Wormser Synagoge

 

Die Synagoge Worms ist heute die Synagoge der in Worms wohnenden Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Mainz. Sie geht auf das 1034 gestiftete Gebetshaus zurück und wurde seit dem mehrfach zerstört und neu aufgebaut. Sie stellt eine wichtige Sehenswürdigkeit der Stadt dar, die meist in Verbindung mit dem Friedhof Heiliger Sand besucht wird.

 

Lage

 

 Die Synagoge wurde an der Kreuzung von Judengasse und Hinterer Judengasse errichtet. Die Straßen erweitern sich dort zu einem Platz. Die Synagoge war Mittelpunkt des jüdischen Viertels und das zentrale Bauwerk eines Ensembles jüdischer Kultbauten, das aus Männer- und Frauensynagoge, dem Talmud-Lehrhaus, der Mikwe und dem Synagogengarten besteht. Benachbart liegen das ehemalige Gemeindehaus der jüdischen Gemeinde, das Haus zur Sonne, und das Raschi-Haus, das auf den Kellern des ehemaligen Tanzhauses errichtet wurde. Insgesamt sind an dem Gebäude 39 Bauinschriften erhalten.

 

Geschichte

 

Erste Synagoge

 

Eine jüdische Gemeinde in Worms entstand wahrscheinlich im 9. oder 10. Jahrhundert. Sie war eine der größten und angesehensten im Reich und hatte bis zu 300 Mitglieder.

 

Die erste nachweisbare Synagoge in Worms wurde 1034 von Jakob ben David und seiner Frau Rahel finanziert, was diese in einer Stifterinschrift dokumentierten, die heute neben dem Eingang zur Männersynagoge eingemauert ist. Dieses erste Synagogengebäude wurde während des Deutschen Kreuzzugs von 1096 und des Zweiten Kreuzzugs 1146 beschädigt. Es lag im Bereich des angebauten Talmud-Lehrhauses, also westlich des heutigen Gebäudes, und der Verlauf der Westwand der heutigen Männersynagoge und der der Ostwand der ersten Synagoge sind über einen Teilbereich identisch. Hier dürften sich im Fundamentbereich die ältesten Teile des Gebäudes befinden.

 

Zweiter Synagogenbau

 

12. bis 20. Jahrhundert

 

Ein Neubau der Synagoge erfolgte 1174/75. im romanischen Stil der Wormser Dombauhütte. Dieser Bauteil wird heute als Männersynagoge bezeichnet. 1185/86 wurde südwestlich der Männersynagoge die unterirdische Mikwe angelegt. Die Frauensynagoge wurde 1212/13 nördlich an die Männersynagoge angebaut.

 

Während der Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes 1349 wurde die Synagoge erneut stark beschädigt, die Deckengewölbe zerstört und die Wände teilweise abgebrochen. Beim Wiederaufbau nach 1355 wurden gotische Formen für die Fenster und das Deckengewölbe gewählt.

 

Bei dem Pogrom von 1615 wurde die Talmud-Schule zerstört und die Deckengewölbe und Wände der Synagoge erneut schwer beschädigt. 1620 erfolgte daraufhin der letzte Ausbau der Synagoge. Nördlich der Frauensynagoge wurde ein Vorbau errichtet. Westlich der Männersynagoge entstand 1623/24 das so genannte Raschi-Lehrhaus als Jeschiwa, gestiftet von David Oppenheim.

 

Vergleichbar schwer waren die Schäden nach dem Stadtbrand von 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Die Gebäude konnten erst um 1700 wiederhergestellt werden, die Innenausstattung wurde im Barock erneuert.

 

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts neigte die Mehrheit der jüdischen Gemeinde in Worms der liberalen Richtung zu. Deshalb wurde 1842 die Trennwand zwischen Männer- und Frauensynagoge abgebrochen. Sie hatte fünf kleine Fenster und eine Tür als Verbindung zwischen beiden Gebäudeteilen gehabt. Sie wurde durch die beiden Spitzbögen ersetzt, die heute dem Durchgang dienen und also neugotisch sind. Auch wurde 1877 eine Orgel in der Synagoge eingebaut. Dies führte dazu, dass sich der Gemeindeteil mit orthodoxen Überzeugungen, finanziert durch den Getreidehändler Leopold Levy, nördlich des Synagogenplatzes die Levy’sche Synagoge errichtete, die 1875 geweiht wurde. Nach dem Willen des Stifters blieb sie aber im Eigentum der Wormser Gemeinde, um eine Zersplitterung in kleinere Gruppen zu verhindern.

 

Zerstörung unter den Nationalsozialisten

 

Während des Novemberpogroms 1938 wurde die Wormser Synagoge in Brand gesteckt und brannte in der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1938 vollständig aus. Die noch erhaltenen Mauern wurden 1942 durch Öldruckpressen gesprengt. Die Gebäudereste erlitten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bei den Luftangriffen auf Worms weitere Schäden. Gleichwohl standen die Außenmauern der Männersynagoge noch bis zu einer Höhe von etwa 2,5 Metern, die der Frauensynagoge aber nur noch weniger als einen Meter hoch.

 

Zwischen 1938 und 1945 wurden aus den Ruinen von Friedrich Maria Illert einzelne Bauteile geborgen, unter ihnen die Stifterinschrift von 1034.

 

Dritter Bau

 

Baugeschichte

 

Erste Überlegungen zu einem Wiederaufbau gab es bereits 1947. 1949 wurde das Nordportal der Männersynagoge aus dem geborgenen Material wieder errichtet. Im Übrigen war die Anlage in dieser Zeit mit einer Backsteinmauer eingegrenzt. Das weitere Vorgehen war nicht ganz unumstritten, auch weil die jüdische Gemeinde in Worms in der Schoah ausgelöscht worden war und eine stetige religiöse Nutzung durch eine Gemeinde für die Zukunft ausgeschlossen schien. Treibende Kräfte hinter dem Wiederaufbau waren Isidor Kiefer und Georg Illert.

 

Der Wiederaufbau begann 1956/57 mit zwei archäologischen Voruntersuchungen. Dem folgte bis Ende 1957 die Enttrümmerung. Danach wurden die Wände wieder aufgemauert. Treibende Kraft dabei war wieder Friedrich Maria Illert. Der Wiederaufbau erfolgte weitgehend in den Formen einer Rekonstruktion mit – soweit noch vorhanden – erhaltenen Teilen des Gebäudes. Nicht rekonstruiert, sondern neu ist das Walmdach. Nicht wieder eingebaut wurde die Orgelempore aus dem 19. Jahrhundert. Auch unterband der damalige Mainzer Rabbiner senkrechte Sprossen in den Fenstern, damit die Sprossen sich nicht kreuzten, also kein christliches Symbol entstand, und das Wiederanbringen der Mesusa am Hauptportal. Dies ist zwar bei einer Synagoge völlig ungewöhnlich, war aber ein besonderer Brauch der Wormser Gemeinde. Am 3. Dezember 1961 wurde die Synagoge in Anwesenheit von Bundesminister Heinrich von Brentano erneut ihrer Bestimmung übergeben.

 

Gegenwart

 

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft gehören die Immobilien der ehemaligen Wormser Gemeinde der Jüdischen Gemeinde Mainz, die räumlich nächste jüdische Gemeinde, die sich wieder konstituierte. Von 1962 bis in die 1990er Jahre wurde die Synagoge in Worms, weil eine jüdische Gemeinde fehlte, nur sporadisch für religiöse Anlässe genutzt. Erst mit dem Zuzug von Kontingentflüchtlingen aus den GUS-Staaten zog wieder eine nennenswerte Zahl von Menschen jüdischen Glaubens in den unmittelbaren Einzugsbereich von Worms.

 

In der Nacht zum 17. Mai 2010 wurde ein Brandanschlag auf die Synagoge verübt. Die an mehreren Stellen gelegten Feuer konnten jedoch von der Feuerwehr schnell gelöscht werden.

 

Baubeschreibung

 

Männersynagoge

 

Die Männersynagoge ist ein zweischiffiger, dreijochiger, rechteckiger Saal, der nach Osten ausgerichtet ist und von zwei romanischen Säulen getragen wird. In dessen Mitte befindet sich zwischen den Säulen die moderne Bima, an der Ostwand der Toraschrein, der in Teilen der Renaissance zuzurechnen ist, aber 1704/05 barock überarbeitet wurde. Der Haupteingang zur Synagoge liegt in der Nordwestecke des Raums. Die Türgewände sind wie die nur in Kopien erhaltenen Säulenkapitelle in romanischen Formen gehalten und wurden wahrscheinlich von Steinmetzen der Wormser Dombauhütte gearbeitet. Das Portal wurde nach 1938 geborgen und in die Rekonstruktion wieder eingebaut. Auf drei Seiten der Männersynagoge befinden sich hohe gotische Fenster, die während des Wiederaufbaus von 1355 die Oculi des ursprünglichen Baus ersetzten.

 

In ihrer Zweischiffigkeit war die Wormser Synagoge stilbildend: Sowohl die Regensburger Synagoge von 1227 als auch die Prager Altneu-Synagoge aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts griffen diese Form auf. Die Männersynagoge wird heute für den Gottesdienst genutzt.

 

Frauensynagoge

 

Die auf zwei Dritteln der Nordseite rechtwinklig angebaute Frauensynagoge ist deutlich niedriger als die Männersynagoge. Der rechteckige Saal wird von einer zentralen Säule getragen und gilt als frühestes Beispiel einer einstützigen Halle. Die Säule selbst wurde nach der Zerstörung von 1615 ersetzt. Die beiden 1842 eingefügten Spitzbögen bilden den Durchgang zwischen Frauen- und Männersynagoge. In der Frauensynagoge befinden sich Gedenktafeln für die im Holocaust umgekommenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu Worms.

 

„Raschi-Kapelle“

 

Die 1623/24 als westlicher Anbau an die Synagoge angefügte Jeschiwa diente zunächst dem Lehrbetrieb der Talmud-Schule. Der Anbau besteht aus einem rechteckigen Raum mit einem halbkreisförmigen Abschluss in dessen Innern eine steinerne Sitzbank umläuft. Zwei Gratgewölbe wölben den Raum ein. Der Eingang befindet sich im Norden, sein Portal ist im Stil der Renaissance verziert. Als der Lehrbetrieb im 18. Jahrhundert aufgegeben wurde, verfiel das Gebäude. 1854/55 wurde es saniert, 1938 brannte es aus und wurde 1942 gesprengt. Mit den übrigen Gebäudeteilen wurde es rekonstruiert und wird heute auch als „Raschi-Kapelle“ bezeichnet.

 

Umgebung

 

Südlich der Synagoge lag der Synagogengarten. Hier befindet sich der Eingang zur Mikwe, hier wurde die Laubhütte der Gemeinde zum Laubhüttenfest aufgestellt und hier fanden auch Hochzeiten nach dem jüdischen Ritual unter einem Baldachin statt. Eine Pforte führt von der Synagoge in den Garten hinaus.

 

Auf der nördlichen Seite des Gebäudes befindet sich der Synagogenvorhof, ehemals ein Versammlungsplatz für die Gemeinde, auf den sich das Hauptportal der Männersynagoge hin öffnet.

 

Denkmalschutz

 

Die Synagoge Worms wurde bereits 1887 in das Sammelwerk Die Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen aufgenommen und war damit – „(i)nfolge der Hochschätzung der Mittelalters“ – einer der ersten jüdischen Sakralbauten, der unter Denkmalschutz gestellt wurde.

 

Auch heute steht die Synagoge Worms unter Denkmalschutz. Sie ist ein Kulturdenkmal aufgrund des Rheinland-Pfälzischen Denkmalschutzgesetzes.

 

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