Der Talmud (hebr.: תלמוד, talmūd "Belehrung, Studium") ist nach dem Tanach– der heiligen Schrift des Judentums– das bedeutendste Schriftwerk des Judentums.
Er ist sehr viel umfangreicher als die Bibel; vollständige Ausgaben kommen auf fast 10.000 Seiten in einem Dutzend Bänden. Es gibt verschiedene Traditionen des Talmud.
Talmud: Beginn des Traktats „Berachoth“. In der Mitte Mischna und Gemara (beginnend ab Zeile 14, ersichtlich durch die Großbuchstaben „גמ“ als Abkürzung für Gemara), innen (hier: rechter Rand) der Kommentar von Raschi, außen (hier linker Rand) spätere Kommentare
Der Talmud liegt in zwei großen Ausgaben vor. Nach Umfang und inhaltlichem Gewicht ist der Talmud Bavli, der
Babylonische Talmud, das bedeutendere Werk. Er entstand in den relativ großen, geschlossenen jüdischen Siedlungsgebieten, die nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im
judenfreundlicheren Perserreich existierten, genauer gesagt in Sura und Pumbedita. Als maßgebliche Autoren gelten die Rabbiner Abba Arikha (genannt Raw), Samuel Jarchinai (Mar) sowie Rab
Aschi.
Daneben steht der erheblich kürzere, in seinen Bestimmungen oft weniger strenge und weniger wichtige Talmud Jeruschalmi,
der in Palästina entstand und daher der Palästinische oder Jerusalemer Talmud genannt wird. Hier gilt nach jüdischer Tradition, die auf Maimonides zurückgeht, als wichtigster Autor
Rabbi Jochanan.
Wenn einfach vom Talmud gesprochen wird, ist in der Regel der Babylonische Talmud gemeint.
Der erste Druck des Talmud stammt von Daniel Bomberg, einem aus Antwerpen stammenden Christen, der zwischen 1516 und 1539 in Venedig tätig war. Die von Bomberg eingeführte Folio-Zählung wird heute noch benutzt.
Es gibt verschiedene Methoden der Stoffgliederung im Talmud:
Kernstück des Talmud ist die Mischna (hebräisch: משנה
(Lehre durch) Wiederholung). Es handelt sich hierbei um jenen Teil der Thora (תורה), den Gott nach jüdischer Tradition Moses am Berg Sinai mündlich geoffenbart hat und der in der Folgezeit auch zunächst nur mündlich weitergegeben,
in den beiden ersten Jahrhunderten n. Chr. schließlich aber doch kodifiziert wurde. Ihre endgültige Form gefunden hat die in Hebräisch abgefasste Mischna im 2. Jahrhundert n. Chr. unter
redaktioneller Federführung von Jehuda ha-Nasi. Sie ist im babylonischen und im palästinischen Talmud im Wesentlichen identisch.
Die zweite Schicht des Talmud ist die Gemara (aramäisch: גמרא Lehre, Wissenschaft), die aus Kommentaren und Analysen zur
Mischna in aramäischer Sprache besteht. Sie sind die Frucht umfangreicher Diskussionen unter jüdischen Gelehrten insbesondere in den Akademien von Sura und Pumbedita. Ausgehend von den meist rein
juristischen Fragestellungen wurden Verbindungen zu anderen Gebieten wie Medizin, Naturwissenschaft, Geschichte oder Pädagogik hergestellt. Auch wurde der eher sachliche Stil der Mischna mit
diversen Fabeln, Sagen, Gleichnissen, Rätseln etc. angereichert. Die Gemara war zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert n. Chr. abgeschlossen. Anders als die einheitliche Mischna weichen die Fassungen
der Gemara in der babylonischen und der palästinischen Talmudausgabe voneinander ab.
Beim Babylonischen Talmud kommen schließlich als dritte Schicht die Kommentare aus späterer Zeit hinzu. Hervorzuheben sind
insofern insbesondere jene von Rabbi Schlomo ben Jizchak (genannt „Raschi“), einem im 11. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland wirkenden Talmud-Gelehrten.
Die ständige Fortentwicklung der Tradition durch Diskussionen, Kommentare und Analysen prägt den durchgängig dialektischen Stil
des Talmud. Das bevorzugte Mittel der Darstellung ist der Dialog zwischen verschiedenen rabbinischen Lehrmeinungen, der am Ende zu einer Entscheidung führt und den maßgeblichen Stand der
Tradition wiedergibt.
Üblicherweise sind die einzelnen Textteile so angeordnet, dass sich die Mischna in der Mitte jeder Seite befindet. Links und
unten wird sie L-förmig von der Gemara umrahmt. Der Textstreifen am oberen Innenrand einer Seite enthält die Kommentare Raschis, der am Außenrand und ggf. am unteren Rand schließlich etwaige
weitere Kommentare.
Quer zur bereits genannten Einteilung des Talmud in die drei Überlieferungsschichten steht die Einteilung in die
praxisnahe Auslegung der gesetzlichen Vorschriften (Halacha, הלכה) und die erzählerischen
und erbaulichen (homiletischen) Betrachtungen (Aggada, אגדה). Sie findet sich nur in den
beiden Kommentarschichten, jedoch kaum in der nahezu ausschließlich aus Halacha bestehenden Mischna.
In seinem Gedicht Jehuda Ben Halevy vergleicht Heinrich Heine die Halacha mit einer „Fechterschule, wo die besten
dialektischen Athleten (…) ihre Kämpferspiele trieben“. Die Aggada, die er fälschlich „Hagada“ nennt, sei indes „ein Garten, hochphantastisch“, in dem es „schöne alte Sagen, Engelmärchen und
Legenden“ gebe, „stille Märtyrerhistorien, Festgesänge, Weisheitssprüche (…).“
Eine dritte Gliederungssystematik schließlich fußt auf sachlichen Prinzipien. Beide Talmude sind, wie die ihnen
zugrundeliegende Mischna, in 6 „Ordnungen“ (Seder, סדר) eingeteilt, diese wiederum in 7
bis 12 Traktate (masechet, מסכת). Die Traktate wiederum bestehen aus Abschnitten und
letztlich aus einzelnen Mischnajot.
Die Titel der Ordnungen lauten:
Neben dem Hebräischen ist vor allem Aramäisch Sprache des Talmuds. Der Talmud wird gewöhnlich in den Originalsprachen
studiert.
Im Jüdischen Verlag erschien 1929 bis 1936 die erste und bisher einzige vollständige und unzensierte deutsche Übersetzung des
Babylonischen Talmud. Die Übersetzung stammt von Lazarus Goldschmidt. Diese Ausgabe umfasst 12 Bände. Im Seitenaufbau weicht sie von den gängigen Ausgaben ab. Die Mischna ist in Kapitälchen
gesetzt. Darunter folgt die Gemara im normalen Satz. Sie wird jeweils mit dem in Großbuchstaben gesetzten Wort „Gemara“ eingeleitet. Zusätzliche Anmerkungen zur Mischna oder Gemara sind als
Fußnoten gesetzt. In der Originalausgabe und in den Nachdrucken gibt es nur ein Inhaltsverzeichnis pro Band, kein Gesamtverzeichnis für alle Bände. Auch die Einteilung in Sektionen geben diese
Verzeichnisse nicht wieder.
Da der Talmud in der Wahrnehmung sehr mit dem Wesen des Judentums selbst identifiziert wurde, richteten sich Angriffe gegen das Judentum meist auch gegen diesen und umgekehrt.
Bereits frühzeitig wurde Juden die Beschäftigung mit dem Religionsgesetz mehrfach untersagt. Solch ein Verbot wird von der
rabbinischen Geschichtsschreibung als einer der Gründe des Bar-Kochba-Aufstands angegeben. Im Jahr 553 erließ Kaiser Justinian I. ein Gesetz, das Juden das Studium der deuterosis verbot,
womit die Mischna oder Beschäftigung mit der Halacha allgemein gemeint war. Papst Leo VI. erneuerte später dieses Verbot.
Im Mittelalter kam es zu stärkeren Anfeindungen gegenüber dem Talmud. Manche dieser Angriffe stammten von zum Christentum
konvertierten Juden. So ging die Talmuddisputation von Paris 1240 von dem Konvertiten Nikolaus Donin aus, der 1224 von den Rabbinen in den Bann getan wurde und 1236 zum Christentum konvertierte.
1238 forderte er in einer Schrift mit 35 Punkten gegen den Talmud dessen Verbot von Papst Gregor IX.. Als Folge der Disputation zwischen Donin und Rabbi Jechiel ben Josef kam es zur ersten großen
Talmudverbrennung. 1247 erlaubte Papst Innozenz IV. den Juden den für ihre Religionsausübung unentbehrlichen Talmud, veranlasste aber dessen Zensur. In der Disputation über die selbe Frage
zwischen dem vom Judentum abgefallenen und konvertierten Pablo Christiani und dem jüdischen Gelehrten Rabbi Moses ben Nachman 1263 in Barcelona erklärte der spanische König dagegen Rabbi Moses
ben Nachman zum Sieger. Bis zum Ende des 16. Jahrhundert gingen dann Disputationen, Konzile und Kirchenversammlungen mit Verboten, Beschlagnahmungen und Verbrennungen des Talmud einher. 1553 kam
es in Rom zu Talmudverbrennungen.
In judenfeindlichen Publikationen wurden Stellen aus dem Talmud zitiert, um die jüdische Religion und Tradition in Misskredit
zu bringen. Teilweise handelt es sich bei den „Zitaten“ um schlichte Fälschungen. Aber auch die „echten“ Zitate sind in der Regel aus dem Zusammenhang gerissen und missachten die im Talmud
vorherrschende Form der dialogischen Annäherung an ein Thema. Talmudische Diskussionen zwischen den Positionen einzelner Rabbinen und verschiedener Schulen spiegeln den Prozess der
Verschriftlichung der mündlich überlieferten Thora. In solchen Auseinandersetzungen werden oft auch bewusst abstruse Thesen (etwa: „Nichtjuden sind keine Menschen“) in die Diskussion geworfen, um
sie daraufhin im Dialog zu widerlegen. Antijudaisten, wie z.B. Johann Andreas Eisenmenger in der Neuzeit, verwenden bevorzugt solche Thesen, verschweigen jedoch die folgenden Antithesen, so dass
ein verfälschter Gesamteindruck zu den religiösen Leitlinien des Talmuds und damit auch der jüdischen Religion entsteht.
Eine seltene Ausnahme war der Humanist Johannes Reuchlin, der als erster deutscher und nichtjüdischer Hebraist gilt, welcher
zum besseren Verständnis die hebräische Sprache und Schrift erlernte. Er veröffentlichte eine hebräische Grammatik, schrieb über die Kabbala und verteidigte den Talmud und die jüdischen Schriften
im Streit mit Johannes Pfefferkorn.
Im Rahmen der Kampfes der Katholischen Kirche gegen die Reformation kam 1559 auch der Talmud auf den ersten Index verbotener
Bücher. Auch Martin Luther forderte in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen neben dem Verbrennen von Synagogen und jüdischen Häusern auch die Konfiszierung aller jüdischen Bücher
inklusive des Talmuds.
Das 17. Jhd. sah einige Humanisten und christliche Hebraisten, welche den Talmud gegen antijudaistische Angriffe in Schutz nahmen und auch versuchten, mit Hilfe des Talmud und der rabbinischen Literatur das Neue Testament und das Christentum besser zu verstehen. Der anglikanische Theologe John Lightfoot stellte in Horae Hebraicae Talmudicae von 1685 erstmalig die talmudischen Parallelen zum Neuen Testament zusammen. Johann Buxtorf der Jüngere war Herausgeber des Werkes More Nevuchim des Maimonides und schrieb 1639 das Lexicon chaldaicum, talmudicum et rabbinicum.
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