Isaac Bashevis Singer - Leben und Werke

 

Isaac Bashevis Singer (auch: Isaak Baschewis Singer; jiddisch יצחק באַשעוויס זינגער; Pseudonyme, die er – neben Bashevis – zeitweilig verwendete, waren Varshavsky oder D. Segal; * 21. November 1902 in Leoncin, heute im Powiat Nowodworski (Masowien), Polen; † 24. Juli 1991 in Surfside, Miami-Dade County, Florida) war ein polnisch-US-amerikanischer Schriftsteller. Als bislang einziger jiddischer Schriftsteller erhielt er im Jahr 1978 den Nobelpreis für Literatur.

 

 

Leben

 

Polen

 

Isaac Bashevis Singer wurde als Icek Hersz Zynger in Leoncin als Sohn des dortigen Rabbiners Pinchos Menachem Zynger wahrscheinlich am 21. November 1902 geboren. Er selbst gab den 14. Juli 1904 an.

 

1907 zog die Familie nach Radzymin, an den Hof eines chassidischen Rabbiners, 1908 an die Krochmalna-Straße im jüdischen Armenviertel von Warschau, damals die größte jüdische und jiddischsprachige Ansiedlung der Welt (1910 waren ca. 300.000, knapp 40 % der 780.000 Einwohner, Juden). Die katastrophale Wirtschaftslage während des Weltkriegs zwang die Familie, sich 1917 zu trennen – Isaacs Mutter, Batsheva, zog mit ihm und seinem jüngeren Bruder Mosche in ihre Heimatstadt Biłgoraj bei Lublin, wo ihre Brüder in der Nachfolge des Vaters als Rabbiner amtierten, und wo der heranwachsende Singer das Schtetl, die traditionelle Lebensform polnischer Juden, die sich dort infolge der Besonderheiten der geographischen und politischen Lage unverändert erhalten hatte, aus eigener Anschauung kennenlernte („Ich lebte jüdische Geschichte“).

 

1921 kehrte Singer wieder nach Warschau zurück, um sich am fortschrittlich-orthodoxen Tachkemoni-Seminar zum Rabbiner ausbilden zu lassen. Er brach die Ausbildung nach einem Jahr ab und zog zu seinen Eltern in die Provinz. Er konnte jedoch aufgrund der Intervention seines älteren Bruders Israel Joschua Singer (1893–1944) – seinerseits ein bekannter jiddischer Autor – 1923 als Korrektor für eine moderne jiddische Zeitschrift nach Warschau zurückkehren, wo er selbst zu schreiben begann. Bereits seine zweite Erzählung unterzeichnete er – um sich vom älteren Bruder zu unterscheiden – mit „Bashevis“, ohne Vor- oder Zunamen. Dieser Name ist der Genitiv von jiddisch „Ba(s)sheve“ (Bathseba), des Vornamens seiner Mutter. Den vollen Namen „Isaac Bashevis Singer“ verwendete er erstmals 1950 beim Erscheinen seines ersten übersetzten Werks, der amerikanischen Fassung des Romans Die Familie Moschkat. Als „Bashevis“ machte er sich früh einen Namen, indem er das intensive Erlebnis seiner Entwicklungsjahre mehrmals literarisch darstellte und aufarbeitete. Singer hatte gerade einen ersten Roman, Satan in Goraj, in Fortsetzungen veröffentlicht, als ihm der ältere Bruder, der 1933 in den Redaktionsstab der großen jiddischen Tageszeitung Forverts nach New York berufen wurde, 1935 die Einreisemöglichkeit nach Amerika verschaffte. Die Übersiedlung bedeutete auch die Trennung von seiner ersten Frau Runia Pontsch und vom gemeinsamen Sohn Israel Zamir (geb. 1929), der nach Moskau und dann nach Palästina ging. Vater und Sohn trafen sich erst 1955 wieder.

 

USA

 

Singer ließ sich in New York nieder, und nach längeren Eingewöhnungsschwierigkeiten – sein autobiographischer Roman über diese Zeit trägt den Titel Verloren in Amerika – wurde er ein produktiver und anerkannter jiddischer Autor, der vor allem im Forverts publizierte. 1938 traf er erstmals Alma Wassermann, geborene Haimann (1907–1996), die wie so viele aus Deutschland – in ihrem Fall aus München – geflohen war; die beiden heirateten 1940. 1943 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.

 

Allgemeine Bekanntheit erlangte Singer erst mit der 1953 erschienenen amerikanischen Übersetzung seiner 1945 entstandenen Kurzgeschichte Gimpel der Narr durch Saul Bellow. 1974 wurde ihm der National Book Award für seinen Roman Feinde – die Geschichte einer Liebe verliehen, 1978 erhielt er dann als bislang einziger jiddischer Schriftsteller für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur:

 

„für seine eindringliche Erzählkunst, die mit ihren Wurzeln in einer polnisch-jüdischen Kulturtradition universale Bedingungen des Menschen lebendig werden lässt“

 

Begründung aus der Preisverleihung

 

Isaac Bashevis Singer verfasste seine Romane und Geschichten auf Jiddisch und veröffentlichte sie zunächst in Fortsetzungen in jiddischen Literaturzeitschriften und im Forverts, worauf er sie in Teilauswahl für die amerikanische Fassung, die den weiteren Übersetzungen zugrunde lag, überarbeitete und lektorierte (er sprach von seinem „zweiten Original“).

 

In den letzten 35 Jahren seines Lebens war Singer ein überzeugter Vegetarier, der dieses Thema häufig auch in seinen Geschichten aufgriff.

 

Bedeutung – Verfilmungen

 

Singers Werk steht im Spannungsfeld zwischen Religion und Moderne, Mystizismus und rationaler Einsicht. Charakteristisch ist aber auch die tiefe Verbundenheit mit der jüdischen Mystik (Kabbala), der talmudischen Ethik, Tradition und Folklore sowie eine große naturwissenschaftliche Bildung und Vertrautheit mit der Philosophie – vor allem mit Spinoza, Schopenhauer, Eduard von Hartmann und Otto Weininger. Sein wichtigstes schriftstellerisches Vorbild war Knut Hamsun, den er mehrmals ins Jiddische übersetzt hat.

 

1974 verfilmte ein Wohnungsnachbar, Bruce Davidson, Mr. Singer’s Nightmare or Mrs. Pupkos Beard (Herr Singers Albtraum oder Frau Pupkos Bart) als halbstündige Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm (Drehbuch und Hauptdarsteller Isaac Bashevis Singer). 1983 wurde die Kurzgeschichte Yentl, the Yeshiva Boy mit Barbra Streisand in der Hauptrolle als Yentl verfilmt; dem Film stand Singer allerdings sehr kritisch gegenüber. 1986 drehte Amran Nowak mit Singer die Dokumentation Isaac in America: A Journey with Isaac Bashevis Singer, die 1987 für einen Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert war.

 

Die Vorlage für den Film Feinde – Die Geschichte einer Liebe bildete 1989 der gleichnamige Roman; Regisseur war Paul Mazursky. 2007 verband der deutsche Regisseur Jan Schütte drei Kurzgeschichten Singers zu einem Spielfilm mit dem Titel Love Comes Lately mit Otto Tausig in der Hauptrolle. Dieser Film lief auf mehreren Festivals und kam im April 2009 unter dem Titel Bis später, Max! in die deutschen Kinos.

 

Auszeichnungen

 

  • 1969: Deutscher Jugendliteraturpreis, für Zlateh, die Geiß
  • 1969: Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
  • 1978: Nobelpreis für Literatur
  • 1981: Buber-Rosenzweig-Medaille
  • 1984: Ehrendoktortitel der Ben-Gurion-Universität des Negev in Be’er Scheva, Israel

 

Werke (Auswahl)

 

Erscheinen/Entstehungszeit bekannt

 

  • Satan in Goraj (Der sotn in Goray; Sotn of Gorey), 1934, deutsch 1957.
  • Die Familie Moschkat. Roman (Di Mischpoche Moschkat/The Family Mushkat) 1950, deutsch 1984. Der Forverts hatte zwischen November 1945 und Mai 1948 den Roman gedruckt. Die Auflage 1950 beim Verlag Alfred Knopf in New York wurde gekürzt und das Ende vom Autor verändert.
  • Gimpel der Narr und andere Erzählungen. (Gimpl tam un andere dertseylungen) 1957, deutsch 1968.
  • Schatten über dem Hudson. Roman 1957.
  • Der Kunznmacher fun Lublin (Der Zauberer von Lublin), Roman, 1960, deutsch 1967.
  • The slave, aus dem Jiddischen übersetzt vom Autor und Cecil Hemley. Farrar, Straus and Cudahi, New York City 1962.
    • Jakob der Knecht. Roman 1962, deutsch 1965, mit einem Nachwort von Salcia Landmann. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.
  • Spinoza von der Marktstraße. (The Spinoza of Market Street) 1962, deutsch 1982: Insel-Bücherei 1023/1.
  • Short Friday, 1962, deutsch: Jentl, Erzählungen, übersetzt von Wolfgang von Einsied, dtv, München 2002, ISBN 978-3-423-25203-4. 1964.
  • Main Tatens Bes Din Schtub. 1966.
  • Mein Vater der Rabbi. Bilderbuch einer Kindheit. Erzählungen (In My Father’s Court.) 1966, deutsch 1971.
  • Das Landgut. Roman (The Manor) 1967, deutsch 1967.
  • Das Erbe. Roman (The Estate) 1969, deutsch 1981. – Zweiter Teil von Das Landgut.
  • A Day of Pleasure: Stories of a Boy Growing Up in Warsaw. 1969.
    • deutsch: Eine Kindheit in Warschau. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1981, ISBN 3-473-35058-3.
  • A Friend of Kafka, and Other Stories. 1970.
  • Elijah The Slave. 1970.
  • Joseph and Koza: or the Sacrifice to the Vistula. 1970.
  • Mayses fun hintern oyvn. 1971.
  • Enemies, a Love Story. 1972.
    • Feinde, die Geschichte einer Liebe. Aus dem Amerikanischen von Wulf Teichmann. Hanser, München 1974
    • Feinde. Theaterbearbeitung. Regie Yael Ronen, Maxim-Gorki-Theater, 2016
  • A Crown of Feathers and Other Stories. 1974.
    • Der Kabbalist vom East Broadway. Erzählungen. Hanser, München 1976.
  • Der bal-tschuve. 1974.
  • Der shpigl un andere dertseylungen. 1975.
  • A Little Boy in Search of God. 1976.
  • Leidenschaften. Geschichten aus der neuen und der alten Welt. Erzählungen, deutsch 1977.
  • Schoscha. Roman 1978, deutsch 1980.
  • A Young Man in Search of Love. 1978.
  • Old Love. Geschichten von der Liebe. Erzählungen (Old Love) 1979, deutsch 1985.
  • Die Gefilde des Himmels. Eine Geschichte vom Baal Schem Tow. Erzählung (Reaches of Heaven. A Story of the Baal Shem Tov) 1980, deutsch 1982.
  • Verloren in Amerika: vom Schtetl in die Neue Welt. Roman (Lost in America) 1981, deutsch 1983, jiddisch bereits ab 1974.
  • Der Büßer. Roman (The Penitent) 1983, deutsch 1987.
  • Yentl the Yeshiva Boy. 1983 (Vorlage für die Streisand-Verfilmung)
  • Ich bin ein Leser. Gespräche mit Richard Burgin. (Conversations with Isaac Bashevis Singer, Isaac Bashevis Singer & Richard Burgin) 1985, deutsch 1988.
  • Der Tod des Methusalem und andere Geschichten vom Glück und Unglück der Menschen. Erzählungen (The Death of Methuselah and Other Stories) 1988, deutsch von Ellen Otten: Carl Hanser Verlag, München 1992, ISBN 3-446-15220-2; als dtv-Taschenbuch: München 1997, ISBN 3-423-12312-5.
  • Der König der Felder. Roman über die Frühgeschichte der Polen (The King of the Fields) 1988, deutsch 1997.
  • Die Zerstörung von Kreschew. Erzählung, deutsch 1990.
  • Ein Tag des Glücks und andere Geschichten von der Liebe. Erzählungen, deutsch 1990.
  • Max, der Schlawiner. Roman (Scum) 1991, deutsch 1995.
  • Das Visum. Roman (The Certificate) 1992, deutsch 1998.
  • Meschugge. Roman (Meshugah) 1994, deutsch 1998.
  • Schatten über dem Hudson. Roman (Shadows on the Hudson) 1997. Hanser, München 2000.

 

Kinderbücher (Auswahl)

 

  • Massel & Schlamassel und andere Kindergeschichten. Erzählungen (Mazel and Shlimazel) 1966, deutsch 1988.
  • Zlateh die Geiß und andere Geschichten. Erzählungen; Illustrationen von Maurice Sendak (Zlateh the Goat and Other Stories), 1966, deutsch: Rolf Inhauser 1968.
  • The Fearsome Inn. 1967.
  • Als Schlemihl nach Warschau ging (When Shlemiel Went to Warsaw and Other Stories). 1968.
  • Utzel and his Daughter, Poverty. 1968.
  • Elijah the Slave. 1970.
  • Joseph and Koza. 1970.
  • Der Kaiser von China, der alles auf den Kopf stellte (The Topsy-Turvy Emperor of China). 1971, deutsch 1993.
  • The Wicked City. 1972.
  • Die Narren von Chelm und ihre Geschichte (The Fools of Chelm and Their History) 1973, deutsch 1997.
  • Noahs Taube (Why Noah Chose the Dove). 1974
  • A Tale of Three Wishes. 1975.
  • Naftali the Storyteller and His Horse, Sus: And Other Stories. 1976.
  • Der Golem (The Golem). 1982, englisch 1969.
  • Stories for Children. 1986.

 

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