, um den Monophthong -i- zu erhalten und der sonst im Englischen naheliegenden Aussprache -ei- vorzubeugen. Mit kurzer erster Silbe und Doppelkonsonant wurde das Wort dann aus dem Englischen in der Form „jiddisch“ auch ins Deutsche übernommen, wo es zuerst in Gustav Karpeles' Geschichte der jüdischen Literatur (Berlin 1909, dort neben „jüdisch-deutsch“) und dann in Solomon Birnbaums Aufsatz Jiddische Dichtung (1913) erscheint. Dabei stand der Anglizismus jiddisch in Konkurrenz nicht nur zu den älteren Bezeichnungen, sondern auch zu der zuweilen aus dem Ostjiddischen direkt ins Hochdeutsche übernommenen Bezeichnung jidisch, wie sie z. B. im Untertitel „Übertragungen jiddischer Volksdichtung“ zu der Sammlung Ostjüdische Liebeslieder (Berlin 1920) von Ludwig Strauß erscheint.

 

Es ist maßgeblich der Initiative Birnbaums und dem Einfluss seiner Praktischen Grammatik der Jiddischen Sprache (1918) sowie seiner zahlreichen Fachpublikationen und Lexikonartikel zuzuschreiben, dass sich jiddisch (und auch im Englischen Yiddish) in der Folgezeit als fachsprachlicher Terminus etablierte, als Bezeichnung zunächst vorwiegend für das neuostjiddische, und dann umfassend für sämtliche Sprachperioden (urjiddisch, altjiddisch, mitteljiddisch, neujiddisch) unter Einbeziehung auch des westlichen jüdischen Deutschen, wobei für das letztere strittig geblieben ist, ob es als eigenständige Untergliederung des Jiddischen (Westjiddisch) oder als Variante des Deutschen zu betrachten ist.

 

Jiddische Lehnwörter im Deutschen

 

Im Deutschen gibt es nach Althaus (2003, 2. Auflage 2006, Angabe auf dem Buchumschlag der 1. Auflage) etwa 1100 Jiddismen (aus dem Jiddischen stammende Lehnwörter), wie beispielsweise Schlamassel, Massel, meschugge, Mischpoke, Schickse, Schmonzes, Schmonzette, Tacheles, Stuss, Tinnef, Schtetl, Kassiber, Schmiere, Schmock, Haberer (ostösterr. „Kumpel, Freund“), Ganove, petzen, Reibach, Kaff oder Fremdwörter wie Chuzpe und lejnen (Lesen mit Melodie: Singsang); im aktiven Wortschatz lassen sich heute jedoch nur etwa 50 Wörter belegen. Eine Untersuchung von Wörterbüchern des Duden-Verlags für das breite Publikum und von etymologischen Wörterbüchern erbrachte 124 darin verzeichnete Jiddismen (Best 2006). Viele dieser Wörter sind letztlich hebräischen Ursprungs.

 

Schrift

 

Zur Schreibung des Jiddischen wird hauptsächlich das – dafür angepasste – hebräische Alphabet benutzt (Aljamiado-Schreibweise). Viele Lehnwörter kommen aus dem Hebräischen. Es gibt außerdem auch eine weitere auf dem lateinischen Alphabet basierende, von dem YIVO (Yiddisher Vissenshaftlekher Institut) in New York genehmigte Orthographie. Sie basiert auf der englischen Schreibweise und bedient sich keiner Umlaute und sonstiger Akzentzeichen. Sie wird als Standardschreibweise im Internet genutzt und überall dort, wo es Schwierigkeiten bereiten würde, mit hebräischen Lettern zu schreiben.

 

Angepasste hebräische Schriftzeichen

 

Zeichen

Transkription nach dem YIVO

Name

א

 

shtumer alef

אַ

a

pasekh alef

אָ

o

komets alef

ב

b

beys

בֿ

v

veys

ג

g

giml

ד

d

daled

ה

h

hey

ו

u

vov

וּ

u

melupm vov

ז

z

zayen

ח

kh

khes

ט

t

tes

י

y, i

yud

יִ

i

khirek yud

כּ

k

kof

כ ך

kh

khof, langer khof

ל

l

lamed

מ ם

m

mem, shlos mem

נ ן

n

nun, langer nun

ס

s

samekh

ע

e

ayin

פּ

p

pey

פֿ ף

f

fey, langer fey

צ ץ

ts

tsadek, langer tsadek

ק

k

kuf

ר

r

reysh

ש

sh

shin

שׂ

s

sin

תּ

t

tof

ת

s

sof

 

 

Jiddische Sonderzeichen (Digraphen)

 

Zeichen

Transkription nach dem YIVO

Name

װ

v

tsvey vovn

זש

zh

zayen-shin

טש

tsh

tes-shin

ױ

oy

vov yud

ײ

ey

tsvey yudn

ײַ

ay

pasekh tsvey yudn

 

 

Die jiddische Schreibmaschine - Transkriptionstool: lateinische hebräische Schrift

 

Die Schreibmaschinke (Yiddish Typewriter, hebräisch די ייִדישע שרײַבמאַשינקע = 'di jiddische schrajbmaschinke') ist ein Internet-Angebot, das verschiedene weitverbreitete Kodierungen des Jiddischen ineinander wandelt. Insbesondere ist die Überführung zwischen lateinischer Transliteration und hebräischem Text in beide Richtungen möglich.

 

Phonetik

 

Obwohl Jiddisch eine germanische Sprache ist, die stark mit dem Ostmitteldeutschen und Bairischen verwandt ist, fanden hier einige Lautverschiebung statt: Entrundung der Vordervokale (mhd. jüde > altjidd. yid), die Diphthongierung (ô > ou, im Westjiddischen weiter zu /oi/), die Erhebung des langen Zentralvokales â > ô/û.

 

Umlaute

 

  • ä 'e; mit 'e... Analogon zum hebräischen Schwa
  • ö e
  • ü i

Diphthonge

 

  • eu oj (dargestellt durch alef + jod oder durch vaw + jod)
  • au oj
  • ai aj (dargestellt durch doppeljod mit a-Vokalisation)
  • ei ej (dargestellt durch doppeljod)

zusätzlich existieren die beiden im Slawischen bekannten Laute:

 

  • zh stimmhaftes s + sch (dargestellt durch zajin + schin)
  • tsch (dargestellt als thet + schin)

Grammatik

 

Mit Ausnahme der Substantive ist die jiddische Grammatik der deutschen Grammatik entlehnt. Insbesondere die sehr umfangreiche Flexion der deutschen Sprache mit diversen Modi-Verbi und diversen Tempora-Verbi wurde 1:1 übernommen (nur mit anderen Stammformen). Die Paradigmentafel umfasst somit Hunderte von Stammformen für ein Verbum und ist somit wesentlich umfangreicher als die hebräische Paradigmentafel. Dies darzustellen würde den Umfang der Wikipedia sprengen.

 

Im Folgenden seien nur die Numeralia (aus didaktischen Gründen zuerst), dann die Adjektiva und schließlich die Substantiva dargestellt:

 

Numeralia

 

Hier seien zunächst die Zahlen lateinisch transkribiert dargestellt:

 

  • 1 ejnß
  • 2 zwej
  • 3 draj
  • 4 fir
  • 5 finf
  • 6 sekß
  • 7 sibn
  • 8 acht
  • 9 najn
  • 10 zen
  • 11 elf
  • 12 zwelf

ab 13 drajzn läuft es analog zum Deutschen: -zn

Nur 14 ferzn 15 fufzn; 16 sechzn; 17 sibzn

Ab 20 zwanzik kommt -unzwanzik

Ab 30 drajßik kommt -zik; aber 40 ferzik 50 fufzik; 70 sibezik

100 hundert; 1000 tojsnt; 1000000 milion

928.834 najn hundert acht un zwanzik tojsnt acht hundert fir un drajßik

 

Adjektiva

 

Die Flexion der Adjektiva entspricht ziemlich genau den deutschen Regeln:

 

Es existieren 3 Genera (m, f, n), 4 Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) und die Unterscheidung zwischen dem bestimmten und unbestimmten Artikel. Somit ergeben sich für Singular und Plural jeweils 24 Stammformen.

 

Substantiva

 

Einzig die Grammatik der Substantiva folgt nicht der deutschen Grammatik. Hier ist eine etymologische Grammatik vorhanden:

 

  • slawische Wörter werden slawisch (aber ohne Instrumental) flektiert (keine Akkusativ-Form; kein Neutrum; -eß Plural)
  • Hebräische Wörter werden hebräisch flektiert (keine Akkusativ- und Dativ-Form; kein Neutrum; f: -ot-Plural geschrieben, aber -eß gesprochen; m: -ijm Plural)
  • Deutsche Wörter werden deutschähnlich flektiert (eigene Akkusativ- und Dativ-Form; Neutrum; div. Plural-Formen)

 

Diminutivum I (Verkleinerung)

 

Hier wird im Singular -L hebr. ‏־ל angehängt; der Plural wird durch die Singularform gebildet, der ein -ech hebr. ‏־עך angehängt wird: dt: Bett; jidd. bet betl betlech hebr. בעט בעטל בעטלעך

 

 

Diminutivum II (Imminutiv)

 

Hier wird im Singular -ele hebr. ‏־עלע (also wie im Alemannischen) angehängt; der Plural s.o. mit -ech hebr. ‏־עך dt. Bett; jidd. bet betele betelech hebr. ‏בעט בעטעלע בעטעלעך

 

Adverbia

 

Das Jiddische verfügt ähnlich wie das Deutsche über eine große Zahl an unflektierten Adverbia, die ihre Wurzeln fast ausschließlich in der deutschen Sprache haben.

 

Konjunktionen

 

Es gibt im Jiddischen nur eine sehr überschaubare Anzahl an Konjunktionen, die wie im Deutschen beiordnend oder unterordnend sein können. Hiervon sind einige slawischen oder hebräischen Ursprungs. Die Konjunktionen sind unveränderlich und haben keinen Einfluss auf den Modus des Verbs.

 

nebenordnende Konjunktionen

 

Deutsch

Transkription nach dem YIVO

Hebräische Transkription

und

un

‏אוּן

oder

oder

‏אָדער

aber

ober

‏אָבער

denn

wajl

‏װײַל

 

 

unterordnende Konjunktionen

 

Deutsch

Transkription nach dem YIVO

Hebräische Transkription

obwohl

hagam (hebr.)/chotsch (sl.)

‏הגם / חאָטש

dass

as

‏אַז

ob

ojb

‏אָויב

damit

bekedej (hebr.)

‏בכּדי

sowohl...als auch

hen....hen (hebr.)

‏הן....הן

entweder...oder

oder....oder

‏אָדער...אָדער

 

 

Verbi

 

Auf die genaue Grammatik der Verbi kann hier nicht eingegangen werden. Hier sei auf die Grammatik von Chaim Frank verwiesen.

 

Der formale Aufbau der Verben entspricht weitgehend dem Deutschen, mit folgenden Besonderheiten: es gibt kein Imperfekt (wie in vielen süddeutschen Dialekten) und keinen Konjunktiv, jedoch einen Optativ und zwei Formen des Konditionalis.

 

Jiddische Kultur

 

Weltweit gibt es rund 100 jiddischsprachige Zeitungen, Zeitschriften und Radioprogramme. Zu den Publikationen gehören beispielsweise „Dos Jidisze Wort“ (Polen), „Algemeiner Journal/Allgemeines Journal“ (USA), „Forverts“ (USA), „Der Yid“ (USA), „Lebnsfragn“ (Israel) oder der „Birobidschaner Stern“ (Russland).

 

Jiddische Literatur

 

Fast alle jiddischen Autoren des 20. Jahrhunderts wuchsen im jüdisch geprägten Osteuropa auf, in Polen, Weißrussland, Litauen, Moldawien oder der Ukraine, die damals alle (bis auf Polen) zum Russischen Reich gehörten.

 

Jiddische Musik

 

Jiddische Lieder gibt es auf vielen Tonträgern. Ihre Texte sind in der Regel Lyrik. Inhalte wie Volks-, Hochzeits-, Beerdigungs- und Klagelieder.

 

In den letzten Jahrzehnten erlebte Klezmer-Musik und andere traditionelle jüdische oder jiddische Musik eine Renaissance. Der Klezmer erlangte, beeinflusst von Jazz und anderen Musikrichtungen mit Bands wie The Klezmatics eine moderne Spielart und Bekanntheit. Der spielerische Umgang mit dem umfangreichen Erbe jüdischer (und jiddischer) Musik- und Gesangstradition brachte mitunter auch kuriose Ergebnisse hervor, wie etwa die Veröffentlichungen des kanadischen Produzenten und DJs socalled zeigen, der unter anderem Hip Hop-Versionen traditioneller Lieder mit bekannten jüdischen Musikern der Gegenwart, darunter der Sänger Theodore Bikel, neu eingespielt hat.

 

Lesebeispiel

 

Das Beispiel stammt aus dem ersten Buch des Tanach, der heiligen Schrift der Juden. Dieses erste Buch wird nach seinen Anfangswörtern Bereschit (im Anfang, zu Beginn) genannt; der griechische Begriff, der aus der Septuaginta entlehnt ist, lautet Genesis“, d. h. Schöpfung:

 

moderne jiddische Übersetzung von Yehoyesh in YIVO-Transkription

deutsche Einheitsübersetzung

1 In onheyb hot got bashafn dem himl un di erd.

 

2 Un di erd iz geven vist un leydik, un fintsternish iz geven oyfn gezikht fun thom, un der gayst fun got hot geshwebt oyfn gezikht fun di vasern.

 

3 Hot got gezogt: zol vern likht. Un es iz gevorn likht.

 

4 Un got hot gezen dos likht az es iz gut; un got hot fanandergesheydt tsvishn dem likht un tsvishn der fintsternish.

 

5 Un got hot gerufn dos likht tog, un di fintsternish hot er gerufn nakht. Un es iz geven ovnt, un es iz geven frimorgn, eyn tog.

1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;

 

 

2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.

 

 

3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.

 

4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis

 

 

5 und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.

 

   
   

Wie das Ostjiddische entstand

 

Ein bedeutsamer Einschnitt in der Entwicklung der jiddischen Sprache war die durch die Pogrome der Kreuzzüge ausgelöste Wanderung der Juden in den slawischen Osten. Eine zweite massenhafte Einwanderungswelle von Juden nach Polen und Litauen erfolgte im 14.Jahrhundert, zur Zeit der Pest, für dessen Ausbruch man die Juden verantwortlich gemacht hatte. Viele Aschkenasim (Juden aus dem deutschen Sprachraum) zogen während der Kreuzzüge und Verfolgungen im Mittelalter nach Osteuropa, wo sie mit offenen Armen empfangen wurden. Die früheren Dialekte und Sprichwörter ihrer Heimat wurden indessen weiter gepflegt. Daher finden sich in der jiddischen Sprache Osteuropas Überreste des Schwäbischen, Alemannischen und Fränkischen, ja man kann sagen, dass die jiddische Sprache zu 70 bis 80 Prozent auf dem süddeutschen Dialekt ehemaliger Landjuden beruht.

 

In der klassischen Umgebung des Jiddischen, dem Schtetl Osteuropas, war sie reine Alltagssprache. Das Hebräische blieb auch hier die geschriebene Sprache des Glaubens und Aramäisch die Gelehrtensprache. Im slawischen Osten wirkte der politische Druck, besonders in Russland auf die Sprache konservierend.

 

Seit dem 13.Jahrhundert bringt das Jiddische "die Kraft und Farbe des mittelalterlichen Deutsch mit dem scholastischen Scharfsinn der talmudischen Fachsprache und der Gefühlsweichheit der slawischen Idiome faszinierend zur Synthese", behauptete einmal Salcia Landmann.

 

In Osteuropa verwandelte sich der mitleiderweckende Armeleutejargon aus dem Judenghetto sehr rasch in eine blühende Sprache von ungewöhnlicher Spannweite. Sie behielt die Farbigkeit des mittelalterlichen Deutsch, saugte die Weichheit des Gemütes auf, was besonders der jiddischen Liedfolklore zugute kam, erbte zugleich aus der Talmudschulung der männlichen Jugend eine unerhörte intellektuelle Prägnanz und Schärfe. Auch für komplexe geistige Probleme brauchten Ostjuden nicht auf neuhochdeutsche Begriffe zurückzugreifen. Als der spätere deutsche Politiker Carlo Schmidt als junger Soldat im Ersten Weltkrieg ein ostjüdisches Haus betrat, stellte er ganz begeistert fest:"Das ist ja unser altes Nibelungendeutsch." Das stimmte allerdings nur noch teilweise. Das neuzeitliche Jiddisch, das längst Geist und Seele des Ostjudentums ausstrahlte, wurde seit dem Ende des 17.Jahrhunderts in verschiedenen Dialekten in den polnischen, russischen und litauischen Gemeinden gesprochen.

 

Während die meisten nichtpolnischen Juden in den anderen Ländern deren Sprache annahmen, hielten die polnischen Juden am Gebrauch der deutschen Sprache fest , auch wenn es ihnen zunächst verhältnismäßig gut ging. So bildete sich die eigentliche jiddische Sprache heraus, ohne dass man sagen könnte, ob diese Einzigartigkeit ihrem massiven zahlenmäßigen Anteil, der kulturellen Überlegenheit ihrer Herkunftsländer oder dem gestiegenen Selbstbewusstsein zu verdanken ist. Ganz bestimmt handelte es sich dabei um eine Verknüpfung der drei Faktoren, doch richtete diese Besonderheit noch eine zusätzliche Schranke zwischen den Juden und ihren christlichen Nachbarn auf. Achtzig Prozent aller polnischen Juden gaben Jiddisch als ihre Muttersprache an.

 

Auch später im 19.Jahrhundert interessierten sie sich nicht für die Literatur der Slawen, sondern lasen neuhochdeutsche Klassiker.

 

Im Ersten Weltkrieg wollte das deutsche Militär die Versorgung der russischen Armen mit Hilfe jüdischer Lieferanten und Mittelsmänner sabotieren. Ludendorff veröffentlichte in ähnlicher Absicht seinen berühmten Aufruf auf jiddisch: "Zi meine libe Jidden in Poiln" (An meine lieben Juden in Polen). Festzuhalten aber ist, dass während das Westjiddische unterging, sich das in Russland, Polen, Rumänien und Litauen verbreitete Ostjiddische mit seinen jeweiligen Dialekten erhalten hat und seit dem 19.Jahrhundert der einzige Repräsentant der jiddischen Sprache ist. Es gewann sowohl als Verkehrssprache als auch als Literatursprache an Bedeutung. Wenn wir heute von Jiddisch reden, meinen wir in erster Linie die Sprache des untergegangenen osteuropäischen Judentums. Diese Sprache ist ebenfalls ein seltsames Gemisch aus Mittelhochdeutsch, Hebräisch, Provenzialisch und verschiedenen slawischen Einflüssen, eine Sprache voller Kraft und Vitalität, voller Witz, eine anarchische Sprache, die nicht nur ein Kommunikationsmittel war und ist, sondern auch Ausdruck einer Geisteshaltung und letztes Echo einer aufregenden Kultur, die sich vor allem über ihre Literatur erhalten hat. Die jiddische Sprache setzt sich jedoch nicht nur aus vielen Sprachelementen zusammen. Sie ist auch gestisch eine unerhört reiche und vor allem eigenständige Sprache, eine Nahsprache des Deutschen zwar, aber weder mittelalterliches noch verderbtes Deutsch. Wohl wurden altes Vokabular und alte Formen bewahrt, doch nicht alle mittelhochdeutschen Bestandteile blieben unverändert.

 

Nach dem allmählichen Untergang der jiddischen Sprache in Deutschland, war Jiddisch somit nur noch die Sprache der Ostjuden, wobei sie hier nicht nur der Verständigung diente, sondern auch Ausdruck der Identität jener Menschen war, die sie sprachen. Diese aus dem Mittelhochdeutschen und Hebräischen entstandene Sprache ist, laut Jacob Allerhand, auch heute noch lebendig und nimmt ständig neue Realitäten in ihren reichen Wortschatz auf so wie sie in der Vergangenheit Einflüsse aus vielen anderen Kulturen und Sprachen aufgenommen und in diesen gleichzeitig nachhaltige Spuren hinterlassen hat.

 

In Osteuropa war das Jüdisch-Deutsche, im Gegensatz zum deutschsprachigen Umfeld, von der allgemeinen Sprachentwicklung nie vollständig abgekoppelt gewesen. Während die Westjuden um 1890/1939 ihr Idiom als deutschen Dialekt empfanden, betrachteten die Ostjuden sie in ihrem slawischen Umfeld als eigene Sprache. Während in Westeuropa die Kenntnis des Hebräischen abnahm, entstand im Osten eine Anzahl hebräisch-wissenschaftlicher Publikationen. Der Lemberger Gelehrte und Begründer der Wissenschaft des Judentums in Osteuropa, Salomo Juda Rapoport (1790-1867) verfasste seine wissenschaftlichen Werke grundsätzlich auf Hebräisch.

 

Dagegen stand die Wissenschaft des Judentums in Deutschland von Beginn an unter anderen Vorzeichen als im östlichen Teil Europas. Dort waren die Bemühungen viel stärker auf die innerjüdische Gemeinschaft gerichtet, sei es, um diese zu reformieren und aufzuklären, sei es, um das jüdische Selbstverständnis zu stärken.

 

Da die Wissenschaft des Judentums in Deutschland auf deutsch produzierte, um ihr Publikum zu erreichen, konnte sie natürlich auch keine Renaissance des Hebräischen bewirken. Diese Leistung ist in erster Linie den kontinuierlichen literarischen Aktivitäten des osteuropäischen Judentums und den Idealen und Vorstellungen von Vertretern der nationaljüdischen Bewegung zuzurechnen. So hat das Hebräische im Osten äußerlich und innerlich zugenommen und hat, was es als Gebetssprache eingebüßt hatte, vielfältig als lebendige Sprache wiedergewonnen. In Galizien machte die Bewegung "die erste Station, um dann nach Russland überzugreifen und eine neue Blüte hebräischer Literatur vorzubereiten."Später im 18. und 19. Jahrhundert als die sozialen und wirtschaftlichen Benachteiligungen der Juden im alten Russland zunahmen, besonders im Ansiedlungsrayon, begann um 1880 eine Auswanderungsbewegung, die auch auf das österreichische Galizien und Rumänien übergriff und nach dem politischen Umschwung 1918 weiter anhielt. Dieses Ostjiddische wurde mit der am Ende des 19.Jahrhunderts einsetzenden Migrationsbewegung von Juden in ferne Länder - nach Amerika, Kanada, Südamerika (Buenos Aires), Südafrika, Palästina, Australien - sozusagen im Gepäck mitgenommen. Dort blieb es teilweise erhalten, teilweise passte es sich den Landessprachen an. Vor allem durch den Generationswechsel, reduzierte es sich zu einer an Tradition gebundenen Insidersprache. Der Schwerpunkt der jiddischen Literatur verlagerte sich gegen Ende des 19.Jahrhunderts vor allem nach den USA, nach New York, wo ebenfalls eine Art Kolonialjiddisch entstand.

 

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