Von Günter Malkowsky
In Polen habe ich von März 2010 bis Ende Dezember 2014 gelebt. Der Liebe wegen bin ich nach Polen gezogen. Über das – bitte nicht lachen – Internet habe ich im Jahr 2008 eine Frau in Biłgoraj kennen und lieben gelernt. Im Februar 2010 erreichte ich mit 65 Jahren das Rentenalter und wurde in den Ruhestand geschickt, bzw. entlassen. Seit 2008 bin ich etliche Male in Polen gewesen und so zog im März 2010 nach Biłgoraj, im Jahr 2011 haben Elżbieta und ich geheiratet. Man muss so einige Dokumente beibringen um als Nichtpole in Polen zu heiraten, unter anderem ein Ehefähigkeitszeugnis, das allerdings keinen sexuellen Hintergrund hat.
Biłgoraj ist eine Kleinstadt mit ca. 28.000 Einwohnern. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten 5010 Juden und 3175 nichtjüdische Polen in Biłgoraj. Heute gibt es keine Juden in Biłgoraj. Direkt im März 2010 nahm ich Kontakt zum Bürgermeister der Stadt Biłgoraj auf. Ich wollte etwas über Juden in Erfahrung bringen. Der Bürgermeister Janusz Rosłan war bevor er Bürgermeister wurde Deutschlehrer und so gab es keine sprachlichen Barrieren. Ich war der polnischen Sprache ja nicht mächtig und bin es bis heute auch nur eingeschränkt. Der Bürgermeister lud mich zu einem Gespräch in sein Büro ein. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass es in Biłgoraj keine Juden gäbe. Allerdings gibt es einen jüdischen Friedhof den ich dann auch besuchte. Der Bürgermeister war und ist sehr juden- und israelfreundlich. Heute sind wir immer noch in Kontakt und er absolviert derzeit seine 5. oder 6. Amtszeit als Bürgermeister. Janusz Rosłan gehört keiner Partei an und ist eher links orientiert.
Da für das Jahr 2010 ein Treffen mit ehemaligen biłgorajer Bürgern und deren Nachkommen, die alle in Israel lebten, geplant war lud er mich zu diesem Treffen ein. Herr Rosłan konnte ja kein Iwrith (Hebräisch) und die meisten der Nachkommen der ehemaligen Bürger kein Polnisch konnten konnte ich mich als Dolmetscher einbringen. Mit einigen der Teilnehmer bin ich bis heute über Facebook befreundet.
Der Bürgermeister wollte zu Ehren von Isaak Bashevis Singer einen kleinen Park nach ihm benennen. Isaac Bashevis Singer (siehe auch) war ein polnisch-US-amerikanischer Schriftsteller. Als bislang einziger jiddischer Schriftsteller erhielt er im Jahr 1978 den Nobelpreis für Literatur. Er lebte von 1917 bis 1921 in Biłgoraj Seine Mutter Bathsheba Singer (geb. Zylberman) kam aus dem Schtetl Biłgoraj bei Lublin. Viele Bürger der Stadt Biłgoraj fanden die Idee einen Park nach dem „Juden“ Isaak Bashevis Singer zu benennen ganz und gar nicht gut. Sie fanden, dass in den Büchern Singers die Bürger Biłgorajs ganz und gar nicht gut beschrieben wurden. Sie wurden als Diebe, Gauner und Fremdgeher beschrieben. Das passte natürlich nicht ins katholische Bild der biłgorajer Bürger. Es gab einen kleinen Aufstand, aber der Bürgermeister setzte sein Vorhaben durch. Dabei half ihm auch Artur Bara, der auch bei der Stadt beschäftigt war. Mit Artur bin ich auch befreundet und ich kenne ihn natürlich auch persönlich.
Janusz Rosłan sorgte auch dafür, dass zur Erinnerung an die Juden von Biłgoraj ein Gelände mit Häusern aus der Vorkriegszeit nachgebaut wurden. Es wurde auch eine Holzsynagoge – sie ist eine exakte Nachbildung des im 17. Jahrhundert Gotteshauses, das 1648 in Wołpie gebaut wurde - errichtet. Nach Fertigstellung dient sie als Museum. Auch hier war der Widerstand der biłgorajer Bürger sehr groß. Wieder setzte Rosłan sein Vorhaben durch.
Durch ihn habe ich noch etliche Menschen in Biłgoraj und Polen kennen und schätzen gelernt, die alle sehr juden- und israelfreundlich sind. Natürlich habe ich zu denen immer noch Kontakt und ich habe sie auch nach meinem Fortgang von Polen besucht. Aus Polen bin ich weg, weil es mit der Ehe nicht so gut klappte, wobei ich meiner Ex keinen Vorwurf machen möchte, ich bin eben auf Dauer nicht beziehungsfähig. Sie ist und war eine gute Frau und ist wieder verheiratet, wir pflegen nach wie vor in einem freundschaftlichen Kontakt.
Allerdings gibt es auch viele Polen, die uns Juden nicht mögen, uns sogar hassen. Keiner aus meinem Umfeld, außer Familienangehörigen und engen Freunden, wusste, dass ich Jude und auch Israeli bin. Ich denke, dass es besser war sie das nicht wissen zu lassen. Persönlich habe ich keine Anfeindungen zu spüren bekommen aber es war leicht zu merken, dass viele Polen eine Aversion gegen uns Juden haben.
Die Anfeindungen gegen Juden haben seit dem die PiS Partei in Polen regiert erheblich zugenommen (PiS = Recht und Gerechtigkeit, ist eine politische Partei. Sie ist EU-skeptisch und wird als nationalistisch, klerikal-konservativ, christdemokratisch und (rechts-)populistisch charakterisiert). Nicht ganz unschuldig daran ist der nationalkonservative Jarosław Kaczynski, Chef eben dieser Partei. Kaczynski hasst die Russen, die Deutschen und alles, was nicht katholisch ist also auch die Juden. Er ist ein Agitator und zusammen mit Rado Maryja einem nationalkonservativen katholisch geprägtem Radiosender in Polen mit Sitz in Toruń lässt er nichts unversucht für seine „Sache“ Werbung zu machen. Wie ich schon mal bemerkt habe hält Kaczynski mit Hilfe von Radio Maryja die Priester dazu an in ihren Predigten die PiS als einzig wählbare Partei für Polen zu empfehlen, was die in der Regel auch machen. Auf alle Fälle sorgt Kaczynski mit seinem ungebührlichen Verhalten dafür, dass die Juden- und Israelfeindlichkeit in Polen nicht abnimmt.
siehe auch: Polens Judenhass nach 1945
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