Mizrachim

 

 

Mizrachim /mizra'xim/ (hebr.: מזרחי Mizrachi „östlich“, plur. מזרחים Mizrachim) auch Edot haMizrach (Gemeinden des Ostens) ist der in Israel gebräuchliche Name für aus Asien und besonders aus dem Nahen Osten stammende jüdische Bevölkerungsgruppen. Zu den Mizrachim zählen die Juden der arabischen Welt und anderer muslimischer Länder wie die persischen, bucharischen, kurdischen Juden sowie die sogenannten Bergjuden, die indischen Juden und diejenigen aus dem Kaukasus und Georgien.

 

Bezeichnung und Geschichte

 

Die Bezeichnung „Mizrachim“ entspringt dem israelischen Gebrauch der Gegenwart; vor Errichtung des Staates Israel wurde sie in diesem Sinne, also für die orientalischen Juden, nicht verwendet. Vorher war sie eine Selbstbezeichnung der Mizrachi-Aktivisten.

 

Viele Mizrachim identifizieren sich eigentlich mit ihrem Geburtsland bzw. dem ihrer Vorfahren, so die „irakischen Juden“, „tunesischen Juden“, „persischen Juden“, etc. In der Vergangenheit nannte man die Mizrachim auch orientalische Juden (in wörtlicher Übersetzung von „Mizrachi“), obwohl der Begriff orientalisch kaum mehr gebraucht wird; heute hat er häufiger die Bedeutung von östlich.

 

Die Mizrachim werden häufig auch mit den Sfaradim (Sepharden, was auf Hebräisch Spanier bedeutet) zusammengefasst, den Juden, die sich nach ihrer Vertreibung aus Spanien im Jahre 1492 in Nordafrika (Maghreb) und im Nahen Osten niederließen. Die Sfaradim wollen jedoch nicht zu den Mizrachim gezählt werden.

 

Vor dem Aufkommen dieser Bezeichnung wurde „Mizrachi“ gelegentlich als Fremdbezeichnung für arabischstämmige Juden verwendet. Wenige akzeptierten die Bezeichnung als arabische Juden oder Araber, da sie die erduldete Feindseligkeit der arabischen Staaten und ihre Lebensbedingungen in Erinnerung rief. Diese Bezeichnung wird hauptsächlich in der arabischen Welt verwendet. Wie bei den arabischen Christen geht die Entstehung der meisten dieser Gemeinden auf die arabisch-muslimische Eroberung zurück, während der einige angestammte christliche und jüdische Gemeinden in Nordafrika und dem Nahen Osten ihren angestammten Glauben beibehielten.

 

Sprache

 

Die Mizrachi-Gemeinden sprachen zahlreiche judäo-arabische Dialekte, wie das heute hauptsächlich als Zweitsprache dienende Moghrabi. Andere mit Mizrachim verwandte Dialekte sind Dzhidi, Judäo-Georgisch, Judäo-Tadschikisch (Buchori), Kurdisch, Judäo-Berberisch, Juhuri und Judäo-Aramäisch.

 

Die meisten der zahlreichen bedeutenden philosophischen, religiösen und literarischen Werke der Mizrachim wurden auf Arabisch mit geändertem hebräischem Alphabet verfasst.

 

Vertreibung nach 1948

 

Die meisten Mizrachim flüchteten aus ihren muslimisch dominierten Geburtsländern infolge des Palästinakriegs und der Proklamation des Staates Israel. Israelische Emissäre hatten zudem im Vorfeld durch zionistische Propaganda, hebräische Sprachkurse etc. bei den Mizrachim die Bereitschaft befördert, die Heimat zu verlassen. Die arabischen Muslime verschärften ihrerseits die Situation, indem sie in vermeintlicher Solidarität mit den aus ihrer Heimat vertriebenen Palästinensern ihre jüdischen Nachbarn gewaltsam attackierten. Weitere antijüdische Aktionen arabischer Regierungen in den 1950er und 1960er Jahren, einschließlich der Vertreibung von 25.000 Mizrachi-Juden aus Ägypten im Zuge der Suez-Krise 1956 machten zahlreiche Mizrachim zu Flüchtlingen, von denen die meisten nach Israel gingen. Zahlreiche marokkanische und algerische Juden flüchteten nach Frankreich, und Tausende ehemaliger Juden aus Syrien und Ägypten leben heute in den Vereinigten Staaten.

 

Heute leben noch über 40.000 Mizrachim in Gemeinden der nichtarabischen muslimischen Welt verstreut, hauptsächlich im Iran, aber auch in Usbekistan, Aserbaidschan und der Türkei. Von den in der arabischen Welt Verbliebenen leben über 5.000 in Marokko und weniger als 2.000 in Tunesien, in anderen Ländern jeweils weniger als 100. Gegenwärtig ist eine sehr geringe Auswanderungsrate hauptsächlich nach Israel und in die USA zu verzeichnen. Die Angaben über die Situation der iranischen Mizrachim sind widersprüchlich, da sie in einem Land leben, dessen islamisch ausgerichtete Regierung zwar Christen wie auch Juden als Angehörige einer „Buchreligion“ toleriert, diese jedoch zugleich auch aus politischen Gründen als ideologische Gegner einschätzt. Während einheimische Juden ein weitgehend friedliches Miteinander der Religionen behaupten, dokumentieren israelische Quellen antisemitische Übergriffe.

 

In den arabischen Ländern, 1948-2008

 

Im Jahr 1948 existierten jüdische Gemeinden noch in der gesamten arabischen Welt. Die gesamte jüdische Bevölkerung umfasste etwa 758.000 bis 881.000 Personen (siehe Tabelle). Heute sind es weniger als 8.600. In einigen arabischen Staaten, wie etwa Libyen, gibt es praktisch keine Juden mehr, in anderen Ländern verbleiben noch einige Hundert.

 

Jüdische Bevölkerung der arabischen Länder: 1948, 1972, 2000 und 2008

Land oder Gebiet

Jüdische Bevölkerung 1948

Jüdische Bevölkerung 1972

Jüdische Bevölkerung 2000

Jüdische Bevölkerung 2008

Aden

8.000

 

~0

~0

Algerien

140.000

1.000

~0

~0

Bahrain

zwischen 550 und 600

 

36

etwa 50

Ägypten

zwischen 75.000 und 80,000

500

~100

100 im Jahr 2006

Irak

zwischen 135.000 und 140.000

500

~200

weniger als 100
7 bis 12 in Bagdad

Libanon

zwischen 5.000 und 20.000

2.000

< 150

zwischen 20 und 40, nur in Beirut

Libyen

zwischen 35.000 und 38.000

50

0

0

Marokko

zwischen 250.000und 265.000

31.000

5.230

3.000 im Jahr 2006

Palästina

10.000

0 (West Bank neu besiedelt)

0 (West Bank neu besiedelt)

0 (West Bank neu besiedelt)

Sudan

350

 

~0

~0

Syrien

zwischen 15.000–30,000

4.000

~100

100 im Jahr 2006

Tunesien

zwischen 50.000 und 105.000

8.000

~1.000

geschätzte 1.100 im Jahr 2006

Jemen

zwischen 45.000 und 55.000

500

zwischen 400 und 600

zwischen 330 und 350

Insgesamt

zwischen 758.350 und 881.350

 

weniger als 7.300

weniger als 6.400

 

 

 

Mizrachim im heutigen Israel

 

Seit ihrer Ankunft in Israel war die kulturelle Kluft zwischen Mizrachim und aschkenasischen Juden hinsichtlich Brauchtum, Gewohnheiten, Sprache etc. unübersehbar und teilweise unüberbrückbar. Die aus Nordafrika kommenden Juden sprachen arabische Dialekte, die Muttersprache der iranischstämmigen war Persisch, die indischen Bagdadjuden sprachen Englisch, die Gruzinim Georgisch, weitere Sprachen waren Tadschikisch, Juhuri sowie zahlreiche weitere Sprachen je nach Herkunftsland. Teilweise sprechen israelischen Mizrachim heute noch hauptsächlich diese Sprachen. Vor der Auswanderung sahen zahlreiche Mizrachim Hebräisch nur als Gebetssprache.

 

Die Mizrachim wurden anfangs in armselige, eilig errichtete Zeltstädte einquartiert und später zum Städtebau abkommandiert. Die Ansiedlung in Moschawim (Landwirtschaftskooperativen) scheiterte im Wesentlichen, da zahlreiche Mizrachim Handwerker und Kaufleute ohne landwirtschaftliche Erfahrung waren.

 

Die Mizrachim unterschieden sich in hohem Grad von den Aschkenasim, was die Assimilation in die israelische Gesellschaft zu einem schwierigen und jahrzehntelangen Prozess machte. Soziologen haben zahlreiche Faktoren ausgemacht, die die Integration beeinträchtigten, darunter der Ausbildungsgrad vor der Ankunft im Land und das Vorhandensein bzw. Fehlen von einer beruflichen Klasse innerhalb der Gemeinschaft, aber auch Rassismus von Seiten des aschkenasischen Establishments. Jedoch haben die verbreiteten Mischehen von Aschkenasim und Mizrachim in Israel sowie der allgemeine Gebrauch des Hebräischen so nachhaltig unter der jungen Generation gewirkt, dass Neuankömmlinge wie etwa russische und äthiopische Juden die Mizrachim inzwischen für einen Teil des israelischen Establishments halten.

 

Wohl lag 2004 das Durchschnittseinkommen der Aschkenasim um 36 Prozent höher als das der Mizrachim, aber dieser Unterschied wird mit der Vermischung der Gruppierungen geringer.

 

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