Augsburger Synagoge

 

Zu den herausragenden Baudenkmälern Augsburgs gehört die Synagoge in der Halderstraße. Der Monumentalbau vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist ein eindrucksvolles Zeugnis deutsch-jüdischer Kultur, ein herausragendes Dokument jüdischer Geschichte in Bayern und – nach der Vernichtung der jüdischen Gemeinde in der NS-Zeit – heute wieder das Zentrum einer, durch den Zuzug von Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion sprunghaft gewachsenen Kultusgemeinde.

 

Zwischen 1974 und 1985 wurden die Schäden der Pogromnacht beseitigt und der Kultraum wieder hergestellt und eingeweiht. Seitdem beherbergt der Bau zudem in seinem Westtrakt das Jüdische Kulturmuseum Augsburg-Schwaben, das 1985 als erstes selbstständiges jüdisches Museum in Deutschland nach dem Krieg gegründet wurde.

 

Der überkuppelte Zentralbau entstand zwischen 1913 und 1917 nach den Plänen von Fritz Landauer (1883 – 1968) und Dr. Heinrich Lömpel (1877 – 1951). Die repräsentative Lage des Grundstücks, die Auslobung eines Architektenwettbewerbs (1912) sowie die Entscheidung für einen ausgesprochen modernen Entwurf zeugen von einer selbstbewussten Gemeinde, deren ca. 1200 Mitglieder sich als Teil der Augsburger Stadtgesellschaft verstanden, hoffnungsvoll in die Zukunft blickten und einen adäquaten architektonischen Ausdruck für ihr Selbstverständnis als deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens suchten.

 

Den Betenden bietet sich wie auch den Besuchern des Museums von der Frauenempore aus ein Raum von überwältigender Schönheit. Über einem Zentralraum in Form eines byzantinischen Kreuzes mit vier tonnengewölbten Kreuzarmen erhebt sich eine 29 Meter hohe Kuppel. Grüngoldenes Mosaik verkleidet die zur Bauzeit hochmoderne Konstruktion aus Eisenbeton. Aufwändige Maßwerkfenster, der doppelte Fensterkranz der Kuppel und vier Kugellampen aus Messing tauchen ihn in ein gedämpftes, mystisches Licht.

 

Ungewöhnlich ist die reiche ikonographische Ausstattung mit farbigem Mosaik über dem Tora-Schrein, bildlicher Darstellung der Hohen Feiertage in den fünf Medaillons am Ostbogen und der zwölf Stämme an den Emporenbrüstungen sowie den vier Stuckreliefs, die den Übergang von der Kuppel zum Zentralraum füllen und die Tora als Baum des Lebens deuten. Verbunden werden sie durch zahlreiche Bibelzitate in hebräischer Schmuckschrift.

 

Auf der Ostempore über dem Tora-Schrein stand eine Orgel (Koulen & Sohn), Ausdruck der liberalen Gesinnung der Erbauergemeinde. Unter dem Zwang der nationalsozialistischen Verfolgung verkaufte die auf 400 Mitglieder geschrumpfte Gemeinde das Instrument 1940 an die katholische Kirchengemeinde in Weßling am Ammersee, wo sie noch heute steht.

 

Immer wieder wird die Augsburger Synagoge fälschlich Jugendstil-Synagoge bezeichnet. Sie weist durchaus Elemente des Jugendstils auf, verbindet darüber hinaus aber bemerkenswert unbefangen und selbstbewusst byzantinische und orientalisierende Details mit Anregungen aus der jüdischen Renaissance und traditionellen Formen des landschaftsgebundenen Bauens bei gleichzeitig modernster Konstruktion. Orthodoxen wie liberalen Zeitgenossen der Erbauung galt sie als Inbegriff eines „neu-jüdischen Tempels.“

 

 

Gotteshaus in Originalgestalt

 

Die Synagoge feiert ihr 100-jähriges Bestehen – am 4. April 1917 wurde sie eingeweiht

 

m Eingangshof der Augsburger Synagoge ist ein außergewöhnliches Zeichen in den Steinboden eingelassen: ein Davidstern, der in seiner Mitte eine Zirbelnuss umschließt – das Augsburger Wahrzeichen. Es hat die Form eines Pinienzapfens und geht zurück auf ein Feldzeichen der Römer. »Seine Kombination mit dem Davidstern macht das Selbstverständnis der jüdischen Gemeinde von damals deutlich«, sagt Torsten Lattki. »Es drückt aus: Wir sind Juden – und wir sind Augsburger.«

 

Mit »damals« meint der Sprecher des Jüdischen Kulturmuseums in Augsburg die Zeit vor 100 Jahren. Am 4. April 1917 weihte die Augsburger jüdische Gemeinde ihre neue Synagoge ein. Unweit des Königsplatzes, mitten im Stadtzentrum, hatten die beiden Architekten Fritz Landauer (1883–1968) und Heinrich Lömpel (1877–1951) einen Monumentalbau errichtet, dessen Kuppel bis in 29 Meter Höhe reichte.

 

ns-zeit Bis heute ist der Bau in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten. »Ein sehr seltenes Jubiläum« feiere man deshalb in diesem Jahr, sagt Benigna Schönhagen, die Leitern des Jüdischen Kulturmuseums. Denn fast alle Synagogen in Deutschland wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört oder nach dem Krieg abgerissen. »Als einzige Großstadtsynagoge in Bayern und eine der ganz wenigen in Deutschland hat die Augsburger Synagoge die NS-Zeit überlebt«, erläutert Schönhagen.

 

Dabei hatten die Nationalsozialisten am 10. November 1938 die Augsburger Synagoge ebenfalls geschändet und in Brand gesetzt. Weil jedoch gegenüber eine Tankstelle lag, drohten auch die Häuser der nichtjüdischen Nachbarn in Brand zu geraten. Der NS-Gauleiter ließ daher das Feuer löschen. So blieb die Synagoge erhalten.

 

»Von den ehemals 1000 Gemeindemitgliedern war jedoch die Hälfte deportiert oder ermordet worden, die andere Hälfte emigrierte«, berichtet Schönhagen. Nur zwei Dutzend Augsburger Juden kehrten nach dem Krieg zurück. Zusammen mit vertriebenen polnischen Juden gründeten sie eine neue Gemeinde. Sie sorgte dafür, dass ein Teil der Synagoge wieder als Gotteshaus genutzt werden konnte. Erst 1985 jedoch wurde die Sanierung des großen Innenraums abgeschlossen.

 

kultraum Heute ist der beeindruckende Kultraum wieder das Herzstück des Gebäudes. Die zahlreichen Verzierungen im orientalischen Stil kennzeichnen die Synagoge als Bau der »jüdischen Renaissance«, erläutert Benigna Schönhagen: »Anfang des 20. Jahrhunderts besannen sich die deutschen Juden wieder auf ihre Wurzeln und Traditionen. Die Augsburger Gemeinde war aber durchaus liberal gesinnt.«

 

Dies machen unter anderem die zahlreichen Figuren-Darstellungen in der Synagoge deutlich: Wegen des sogenannten Bilderverbots gibt es in jüdischen Synagogen normalerweise keine dreidimensionalen Darstellungen von Gott, Menschen oder Tieren.

 

Bis heute wird die Synagoge von einer jüdischen Gemeinde genutzt. Sie ist sogar größer als die Gründergemeinde. Die rund 1500 Mitglieder sind fast alle Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Einige von ihnen arbeiten auch im Jüdischen Kulturmuseum, das nach der Sanierung 1985 in der Synagoge eingerichtet wurde. Gut 29.000 Besucher verzeichnete das Museum 2016. Etwa die Hälfte davon sind Schulklassen aus ganz Süddeutschland. Sie können in Augsburg nicht nur eine Synagoge in Originalgestalt besichtigen, betont die Museumsleiterin: »Sie bekommen auch jüdisches Leben in der Gegenwart mit. Das gibt es sonst fast nirgends.«

 

jubiläum Zu Besuch kommen aber auch Juden aus der ganzen Welt. So wird es beim offiziellen Jubiläum im Juni ein besonderes Treffen geben. Unter dem Titel »Augsburg Reunion« hat das Museum Nachfahren von Familien eingeladen, die die Nationalsozialisten aus Augsburg vertrieben haben.

 

Rund 70 Personen haben bisher ihr Kommen zugesagt, darunter auch Mitglieder der aus Augsburg stammenden Architektenfamilie Landauer. Dabei kennen viele der Nachfahren die Synagoge – obwohl sie noch gar nicht hier waren, berichtet Benigna Schönhagen: »Ihre Großeltern haben ihnen oft von den ›feierlichen und erhabenen Gottesdiensten‹ in der Augsburger Synagoge vorgeschwärmt.«

 

 

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