Jüdischer Kalender

 

Der jüdische Kalender (hebr. הלוח העברי ha-lu'ach ha-iwri) ist ein Lunisolarkalender. Die Monate sind wie bei einfachen Mondkalendern an den Mondphasen ausgerichtet, es existiert jedoch gleichzeitig eine Schaltregel zur Angleichung an das Sonnenjahr.

 

Beginn des Jahres ist im Herbst, in biblischer Zeit begann das Jahr im Frühjahr. Das regelmäßige Jahr hat 354 Tage, 12 Monate, im Schaltjahr 13 Monate, mit je 29-30 Tagen, 50½ Wochen zu 7 Tagen. Die Monatsnamen Nissan, Ijar usw. sind chaldäisch und stammen aus dem babylonischen Exil. Der Monat Nissan ist der erste im hebräischen Kalender; er gilt als der Neumond der Monate, weil er der Monat der Erlösung ist, in dem die jüdischen Vorfahren aus Ägypten auszogen. Wenn auch die Menschheit nach jüdischer Auffassung im Monat Tischri erschaffen wurde, überwiegt doch die Bedeutung der Erlösung die der Schöpfung, und aus diesem Grund wird der Nissan als erster Monat des Jahres betrachtet, von dem ausgehend nach der Tora die übrigen Monate gezählt werden, d. h. der Nissan ist der erste Monat des religiösen jüdischen Kalenders und zugleich der siebte Monat des bürgerlichen jüdischen Kalenders (der mit dem Monat Tischri beginnt, der zugleich der siebte Monat nach dem religiösen jüdischen Kalender ist).

Entstehung und Hintergründe

 

Der jüdische Kalender wurde in seiner Entwicklung sowohl von eigenen, israelitischen Traditionen geprägt, als auch von Elementen fremder Kulturen, besonders während des babylonischen Exils. Die Systematik des heutigen jüdischen Kalenders beruht im Wesentlichen auf Festlegungen des Patriarchen Hillel II. aus dem Jahr 359, hat sich aber - insbesondere für die Zählung der Jahre - erst ab dem 11. Jahrhundert durchgesetzt.

 

Jeder hebräische Monat beginnt heute ungefähr bei Neumond. Im Altertum wurde der Monatsbeginn nach dem sichtbaren Beweis der "Geburt des Mondes" durch Zeugen bestimmt. Der Patriarch Hillel II. legte den bis heute gültigen Kalender fest, damit nicht die Römer durch Verfolgung und Behinderung der Gerichte das jüdische Leben gefährdeten.

 

Anhand dieses Kalenders weiß jeder im Voraus, welcher Monat 29 und welcher 30 Tage hat. Der jüdische Kalender rechnet den Tag vom Abend zum Abend ("und es war Abend und es war Morgen, ein Tag", Gen. 1,5). Der Tag endet, wenn mindestens drei Sterne sichtbar werden.

 

"Der zweite Feiertag": Trafen die Boten des Gerichts in Jerusalem nicht rechtzeitig bei den in der Diaspora lebenden Juden ein, um ihnen das genaue Datum des Monatsbeginns mitzuteilen, feierten diese zur Sicherheit jedes in der Tora erwähnte Fest zwei Tage lang anstelle von nur einem, denn sie wussten ja nicht, ob der vorherige Monat 29 oder 30 Tage gehabt hatte. Um einem Irrtum vorzubeugen und um das Fest nicht zu entweihen, führten sie diesen Feiertag ein. Dieses ist der "zweite Feiertag in der Diaspora" geworden, ein Brauch, der sich bis heute erhalten hat.

 

Nur der Versöhnungstag wird an einem einzigen Tag begangen, da man berücksichtigte, dass es dem Menschen schwerfällt, hintereinander 48 Stunden zu fasten. Auch im Land Israel dauert das Neujahrsfest zwei Tage, weil man selbst dort nicht immer wusste, ob der Monat Tischri nach 29 oder 30 Tagen beginnen würde. Zur Sicherheit hörte das Volk am Ende des 29. Elul zu arbeiten auf und "tat heilig" wie an einem gewöhnlichen Feiertag. Um irgendwelche Irrtümer von vorneherein auszuschließen, ordneten die jüdischen Gelehrten schließlich die zweitägige Dauer des Festes an. Trotz des später exakten Kalenders feiert man in der Diaspora immer noch den "zweiten Feiertag", mit der Begründung, es sei "Brauch der Vorfahren".

 

Aufbau des Kalenders

 

Der jüdische Kalender gliedert sich in Jahre, Monate und Tage. Da es ein Lunisolarkalender ist, sich also sowohl am Mondjahr wie auch am Sonnenjahr orientiert, benötigt der jüdische Kalender eine Schaltregulierung zum Ausgleich sowohl für das Mond- als auch das Sonnenjahr. Grundlage für die Schaltregel ist die Unterteilung des Tages in Stunden und Augenblicke.

 

Um einen Ausgleich zu dem um 11 Tage längeren Sonnenjahr zu schaffen (im Unterschied zum Islam, dessen Feste aufgrund des reinen Mondkalenders manchmal in den Sommer und manchmal in den Winter fallen), wird in einem Zyklus von 19 Jahren sieben mal ein Schaltmonat (Adar II.) hinzugefügt: In jedem 3., 6., 8., 11., 14., 17. und 19. Jahr.

 

Die jüdischen Feste sind eng mit der Jahreszeit verbunden, sie hängen mit ihren Symbolen zusammen und haben Naturereignisse oder landwirtschaftliche Bräuche zum Inhalt, die jedem Fest seinen besonderen Charakter verleihen.

 

Das Jahr

 

Der jüdische Kalender zählt die Jahre ab dem Zeitpunkt der biblischen Schöpfung der Welt, die Hillel II. nach den biblischen Chroniken auf das Jahr 3761 v.Chr. errechnete. Dadurch befindet sich der jüdische Kalender bereits im sechsten Jahrtausend. Gelegentlich werden jüdische Jahreszahlen aber nur dreistellig angegeben, hier wird das jüdische Jahrtausend als bekannt vorausgesetzt.

 

Das jüdische neue Jahr (mit der jeweils nächsthöheren Jahreszahl) beginnt im Herbst mit dem ersten Tag des siebten Monats Tischri (genannt Rosch ha-Schana), während der Frühlingsmonat Nisan nach biblischer Tradition mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten als erster Monat nummeriert wird (Ex 12,2). Nach Meinung von Historikern verdankt sich diese ungewöhnliche Anordnung der Übernahme der babylonischen Monatsnamen durch die Israeliten. Im babylonischen Kalender war der Tischri der erste Monat. Die Diskrepanz zwischen der Monatszählung und dem Jahresbeginn folgt aus der Verbindung zwischen diesen fremden und eigenen Traditionen Israels.

 

Mondjahr

 

Die Länge eines Mondzyklus – die durchschnittliche Zeit von einem Neumond zum nächsten – dauert genau 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten (nach der jüdischen Zeitzählung - siehe unter Abschnitt Der Tag – 29 Tage, 12 Scha'a und 793 Halakim). Mit dieser Monatsdauer zwischen 29 und 30 Tagen hat ein Mondjahr 354 Tage, wenn die Monate abwechselnd 30 und 29 Tage dauern. Ein solches Jahr wird „reguläres Jahr“ genannt. Es ist jedoch gegenüber dem Lunarjahr um acht Stunden, 48 Minuten und 40 Sekunden (acht Sha'a 876 Halakim) zu kurz. Daher wird alle drei Jahre dem Monat Cheschwan ein Tag hinzugefügt, das betreffende Jahr hat dann 355 Tage und wird „übermäßig“ genannt. Ferner wird in anderen Jahren dem Monat Kislew ein Tag abgezogen, so dass er nur 29 Tage zählt. Ein solches Jahr wird „vermindert“ genannt. Durch diese Maßnahmen, die durch Listen von Sonnen- und Mondfinsternissen ermittelt wurden, ergeben sich im Durchschnitt lediglich Abweichungen von 0,42 Sekunden gegenüber der tatsächlichen Monatsdauer.

 

Sonnenjahr

 

Da das Sonnenjahr mit einer Dauer von zur Zeit durchschnittlich 365,2422 Tagen nicht mit dem Mondjahr übereinstimmt, das durchschnittlich 354,3671 Tage dauert, muss der Ausgleich durch eine Schaltregelung geschaffen werden. 19 Sonnenjahre als dem sogenannten Metonischen Zyklus entsprechen nun fast genau 235 Mondmonaten. Daher werden im jüdischen Kalender innerhalb des Zyklus von 19 Jahren die Jahre 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 zu Schaltjahren, denen jeweils ein zusätzlicher Monat von 30 Tagen angehängt wird. Dieser Monat wird dem Monat Adar vorgeschaltet. Der eigentliche Adar wird dann „We-Adar“ („Und-Adar“), „Adar-scheni“ („zweiter Adar“) oder einfach „Adar II“ genannt. So entstehen zwölf Gemeinjahre mit je zwölf Monaten (144 Monate) und sieben Schaltjahre mit je 13 Monaten (91 Monate), die alle nach der Schaltregel des Mondjahres wiederum „regulär“, „übermäßig“ oder „vermindert“ sein können. Dadurch wird der Kalender so angepasst, dass er sich zum Lauf der Sonne und den Jahreszeiten nur geringfügig ändert. Das Kalenderjahr ist im Durchschnitt 365,2468 Tage lang. Die Abweichung vom Sonnenjahr mit 365,2422 Tagen ist ein Tag in 219 Jahren.

 

Die Karaiten lehnen die regelbasierte Einfügung des Schaltmonats ab und entscheiden nach der Reife der Gerste in Israel, in wörtlicher Auslegung der Tora.

 

Der Monat

 

Ein neuer Monat beginnt, wie in den meisten mondorientierten Kalendern, mit dem Neulicht (Moled). Allerdings orientieren sich die Monate nicht immer ganz exakt an den Mondphasen: Wenn sich durch den Zeitpunkt von Rosh HaShana eine Aneinanderreihung von mehreren Tagen mit Arbeitsverbot (siehe Sabbat) ergeben würde, wird der Jahresbeginn um einen oder zwei Tage hinausgeschoben, um diese Härte zu vermeiden (denn Gott will nach jüdischem Verständnis das Leben der Menschen durch seine Gebote nicht schlechter, sondern besser machen). Es gibt insgesamt fünf Regeln für die Verschiebung des Jahresbeginns (auf die teilweise sehr komplizierte Herleitung einer Begründung soll hier verzichtet werden):

 

  • Jach: Tritt das Neulicht des Tischri erst nach 18 Uhr jüdischer Zeit ein, so ist Rosch ha-Shana auf den folgenden Tag zu verschieben. Dies ist in etwa zwei von fünf Jahren der Fall.
  • Adu: Fällt das Neulicht des Tischri auf einen Mittwoch, Freitag oder Sonntag, so ist Rosch ha-Schanah ebenfalls auf den folgenden Tag zu verlegen. Diese Regel findet in etwa drei von sieben Jahren Anwendung.
  • Jach-Adu: Würde nach Anwendung der Jach-Regel Rosch ha-Schanah auf einen Mittwoch, Freitag oder Sonntag fallen, so muss zusätzlich die Regel Adu zur Anwendung kommen, das Neujahr also um einen weiteren Tag verschoben werden.
  • Gatrat: Tritt das Neulicht des Tischri in einem Gemeinjahr an einem Dienstag nicht vor 9 Uhr und 204 Halakim jüdischer Zeit (siehe Stundeneinteilung) ein, so muss Rosch ha-Schanah um zwei Tage verschoben werden. Diese Regel findet in etwa drei von 100 Jahren Anwendung.
  • Betutakpat: Fällt das Neulicht des Tischri in einem Jahr, das auf ein Schaltjahr folgt, auf einen Montag nicht vor 15 Uhr und 589 Halakim jüdischer Zeit, so wird Rosch ha-Schanah auf den folgenden Tag verschoben. Dieser sehr seltene Fall tritt nur in etwa einem von 200 Jahren ein. Zuletzt wurde die Regel im Jahr 5766 (gregorianisch: 2005/2006) angewandt, das nächste Mal erst wieder im Jahr 6013 (gregorianisch: 2252/2253).

Die Regeln Jach und Adu haben religiöse Gründe, die drei anderen sind zur Aufrechterhaltung der Regeln erforderlich. Nur etwa 39% aller Jahre beginnen tatsächlich am Tage des Neulichtes, somit sind Ausnahmen beim Jahresbeginn häufiger als die Regel.

 

Unter Berücksichtigung der fünf Ausnahmeregelungen ergeben sich also sechs verschiedene Jahreslängen: Ein Gemeinjahr kann 353, 354 oder 355 Tage haben, ein Schaltjahr 383, 384 oder 385 Tage. Man unterscheidet deshalb nicht nur Gemein- und Schaltjahre, sondern auch verminderte (353/383 Tage), reguläre (354/384 Tage) und übermäßige (355/385 Tage) Jahre nach den Regeln für das Mond- und Sonnenjahr (s.o.).

 

Die folgende Übersicht bietet die Monatsnamen mit ihrer ungefähren Position im gregorianischen Kalender. Die Zuordnung zu den Tierkreiszeichen beruht auf jüdischer Tradition und ist idealtypisch. Sie berücksichtigt nicht die Ausnahmeregeln und stimmt daher nicht mit astronomisch exakten Berechnungen überein.

 

 

Nr.

Monat

Länge in Tagen

Beginn zwischen

und

Tierkreiszeichen

7

Tischri

30

dem ersten Septemberdrittel

Anfang Oktober

Waage

8

Cheschwan, Marcheschwan

29 (30 in übermäßigen Jahren)

Anfang Oktober

Anfang November

Skorpion

9

Kislew

30 (29 in verminderten Jahren)

Anfang November

Anfang Dezember

Schütze

10

Tevet

29

Ende November

Mitte Dezember

Steinbock

11

Schevat (oder Schwat)

30

letztem Dezemberdrittel

Mitte Januar

Wassermann

12

Adar

29

Anfang Februar

Anfang März

Fische

1

Nisan

30

Mitte März

Mitte April

Widder

2

Ijjar

29

Mitte April

Mitte Mai

Stier

3

Siwan

30

Mitte Mai

dem ersten Junidrittel

Zwillinge

4

Tammus

29

erstem Junidrittel

Anfang Juli

Krebs

5

Aw

30

Mitte Juli

Mitte August

Löwe

6

Elul

29

Mitte August

Mitte September

Jungfrau

 

 

Der Tag

 

Der Tag im jüdischen Kalender beginnt mit dem Sonnenuntergang, an dem mit der Stundenzählung begonnen wird. Unterteilt wird der Tag in 24 Stunden (Sha'a, pl. Sha'ot). Die Unterteilung der Stunde erfolgt jedoch nicht in 60 Minuten, sondern in 1080 Teile (Halakim). Ein Teil (Helek, mit der Einheit 1 P) dauert somit 3 1/3 Sekunden und entspricht der kürzesten babylonischen Zeiteinheit Digiti.

 

Die internationale Zeitangabe 10:30 Uhr (vormittags) entspricht 16 H 540 P nach dem jüdischen Kalender. Diese Zeitangaben finden sich auch im öffentlichen Leben Israels. Aus der Perspektive heutiger säkularer Tageseinteilung mit Tagesbeginn um 0:00 Uhr ist daher bei der Angabe jüdischer Tage zu beachten, dass jeder Tag auch einen „Vorabend“ hat. Dieser Abend ist der eigentliche Tagesbeginn. Das zeigt sich z. B. am Sederabend als dem Beginn des Passahfestes, der bereits zum Fest selbst gehört. Dagegen ist der Rüsttag eines jüdischen Festes (hebr. עֶרֶב, „Erev“) der Vortag des Festes, der am Abend des ersten Festtages – genauer: unmittelbar vor Beginn des „Vorabends“ – endet.

 

Die Namen der jüdischen Wochentage sind:

 

  • Jom Rischon (יום ראשון, wörtlich „Erster Tag“)
  • Jom Scheni (יום שני, wörtlich „Zweiter Tag“)
  • Jom Schlischi (יום שלישי, wörtlich „Dritter Tag“)
  • Jom Revi’i (יום רביעי, wörtlich „Vierter Tag“)
  • Jom Chamischi (יום חמישי, wörtlich „Fünfter Tag“)
  • Jom Schischi (יום שישי, wörtlich „Sechster Tag“)
  • Schabbat (שבת, wörtlich „Ruhe“)

 

Verwendung

 

Der Jüdische Kalender findet in Israel ganz normale Anwendung. Nicht nur die religiösen jüdischen Festtage, sondern auch die säkularen orientieren sich am jüdischen und nicht am gregorianischen Kalender. Da auf internationaler Ebene sowie im Tourismus der gregorianische Kalender bestimmend ist, nutzen die Israelis beide Kalender parallel im Alltag.

 

Die Fest-, Feier- und Gedenktage mit festem Termin im jüdischen Kalender sind:

 

  • Rosch ha-Schana am 1. Tischri
  • Jom Kippur am 10. Tischri
  • Sukkot vom 15. bis 21. (22.) Tischri
  • Simchat Thora am 22. bzw. 23. Tischri
  • Chanukka vom 25. Kislew bis 2. Tevet
  • Tu biSchevat am 15. Schevat
  • Purim am 14. (und 15.) Adar
  • Pessach vom 15. bis 22. Nisan
  • Jom haScho'a am 28. Nisan
  • Jom haZikaron am 4. Ijjar
  • Jom haAtzma'ut am 5. Ijjar
  • Jom Jeruschalajim am 28. Ijjar
  • Schawuot am 6. Siwan

Am 15. Nisan wird das Pessachfest gefeiert, spätestens seit dem 10. Jahrhundert unabhängig vom tatsächlichen Vollmond. Dieser Tag stellt einen der wichtigsten jüdischen Feiertage dar. Auch der Todestag Jesu von Nazareth steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Pessachfest, wobei unklar ist, ob es sich dabei um den 14. Nisan (den sogenannten Rüsttag) oder den 15. Nisan (das Pessachfest selbst) handelte. Das christliche Osterfest findet daher in der Regel ebenfalls in diesem Monat statt, wenn es nicht wegen des jüdischen Schaltjahres in einen Adar II fällt.

 

Am 10. Tischri ist Jom Kippur, einer der höchsten jüdischen Feiertage.

 

In Schaltjahren findet das Purimfest im Adar II statt.

 

siehe auch jüdische Feiertage

 

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