Mose (hebräisch: מֹשֶׁה, Mosche; griechisch: Μωυσῆς und Μωσῆς, Mō(y)sēs; arabisch: مُوسَى Mūsā) oder Moses (vgl. Schreibweise
biblischer Namen (christliche Tradition)), ist die Zentralfigur des Pentateuch. Nach der biblischen Überlieferung führte Moses als Gesandter Gottes das Volk der Israeliten auf einer vierzig Jahre
währenden Wanderung aus der Sklaverei in Ägypten in das kanaanäische Land.
Bis in die Zeit der Aufklärung galt Mose unumstritten als historische
Person und Verfasser der Bücher des Pentateuch (1. bis 5. Buch Mose). Später wurde er daneben auch als mythische Figur und als kulturgeschichtliches Konstrukt gedeutet.
Die Erzählungen um Mose sind im Alten Testament eng mit den
Traditionen des Auszuges aus Ägypten, der Gesetzgebung während der Wüstenwanderung und dem Aufenthalt der Israeliten in Kadesch-Barnea verbunden. Sie sind über weite Teile der Bücher 2. bis 5.
Buch Mose verstreut und gehören nach der traditionellen Urkundenhypothese verschiedenen Überlieferungsschichten an, die vorwiegend zwischen dem 10. und dem 6. Jahrhundert v. Chr. datiert
werden.
Die Erzählung der Geburt Mose befindet sich in dem Passus Ex 2,1-10
EU, der keine Personennamen enthält und Mose Eltern dem Stamm Levi als zugehörig bezeichnet. Der Stammbaum Mose wird in Ex 6,14-27 EU angegeben. Dieser Passus wird der priesterschriftlichen
Redaktion zugerechnet und nennt Amram als Vater, dessen Tante Jochebed als Mutter und Aaron als Bruder Mose (6,20; vgl. 4,17 EU), die Schwester der beiden hieß Mirjam. Der Erzählung in
Ex 2,1-10 zufolge sei Mose nach seiner Geburt am Ufer des Nils ausgesetzt worden: Die Tochter des Pharao habe ihn gefunden und eine hebräische Frau – die leibliche Mutter des Kindes – als
Amme bestellen lassen. Nach der Stillzeit habe die Tochter des Pharao das Kind als Sohn genommen und ihm den Namen Mose gegeben.
In dem biblischen Bericht von der Geburt Mose ist das gleiche Motiv
der Aussetzung und Errettung des „Heldenkindes“, „Königskindes“ oder jedenfalls „Schicksalkindes“ erkannt worden, das auch in allen Mythologien des Altertums mit je anderen Merkmalen vorkommt und
dessen bekannteste Beispiele die Kindheitsgeschichten von Romulus und Remus, Ödipus, Sargon von Akkad und Kyros II. sind. Die Aussetzung des Kindes, die in diesen Mythen oft mit einem kultischen
Vergehen oder mit einem Unheilsorakel in Verbindung steht, ist im Fall von Mose in den Rahmen der vom Pharao angeordneten Tötung der männlichen Kinder der Israeliten (Ex 1,15f EU) eingefügt und
stellt einen Versuch dar, das Kind zu retten – wie es auch in anderen Legenden des antiken Nahen Osten der Fall ist. Von einem Unheilsorakel in Verbindung mit der Geburt des Mose berichten jedoch
das Targum Pseudo Jonathan und – davon wahrscheinlich abhängig – Flavius Josephus (Ant II, 205).
Von mehreren Exegeten ist die Auffassung vertreten worden, dass die
aus neuassyrischen Texten (um das 8. Jahrhundert vor Chr.) bekannte Legende von Sargon von Akkad die Vorlage oder die „nächste Parallele“ von Ex 1-10 sei. Die Ähnlichkeiten sind vor allem darin
gesehen worden, dass in beiden Fällen das Kind in einem wasserdichten Rohrkästchen in dem Fluss gefunden wird und dass der Retter es adoptiert (Zeilen 5-9):
„Meine Mutter, eine Hohepriesterin, wurde mit mir schwanger. Insgeheim
gebar sie mich. Sie legte mich in ein Schilfkästchen. Mit Bitumen dichtete sie meine Behausung ab. Sie setzte mich am Fluss aus, der (mich) nicht überspülte. Akki, der Wasserschöpfer, zog mich
heraus, als er seinen Wassereimer eintauchte. Akki, der Wasserschöpfer, zog mich als sein Adoptivkind groß.“
Andere Autoren haben Analogien mit einer aus späten Texten der
griechisch-römischen Zeit bekannten Version der Horuslegende gesehen, nach der Horus durch seine Mutter Isis in dem Moor vor Seth versteckt wird, oder für eine frühe Entstehung des Kerns der
Erzählung in ägyptischem Kontext plädiert, die ihren Niederschlag in der Verwendung von ägyptischen Wörtern in der Perikope der Geburt Mose – insbesondere in Ex 2,3 EU – und nicht in der
Entlehnung von Motiven der ägyptischen Mythologie habe.
Der Name Mose wird in der Geburtserzählung nach der hebräischen Wurzel
mšh, „ziehen“, erklärt (...Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen – Ex 2,10 EU). Deutungen des Namens Mose, die ihn aus der ägyptischen Sprache erklären, waren aber bereits durch
Autoren der Antike versucht worden. So erklärte Flavius Josephus (Ant. 2,228) die griechische Fassung des Namens Mō(y)sēs als Zusammensetzung der Wörter mō und ysēs
(vermutlich: mw, „Wasser“ und wdʒ, „heil sein“) und deutete ihn mit „aus dem Wasser gerettet“. In der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts schlugen W. Gesenius und R. Lepsius eine Etymologie vor, die den Namen aus dem koptischen mos bzw. dem ägyptischen mw („Kind“, „Sohn“) erklärte. Nach einer
heute verbreiteten Auffassung stammt er aber aus der ägyptischen Wurzel mśj, „gebären“, und ist mit anderen Namen verwandt, die dieses Element oft in Verbindung mit einem Gottesnamen
tragen. Namen wie Ra-mś-św (Ramses), Dḥwtj- mś-św (Thutmoses), „Ra“ bzw. „Thot hat ihn geboren“; Ra-mś (Ramose), „Ra ist
geboren“ sind in ägyptischen Inschriften vielfach belegt und wurden oft ohne den Gottesnamen geschrieben (Mś-św / Mś). Eines der Probleme, die sich aus dieser Erklärung ergeben, ist
die masoretische Schreibung des Namens Mose mit dem Zischlaut š (שׁ) statt s (ס). Letzterer wird sonst für die Umschreibung des
ägyptischen Lautes ś in der Hebräischen Bibel regelmäßig verwendet. Einige Autoren haben anhand dieser Schreibung, die unter anderem analog zu der keilschriftlichen Umschreibung von
„Ramses“ ist, einen frühen „Eingang“ des Namens Mose in die hebräische Tradition vermutet. Nach anderen könnte aber die spätere Deutung nach dem hebräischen mšh („ziehen“) in Ex 2,10 für
diese Schreibung Rechnung tragen.
In Ex 2,11-22 EU wird von der Flucht Mose nach Midian erzählt, die
Mose ergriffen habe, nachdem er einen ägyptischen Aufseher getötet habe, weil dieser einen „Hebräer“ (er)schlug. Dort habe ihm „der Priester von Midian“, dessen Name Reguel nach 2,18 EU und Jitro
nach 18,2 EU lautete, seine Tochter Zippora zur Frau gegeben. Angeleitet von der Episode des brennenden Dornenbusches im Berg Horeb, dem „Berg Gottes“, wird in Ex 3,1 EU-4,17 EU von der
Offenbarung JHWHs an Mose und von dem ihm auferlegten Auftrag, nach Ägypten zurückzukehren und das Volk Israel von der Knechtschaft zu befreien, berichtet: JHWH habe sich im Horeb als „der Gott
Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ zu erkennen gegeben (3,6 EU) und Mose damit beauftragt, „die Ältesten Israels“ zu versammeln, um die Befreiung aus Ägypten und den Auszug in das
„Land der Kanaaniter“ zu verkündigen (3,16f EU). Mose trat damit als Verkünder des Namens vom Gott JHWH auf. In der Vergangenheit hatte JHWH nie seinen Namen genannt (Ex 6,6 EU-Ex 6,8 EU). Dem
Pharao soll Mose die Aufforderung stellen, die „Hebräer“ drei Tage lang in der Wüste dem eigenen Gott opfern zu lassen.
Dieser erste Bericht von der Berufung wird als eine Mischung von
jahwistischen und elohistischen Quellen betrachtet. Als Priesterschrift gelten die Wiederholungen der Offenbarung JHWHs und der Sendung Mose, die losgelöst vom Gottesberg und Midian in Ex 6,2-13
EU und in 6,28 EU-7,7 EU enthalten sind.
Das Motiv der Flucht ins fremde Land und der verheißungsvollen
Rückkehr hat in vielen Legenden des Nahen Osten eine Entsprechung und wurde vielfach auch auf die Biographie etlicher historischer Persönlichkeiten des 2. und des 1. Jahrtausends angewandt (z. B.
Hattusili, Assurhaddon, Nabonid u. a.). Eines der bekanntesten Beispiele, in dem enge Parallelen mit der Geschichte Mose gesehen worden sind, ist die ägyptische Geschichte von Sinuhe, in der der
Protagonist aus Furcht vor dem neuen Pharao in die Fremde flieht, bei Beduinen Gastfreundschaft findet, die Tochter eines syrischen Herrschers heiratet und abschließend nach Ägypten
zurückkehrt.
Die Aufforderung Mose, die Israeliten in die Wüste ziehen zu lassen,
damit sie „ein Fest feiern können“, habe der Pharao abgelehnt, bis die letzte der wegen dieser Ablehnung über Ägypten gesandten Plagen – der Tod aller ägyptischen Erstgeborenen – gekommen sei (Ex
7,14 EU-11,29 EU; 12,29-34 EU). Der Grund bzw. das Motiv der Ablehnungen ist aber nicht beim Pharao selbst zu suchen. In (Ex 7,3 EU-7,6 EU) erklärt JHWH, dass er den Pharao selbst zur Ablehnung
bewegen wird, um einen Vorwand für die nachfolgenden Plagen zu haben.
Der darauffolgende Bericht in Ex 12,37ff EU vom Aufbruch der
Israeliten bricht mit der Ausführung der Vorschriften für das Passafest und anderer Gesetze (12,43 EU-13,16 EU) ab und wird in 13,17ff EU wieder aufgenommen. Es folgen die Erzählungen des
Meerwunders am Schilfmeer in Ex 14 EU, die die Wüstenwanderung (15,22 EU-18,27 EU) einleiten; die Einsetzung durch Mose von „Richter“ über die Stämme Israels (18,13-27 EU) und – in 19 EU-40 EU –
die vorwiegend aus der Priesterschrift stammenden Ausführungen um den Bundesschluss am Berg Sinai (24 EU) mit der Erteilung des Dekalogs (20,1-21 EU; vgl. Lev 19,1-37 EU) und der sonstige
Auflistung der Gesetze.
Das Motiv des Rückfalls in den Götzendienst, der Unzufriedenheit der
Israeliten und der Revolte gegen die Autorität Mose taucht in mehreren Episoden innerhalb der Erzählungen von Auszug aus Ägypten, Wüstenwanderung und Aufenthalt in Kadesch-Barnea auf. So in den
Episoden des Meerwunders (Ex 14,10-14 EU), der Wasserwunder (15,22-26 EU; 17,1-7 EU und Num 20,1-13 EU), der Wachteln und des Manna (Ex 16 EU), in denen Notlage und Unzufriedenheit durch
wundersame Ereignisse und Handlungen überwunden werden. Der berühmteste dieser Episode ist die Geschichte des goldenen Kalbs (Ex 32,1-6;15-29 EU): Auf Aarons Anweisung haben die Israeliten
allerhand Schmuck und Gold geschmolzen und sich ein goldenes Kalb als göttliches Bild erschaffen. Als Strafe für diese Tat habe Mose befohlen, diejenigen, die zu JHWH untreu gewesen waren, zu
töten: Dieser Befehl sei von den Leviten vollzogen worden, die dabei um die 3000 Mann erschlagen haben sollen (32,25-28 EU). Von einer weiteren Rebellion gegen Mose wird in (Num 16,35 EU)
berichtet. Demnach hätten sich 250 Leviten unter der Führung Korachs, Datans und Abirams gegen Mose aufgelehnt und seien dafür mit dem Tod bestraft worden (Num 16,35 EU). Auch Moses Schwester
Mirjam habe ihre Anzweifelung der Autorität Mose durch göttliche Bestrafung mit Aussatz büßen müssen, bevor sie reuig wieder davon genesen sei (Num 12 EU).
Nach Dtn 34 EU sei Mose mit 120 Jahren auf dem Berg Nebo in
Ostjordanland gestorben, nachdem er von diesem Berg aus das Land jenseits des Jordans erblickt hatte: In dieses Land habe er wie alle anderen Israeliten seiner Generation nicht eintreten dürfen
(vgl. Num 14 EU; 20,12 EU; Dtn 4,21f EU). Mose sei „gegenüber Bet-Pegor“ an einem unbekannten Ort beigesetzt worden.
Der Theologe und Archäologe Ernst Sellin stellte anfangs des 20.
Jahrhunderts die These auf, Mose sei als „Märtyrer“ von den Israeliten getötet worden. Im späteren 20. Jahrhundert hat die These eines kollektiven Mordes an Mose vereinzelt bei Autoren wie
Sigmund Freud (vgl. unten: Mose und der Ursprung der Religion bei Sigmund Freud) und René Girard ein Echo gefunden. Von einem durch Josua und Kaleb vollbrachten Mord an Mose war auch J. W. Goethe
in einer frühen Schrift ausgegangen.
Nach Auffassung Sellins sei bei den Propheten eine – hauptsächlich bei
Hosea, Deuterojesaja und Deuterosacharja zu entnehmen, aber auch bei allen anderen Propheten wahrnehmbar – „Mosetradition“ lebendig gewesen, die weitgehend unabhängig von der deuteronomischen und
priesterschriftlichen Überlieferungen des Pentateuch war und im wesentlichen mit dem ältesten der jahwistischen und elohistischen Quellen übereinstimmte. Diese Tradition sei größtenteils von der
Verwerfung des blutigen Opferkults und von dem Verständnis der Gottesgebote als Gebote der Liebe und des Rechts geprägt gewesen. Ein beständiger Teil dieser Mosetradition sei ferner der
Märtyrertod des Mose gewesen. Sellin stützte seine These des Märtyrertods auf eine Reihe von Anspielungen, die er den Büchern der Propheten entnommen hatte. Ausschlaggebend war für ihn die eigene
Auslegung einiger Stellen bei Hosea (5,1 EU; 9,7-14 EU und 12,14 EU-13,1 EU), die nach Sellin auf die Episode von Schittim in Num 25 EU anspielen, in der Mose befohlen haben soll, diejenige der
Israeliten zu pfählen, die zu dem Götzendienst für Baal Peor abgefallen waren. In Num 25 ist von einer Ausführung dieses Befehls nicht die Rede, sondern von einer „Plage“, die 24 tausend
Mann das Leben kostete. Diese „Plage“ sei durch die Tötung eines Mannes beendet worden, welcher sich in sein Zelt zusammen mit „der Midianiterin“ begeben hatte. Für Sellin war das der
verstümmelte und unkenntlich gemachte Bericht der Tötung des Mose: In Schittim – aber die Episode hätte auch in Kadesch-Barnea beheimatet gewesen sein – sei Mose als Schuldopfer für die Sünden
des Volkes getötet worden.
Sellin zufolge waren auch die in Deuterojesaja enthaltenen Lieder von
dem leidenden Gottesknecht (Jes 42,1-10 EU; 49,1-13 EU; 50,4-9 EU und 52,13 EU-53,12 EU) von dem individuellen Schicksal des Mose inspiriert, selbst wenn diese Stücke nicht auf die Anspielungen
auf den Märtyrertod Mose zu reduzieren waren. Ebenfalls als Anspielungen auf die Tötung Mose legte Sellin einige Passagen im 2. Teil des Buchs Sacharja aus: das sogenannte „Hirtenbüchlein“ in
Sach 11,4-17 EU (vgl. Jes 63,11 EU), das „Schwerterlied“ in 13,7ff EU und die Klage in12 12,10 EU.
Etliche Autoren der griechisch-römischen Antike erwähnen Mose in
Verbindung mit Geschichten von dem Auszug aus Ägypten (vgl. →Auszug aus Ägypten). In fast allen dieser Texte kommen die Motive der Pest bzw.
der Vertreibung von „Aussätzigen“ (Juden oder Ägypter) vor: Diese wählen Mose als ihr Oberhaupt, der ihnen eine neue Religion gibt und sie ins kanaanäische Land führt. Dabei handelt sich fast
immer um verleumderische Erzählungen, in denen mit wenigen Ausnahmen – wie zum Beispiel bei Hekataios von Abdera und Strabo – die neue Religion von Mose als Gottlosigkeit, Umkehrung der
„richtigen“ Religion oder gar als Lehre des Hasses beschrieben wird. Die Regelmäßigkeit, mit der diese Motive in den griechischen und römischen Dokumenten der Geschichtsschreibung auftauchen, hat
zwar die Vermutung nahegelegt, dass diesen Texten nicht immer unabhängige Überlieferungen zugrunde liegen. Nach manchen Interpreten ist dennoch offenkundig, dass viele dieser Erzählungen auf sehr
alte, mündlich tradierte Legende zurückgreifen.
Die Darstellung der Person des Mose weist in diesen Berichten einige
Abweichungen auf. Die vermeintliche Erwähnung des Mose als altägyptischer Priester aus Heliopolis in den Aegyptiaca von Manetho wurde erst nachträglich ergänzt und ist nicht Manethos
verschollenem Originalwerk zuzurechnen. Bei zahlreichen anderen Autoren, die nur den Namen Mose angeben, gilt er als Ägypter. Nach Chairemon war er ein Schriftgelehrter, und sein ägyptischer Name
sei Tisithen gewesen. In Pompeius Trogus' Historiæ Philippicæ kommt Mose als Sohn des Joseph vor und soll die ägyptischen Kultobjekte gestohlen haben. Nach Tacitus sei er einfach einer der
Vertriebenen gewesen.
Von jüdischen Autoren wurden zusätzliche Episoden von dem Leben des
Mose überliefert. So berichteten Flavius Josephus und Artapanos von einem Krieg, den Mose gegen die Äthiopier geführt habe. Josephus berichtet, dass der kurze Krieg mit der Heirat zwischen Mose
und der Tochter des äthiopischen Königs beendet worden sei (Ant II, 251-253), während Artapanos von einem 10-jährigen Krieg berichtet, im Zuge dessen Mose die Stadt Hermopolis gegründet,
den Ibis geheiligt, und den Äthiopiern die Beschneidung beigebracht haben soll. Diese Überlieferung scheint unabhängig von der Notiz der kuschitischen Frau des Mose zu sein, die in Num 12,1 EU
erwähnt wird.
Die Deutung der Figur des Mose und die Versuche, sie historisch zu
verorten, haben über die letzten Jahrhunderte nicht nur Exegeten beschäftigt, sondern auch Historiker, Literaten, Philosophen, Ägyptologen usw. Im 20. Jahrhundert haben Exegeten und vor allem
Bibelhistoriker vorwiegend die Funktion und die Rolle des Mose in der Entstehung Israels und seiner Religion in den Mittelpunkt der Fragestellung gerückt. Dagegen ist ein Verständnis des Mose als
"mythologischem Konstrukt" weitgehend aufgegeben worden. Eine solche Auffassung war noch bis zum Anfang des 20. Jahrhundert vertreten worden, u.a. durch Autoren wie de Wette, Winckler,
Jensen.
In der neueren historischen Forschung wurde Mose vorwiegend als Volks-
oder Religionsgründer, als Gesetzgeber oder Reformator aufgefasst. Für Martin Noth war jedoch das Verständnis des Mose als Gesetzgeber und Religionstifter an die
„deuteronomisch-deuteronomistischen Literatur“ gebunden, und zwar hauptsächlich an die Episode des Bundeschlusses am Sinai. Die Erzählungen des Pentateuch seien aber das Ergebnis einer
nachträglichen „Angleichung“, die unter anderem die Figur des Mose in alle Episode vom Auszug aus Ägypten bis zur Ankunft in Palästina mit aufgenommen habe – auch in Erzählstoffe also, die
ursprünglich nichts mit Mose zu tun hatten. Somit sei mit Bezug auf den historischen Gehalt keine der im Pentateuch enthaltenen Episoden besonders hervorzuheben. Noth zufolge sei jedoch die Notiz
von dem jenseits des Jordans gelegenen Grab Mose (Dtn 34,5.6a.8 EU) diejenige, die am ehesten einen historischen Kern besitze: Demzufolge gehöre Mose „in den Zusammenhang der Vorbereitung der
Landnahme der mittelpalästinischen Stämme“ hinein.
In seinem letzten Werk Der Mann Moses und die monotheistische
Religion (1939) stellte Sigmund Freud neben der These, Mose sei ein Ägypter gewesen, weitreichende Hypothesen über den Ursprung des „jüdischen“ Monotheismus und das Wesen des Judentums auf.
Die in diesem Buch vorgeführten Überlegungen wurden von Freud selbst als „Konstrukt“ bezeichnet. Sie basierten aber auf dem damals neuesten Stand der ägyptologischen (James H. Breasted u.a.) und
der alttestamentlichen Forschung (Eduard Meyer, Ernst Sellin u.a.). Mose wird als Ägypter dargestellt, vielleicht Statthalter des Distrikts Gosen im Nildelta, aber jedenfalls als Anhänger
Echnatons. Als solcher habe er nach dem Scheitern von dessen Reform die monotheistische Atonreligion den „Juden“ auferlegt und sie aus Ägypten geführt. Dies erkläre die Bildlosigkeit, die
Geistigkeit und die Ideale der Gerechtigkeit, welche die spätere (nachexilische) Religion Israels prägten, sowie die Auffassung, von Gott auserwählt und den anderen Völkern überlegen zu sein.
Dabei handle es sich um Hauptmerkmale des Judentums, welche spätere antijüdische Vorstellungen mit verursacht hätten.
Freud zufolge wurde Moses von den Israeliten ermordet. Dieser Mord sei
der Gründungsakt der nachfolgenden religiösen und gesellschaftlichen Ordnung. Diese These wiederholt den bereits in Totem und Tabu formulierten „Vatermord“ als Entwicklungsmoment der
Religion. Die Vollstreckung dieses Mords habe „Zwangscharakter“ gehabt. Nach der Ermordung des Mose habe allmählich die israelitische Religion die wesentlichen Merkmale der anderen kanaanäischen
Religionen übernommen. Erst einige Jahrhunderte später sei die „Mosereligion“ die Religion Israels geworden, und zwar durch das Wirken der Propheten. Analog zu den Vorgängen der individuellen
Psychologie habe dabei zuerst eine Verdrängung stattgefunden, die ihren unbewussten Ausdruck in dem Schuldgefühl und in der Thematisierung der israelischen Geschichte als zeitlicher Folge von
Bestrafungen durch Gott gehabt habe. Später in der Geschichte habe sich langsam die „Wiederkehr des Verdrängten“ vollzogen, indem sich die „Vaterreligion“ etablierte.
Zahlreiche Historiker und Ägyptologen haben versucht, Mose mit aus
ägyptischen Quellen bekannten Figuren zu identifizieren.
Einer der Vorschläge, der große Resonanz gehabt hat, ist die auf E. A.
Knauf zurückgehende Gleichsetzung Mose mit „By“ „Beja“, einem Würdenträger der 19. Dynastie, der unter Sethos II. amtiert und bei der Inthronisation von dessen Nachfolger Siptah eine wichtige
Rolle gespielt haben soll. Sein Titel ist als „Großer Schatzmeister des ganzen Landes“ überliefert, und er soll unter Sethos auch die Funktion des Kanzlers ausgeübt haben. Nach den Interpreten
könne der Name Bʒ-jj, „By“ oder „Beja“ ein semitischer Name sein, wahrscheinlich eine Zusammensetzung
mit dem Gottesnamen Ja(hwe), dessen Form be-ja („in JHWH (ist mein Trost)“, De Moor) oder ein Analogon des hebräischen Personennamens אֲבִיָּה (abī-ja, „JHWH (ist) mein Vater“) gewesen sein
könnte. Neben diesem Namen soll Beja auch einen Hofnamen getragen haben, dessen erster Teil „Ramses“ war (Ra w-mśj-św-ha-m-ntrw). Dieser Beja ist ferner mit dem in der Stele von
Elephantine als „Irsu“ – vielleicht ein Spottname – genannten Anführer der Asiaten identifiziert worden, die in der Zeit von Ramses III. gegen die ägyptische Herrschaft einen Aufstand versuchten
und aus dem Land vertrieben wurden. Die Entsprechungen der Notizen über Beja-Ramses-Irsu mit den Moseüberlieferungen seien in einigen Texten des Exodus zu suchen, die Mose als „Groß im Land
Ägypten“ angeben (Ex 11,3b EU) und von einer „Plünderung“ der Ägypter von Seiten der ausziehenden Israeliten berichten (Ex 12,35.36b EU).
Als Persönlichkeit der ägyptischen Geschichte, die die biblische
Beschreibung des Mose beeinflusst haben kann, ist ein „königlicher Butler“ oder „erster Truchsess des Königs“ semitischer Herkunft in Erwägung gezogen worden, der in Dokumenten aus der Zeit von
Ramses II. und Ramses III. mit dem ägyptischen Namen Ramsesemperre (Ra w-mśj-św-m-pr-Ra, „Ramses im Haus des Ra“) vorkommt und hauptsächlich diplomatische Funktionen gehabt haben soll. Von
ihm werden auch Baschan als Herkunftsort, Jwpa als Vatersnamen, und die Bezeichnung Bn-’zn, die als „Sohn der Gehorsamkeit“ als Ehrentitel oder als Bezeichnung einer
Stammesangehörigkeit interpretiert worden ist. Als Diplomat soll Ramsesemperre die ägyptischen Interessen gegenüber den Schasu oder in deren Stammesgebieten vertreten haben.
Der Ägyptologe Rolf Krauss hat die Hypothese aufgestellt, dass die biblische Mosegeschichte nach dem Vorbild der Geschichte von Amun-Masesa um 500 vor Chr. verfasst sein könnte. Amun-Masesa (13. Jahrhundert vor Chr.) war wahrscheinlich ein Sohn des Pharao Merenptah, für den er einen Krieg gegen Aufständische führte. Seine Biographie weise Parallelen zu der Biographie Mose auf.
Die Darstellung des Mose mit Hörnern in manchen älteren (west-) christlichen Kunstwerken (z.B. die Skulptur von Michelangelo in San Pietro in Vincoli) geht auf die Übersetzung des hebräischen Verbs „qāran“ (קָרַן) in der Vulgata mit cornuta, „gehörnt“, statt "coronata", „strahlend“ zurück. In dem masoretischen Text von Ex 34,29 EU wird von Mose geschrieben:
כִּי קָרַן עוֹר פָּנָיו,
was in allen alten und neuen Übersetzungen – mit der Ausnahme der Vulgata und der Aquila-Version – sinngemäß mit „dass sein Antlitz ausstrahlte“ (u.ä.) übersetzt wird. Dieses „Strahlen“ als Zeichen des göttlichen Glanzes hat den Israeliten Furcht eingeflößt - die Decke, die Mose nach seiner Rede über sein Angesicht legt, kennzeichnet die Trennung von seiner Verkündigung in der Vollmacht Gottes und dem Alltag als Person und Führer des Volkes (Ex 34,30.33.35 EU).
Ausgehend von den verschiedenen Darstellungen im Alten Testament, hat
das Bild des Mose ein lang andauerndes Echo in allen von der Hebräischen Bibel hervorgegangenen oder beeinflussten Religionen – sowie in der theologischen Reflexion innerhalb derselben –
gefunden.
Eine bedeutende Rolle spielte in der kontroversen Diskussion die auf
Moses bezogene, über ihn hinausgehende Verheißung im Buch Deuteronomium 18,15 und 18,18, die Israel einen Propheten aus seiner Mitte ankündigt mit den Worten: Einen Propheten wie dich will ich
ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehen lassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage.
Mose wird in der Hebräischen Bibel insgesamt 767 mal erwähnt,
größtenteils im Rahmen der Überlieferungen von dem Auszug aus Ägypten und der Wüstenwanderung (647 mal in den Büchern 2. bis 5. Mose), und 80 mal im Neuen Testament. Das Bündel von Themen, die
die biblische Tradition mit Mose verbindet, hat seine Schwerpunkte in der Tradition des Mose als direkter Empfänger der Offenbarung Gottes, als Befreier des israelitischen Volkes aus der
Sklaverei und Führer auf seiner Wanderung ins verheißene Land, als Prophet und Heilsfigur und als Vermittler der Worte Gottes und des Gesetzes.
In der modernen Theologie des Christentums ist weitgehend
unbestritten, dass die biblische Darstellung des Mose stark redaktionell erweitert worden ist. Auch die Historizität der Persönlichkeit und ihre Verbindung mit dem Auszug aus Ägypten wird von
Wissenschaftlern betroffener Fachdisziplinen unterschiedlich bewertet. Evangelikale Christen und orthodoxe Juden halten seine führende Rolle beim Auszug wie bei der Vermittlung des JHWH-Glaubens
für historisch. Sie erachten entsprechend die teilweise sehr stark ausgestalteten Mosetraditionen als zuverlässige Erinnerungen an eine bedeutende geschichtliche Persönlichkeit.
Liberale und gemäßigte Christen und Juden sehen in Mose dagegen eine
Symbolfigur, der wesentlich die Israeliten und das jüdische Volk zu einer Einheit formte, den Kultus und die zu beachtenden Gebote begründete und den Weg zum wahren Gottesglauben wies. Für diese
Christen und Juden spielt die Historizität Moses keine wesentliche Rolle, soweit sie nicht überhaupt geleugnet wird, sondern er ist eine Figur, aus der Kraft für den Glauben geschöpft werden
kann.
Als Identitätsstifter ist Mose neben den Erzvätern Abraham und Jakob
sowie dem König David eine der wichtigsten Figuren nicht nur für das religiöse, sondern auch für das nationale Selbstverständnis der Juden.
Verschiedene christliche Konfessionen verehren Moses als Heiligen. Bestimmte Kirchen sind ihm geweiht (zB. die Šuplja crkva, Kroatien.)
Im Islam
Für den islamischen Glauben ist Mose neben Abraham, Isa bin Maryam und
Mohammed ein bedeutender Prophet Allahs und wird im Koran als Empfänger „des Buches“ bezeichnet (Sure 2, 53.87; Sure 28, 43. Vgl.: Die schriftliche Tora im Islam). Einer Legende
zufolge sei der Stock des Mose nach der Eroberung von Mekka durch die Türken in der Kaaba gefunden worden.
Die biblischen Episoden der Mosegeschichte und des Exodus werden im Koran wiederholt erwähnt. So sind in der Sure 2 (49-71) etliche Erzählungen und Anekdoten vorhanden, die auf die Gesetzgebung, auf den Bundesschluss am Sinai und auf die Ungehorsamkeit der Israeliten anspielen. Von dem Misstrauen der Israeliten Mose und „seinem Gott“ gegenüber und von deren Bestrafung ist auch in der Sure 5 (20-26) die Rede. In der Sure 20 befinden sich die Erzählungen von der Geburt (39-40), von der Flucht nach Midian (40) und von der Offenbarung Gottes und der Sendung des Mose (9-37; 42-48), die auch in der Sure 28 (3-35) vorkommen. Die über Ägypten gesandten Plagen kommen nur in der Sure 7 (133-135) vor – ohne den Tod der Erstgeborenen. Am häufigsten wiederkehrend ist das Motiv der Konfrontation Mose mit den ägyptischen Magiern, die von der Bestrafung des Pharao und der Ägypter durch das Wunder am Schilfmeer gefolgt wird (Sure 7, 103-136; 10, 75-92; 20, 57-79; 28, 36-40; 43, 46-56). Von den übrigen Episoden der Wüstenwanderung kommen im Koran die Wunder vom Manna und den Wachteln (Sure 2, 57), das Wasserwunder (2, 60) und der Verfall der Israeliten in den Götzendienst in Zusammenhang mit der Begegnung Mose mit Gott (Sure 7, 138-156; 20, 83-98) vor.
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